Interessante Diskussion.
Habe hier noch was gefunden:
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Paranoia, adult angst und Todesahnungen: Der Soundtrack meiner frühen Jugend. Ich spreche selbstverständlich von ABBA. Es war Weihnachten 1981, als ich dieses, ihr letztes Album erstmals auflegen durfte. Der Titelsong war überraschenderweise kein instant classic wie sonst, sondern ich hörte merkwürdig verschwommene, sich umschlingende Klänge, für die ich erst später den Begriff „Psychedelia“ lernte. „I hear the door bell ring and suddenly the panic takes me.“ Der Song gewinnt natürlich an Tempo und Struktur und ist nach 5:45 schon vorbei – der Ungeist der Siebziger hatte nicht verspätet Einzug in die Polar Studios erhalten.
„These walls have witnessed all the anguish of humiliation“. Was war nur aus Björns legendärer Bierdeckellyrik geworden? Hatte meine Mutter nicht genörgelt: „’Gimme! Gimme! Gimme!’ – was soll der Quatsch? Geht doch eh nur um Sex bei denen.“ Soweit war ich noch gar nicht, aber immerhin unterstellte sie ABBA so etwas wie Emotionen. „Die wissen schon, wie man Geld macht“ war hingegen der Bescheid meines Onkels.
„Head Over heels“, der zweite Song, versuchte sich an vertrautem ABBA-Singalong, aber der perfekte Bubblegum-Pop von „Mamma Mia“ und „Take A Cance On Me“ war nicht mehr reproduzierbar. Agnethas ironische Hommage an die Rivalin – sie ist toll, aber sie nervt – ist der schwächste Moment hier. Wie toll Frida tatsächlich war, hört man dann: „Deep inside both of us can feel the autumn chill. Standing calmly at the cross roads, no desire to run. There’s no hurry any more, when all is said and done.“ Es ist die kongeniale Fortschreibung von „Knowing Me Knowing You“.
Den Namen ABBA hörte ich erstmals bewusst in einer Unterrichtsstunde der 5B, es muss ein Laberfach gewesen sein. Der Name löste ein in diesen Räumen selten gehörtes „Buh!“-Gejohle aus. Nur Martin schwieg. Wer sind denn ABBA überhaupt, fragte ich ihn in der Pause. Ich wusste ehrlich nicht mehr, als dass es um Musik ging, und war völlig perplex, als ich dann seine Kassetten hörte. Aber klar, das hier kenne ich doch, und das auch und, ja, das ist auch „stark“, das ist alles von ABBA? Musik hörte ich schon immer gern, aber die Interpreten sind mir bis dahin schnuppe gewesen. Wir wurden für einige Jahre die besten Freunde, und das Band, das uns einte, war das Beschimpftwerden für unsere „Spasti“-Musik (für die Nachgeborenen: „Spasti(ker)“ war damals das Schimpfwort überhaupt).
„Soviel Fröhlichkeit kann ich nicht lange ertragen“, meinte später ein anderer lieber Freund. Ich habe ABBA nie so gehört, jedenfalls nicht nur so. Es gab bei ihnen stets einen melancholischen Grundton und das Wissen darüber, dass Pop auch Eskapismus ist, die Flucht vor den Zumutungen der Wirklichkeit: „Where I’m one with every grand illusion, no disturbance, no intrusion, where I let the wistful sounds seduce me – I let them use me“.
Die vollkommene Schönheit der zweiten Seite dieses Albums, das mit dem zitierten „I Let The Music Speak“ beginnt, ist kaum auszuhalten, selbst Björns allfällige Schnurre „Two For The Price Of One“ fügt sich dank des wunderbaren Arrangements ein. Ich hörte Streicher, Klarinetten, Flöten, Mandolinen („One Of Us“!) und Bennys charakteristische, bernsteinfarbene Synth-Sounds. Ich hörte aber vor allem Agnethas Stimme: „School bag in hand, she leaves home in the early morning, waving good-bye, with an absent minded smile.“ Einsicht des Scheiterns. Am Ende imaginiert Frida den letzten Moment: „Long awaited darkness falls, casting shadows on the walls. Like the embers, as they die, love was one prolonged good-bye, and it all comes back to me tonight. I close my eyes, and my twilight images go by, all too soon.“ Es war vorbei.
... wird fortgesetzt ...