Aufgund der Nachfrage von Heiner im CRS-Thread über das Buch von CM Palm stelle ich hier gerne nochmal das Lied THE DAY BEFORE YOU CAME zum Thema......
Für dieses Lied sind während 3 Wochen Studioarbeiten getätigt worden......Und zwar in den Zeiten 16-20/8/82.....dann vom 23-28/8/82 und dann wohl noch einmal in der darauffolgenden Woche vom 31/8/82 an.....
Wie CMP schreibt, gibt es dazu diverse Aussagen, aber für die 3 Woche hat er keine Bänder mehr gefunden und auch keinen Eintrag in Görels Terminbuch.......
Diese Aufnahmen dürften aber eindeutig stattgefunden haben, da Agnetha Anfang September wieder mit Aufnahmen zu ihrem Film Raskenstam beschäftigt war und für einige Tage zwischen beiden Dingen pendelte, was bedeutet, dass in dieser Woche noch Studioaktvitäten stattgefunden haben.........Warum diese Aufnahmen zumindest im Studio nicht mehr existent sind und warum es hier keinen Eintrag bei Görel gibt, ist heute nicht mehr zu klären.....Möglicherweise waren Urlaubszeit oder die relativ kurzfritige und ungeplante Verlängerung der Aufnahmen dafür ein Grund....
In der ersten Woche der Aufnahmen war Agnetha an den ersten beiden Tagen auch nicht anwesend, weil sie hier mit den Anfangsaufnahmen von RASKENSTAM beschäftigt war.........Hier und zuvor war schon die Grundmelodie für das Lied entstanden und die Backingtracks wurden aufgenommen....
Das alles ist in CMPs Buch sehr gut und detaillert beschrieben, weswegen ich hierauf jetzt nicht weiter eingehe......
Als Agnetha dann im Laufe der Woche zu den Aufnahmen hinzustieß, informierten Benny und Björn sie über ihre Idee und Vorstellung, dass das Lied im Stile dieser einsamen Frau gesungen werden sollte, ohne den üblichen charismatischen Gesang von Agnetha und sie baten sie, das Lied in diesem Kontext zu singen..........Agnetha war damit einverstanden..........(Das Wort "instructed", das CMP dabei in seinem Buch verwendet, missfällt mir hierbei, denn solche Dinge wurden bei ABBA immer sehr demokratisch entschieden......das Wort "instructed" aber implementiert etwas anderes ).....
Wie dem auch sei.......Man begann mit den Aufnahmen in der gewünschten Form.........Aber dann liess Agnetha Benny und Björn wissen, dass der Ansatz des Liedes mit seinem gewählten Arrangement nicht stimmen würde und so nicht funktionieren würde und in seinem Arrangement etwas geändert werden müsse...........So würde sie jedenfalls das Lied nicht singen, weil es so nicht stimmig wäre....
CMP hat das in seinem Buch ebenfall kurz thematisiert mit dem Satz.......
"Even with such specific instructions Agnetha herself recalls that it was problematic finding the right way to approach the song, but then came up with a solution".......und er verweist im Anschluss an Agnethas Idee mit dem "Charles-Aznavour-Style"......
Eines der Probleme dabei war unter anderem das Fehlen eines Refrains, der kombiniert mit der speziellen gewünschten gesanglichen Darstellung des Liedes das Lied zu monoton wirken liess......
Agnetha hatte dann die Lösung des Problems, indem sie auf die Idee kam, das Lied im Stil eines Charles-Aznavour-Titels zu singen und es entsprechend in dieser Richtung etwas umzuarrangieren......
Neben anderen Komponenten hatten die Lieder von Charles Aznavour unter anderem damals die Eigenart, dass sie zumeist ohne einen echten Refrain auskamen, in einem sehr speziellen Chanson-Stil der damaligen Zeit........Es war eines der Stilmittel von Aznavour, der Hunderte von Liedern in seiner Karriere geschrieben hat......Agnetha kam unter anderem auf die Idee, hier in den Strophen einen sogenannten "falschen" Refrain einzubauen, was damals auch eine Eigenart von Aznavour war..........das heisst, das Ende der Strophen gesanglich und stimmetechnisch so zu "erhöhen", dass er praktisch einen Refrain gewissermaßen "ersetzte"............Man kann das bei vielen der alten Aznavour-Lieder hören...........
Ein weiteres Merkmal war dabei das sich immer wieder wiederholende Klangbild des Gesangs der einzelnen Zeilen......Dies verstärkte die Gefahr einer Monotonie des Klangbildes nicht etwa, sondern baute eine gewisse Spannung auf, die sich dann in diesem sogenannten "falschen" Refrain auflösen konnte..........Hierbei geht es AUSSCHLIESSLICH um das Klangbild des Gesanges und nicht um die musikalische Begleitung des Liedes........Wenn man sich die einzelnen Zeilen ab der 1. Strophe von TDBYC anhört, wird man feststellen , dass sich das Klangbild (Hoch-tiefer-hoch-tiefer) immer wieder wiederholt
Dies alles wiederum liess die Möglichkeit zu, das Lied in dieser Charakteristik der einsamen Frau zu singen, ohne dass das Lied monoton wirken würde....
Agnetha hat dann gewisse Echo- und Overdubbing-Effekte des Liedes teilweise mit B+B und teilweise nach der eigentlichen Session leicht modifiziert und abgeändert...........Eine dieser Versionen mit einem größeren Echo-Effekt existiert noch in den Polar-Archiven, nach Aussage von CMP in seinem Buch........Möglicherweise war das eine Version, die man in dieser angesprochenen 3. Woche noch bearbeitet hat....
Weiterhin wurde das Lied in der nun modifizierten und leicht veränderten Version nach Ende jeder Zeile anders arrangiert, was heissen soll musikalisch verstärkt.......was diesen speziellen Effekt in den Strophen ergibt......Ebenso galt das für das Schlagzeug, was ja in diesem Fall kein echtes Schlagzeug war......
Gegen Ende der 2. und 3. Strophe baute Agnetha dann diesen sogenannten "falschen" Refrain ein, der dem Lied die entscheidende Würze und spezielle Charakteristik gab.....
Das kann man wunderbar an folgenden Stellen hören......
Zunächst wurde das musikalische Arrangement bei den beiden Zeilen
At five I must have left, there's no exception to the rule
A matter of routine, I've done it ever since I finished School
ganz leicht verstärkt, was quasi die Spannung noch mehr aufbaute.........danach erfolgte dieser sogenannte "falsche" Refrain, indem Agnetha die nächsten Zeilen stimmlich deutlich überhöhte, indem sie mit der Stimme hochging und das nächste Wort ganz langgezogen sang.......also.......
Theeeeeeee train back home again
und dann anschliesend die Melancholie des Liedes in diesem "falschen" Refrain betonte, indem sie in den nächsten beiden Zeilen stimmlich kontinuierlich nach unten ging....also bei......
Undoubtedly I must have read the evening paper then
Oh yes, I'm sure my life was well within it's usual Frame
mit dem dann die 2. Strophe abschiessenden ..
The day before you came
Auch das Arrangement des Zwischenspiels zwischen 2. und 3. Strophe wurde verändert mit dem klassischen und wortlosen Gesang von Frida...........
...und dann das gleiche in der 3. Strophe
Leichte musikalische Verstärkung bei...
I must have gone to bed around a quarter after ten
I need a lot of sleep, and so I like to be in bed by then
...der "falsche" Refrain" mi dem mit der Stimme hoch gehenden und langgezogenen....
AAhhhiiiiiii must have read a while
und
The latest one by Marilyn French or something in that style
It's funny, but I had no sense of living without aim
wo Agnetha dann wieder kontinuierlich mit der Stimme nach unten geht, wodurch die melancholische Stimmung erzeugt wird.....
....und dwm dann wieder abschliessenden....
The day before you came
Die 4. Strophe bestand dann nur noch aus 4 Zeilen, die dann von Agnetha wie ein "abschliessender " Refrain gesungen wurde mit dem Höhepunkt der beiden ersten Zeilen....
And turning out the light
I must have yawned and cuddled up for yet another night
Schliesslich entfernte sie noch nahezu alle stimmmlichen Echoeffekte.......
Das Lied hatte nun eine etwas andere Charakteristik, als es vorher der Fall war, als das Lied noch ohne stimmliche Begleitung und in der ursprünglichen Arrangementierung war.........und war nun absolut stimmig.........Heute ist es einer der größten ABBA-Klassiker.....
Wenn man sich das Lied anhört, wird man ganz zweifellos diese speziellen Höhepunkte des Liedes identifizieren können, die gerade diese beschriebenen Stellen dem Lied seine besondere Würze geben....
THE DAY BEFORE YOU CAME ist ein grandioses Werk von ABBA........Die Grundmelodie von Benny ist einfach aber absolut genial........Der Text von Björn ist punktgenau.........Die Backing-Tracks mit Micke sind erste Sahne..........
Benny selbst hat jedoch gesagt, dass TDBYC "zu 75 Prozent Agnetha gehört"..........Damit meinte er sicherlich in der Hauptsache ihre Stimme und Darstellung, aber sicherlich sagte er dies auch im Wissen der kreativen Dinge bei der Entstehung des Liedes, von denen ich eben gerade einige beschrieben habe.......
Und ich bin über die ganzen letzten 35 Jahre immer sehr glücklich gewesen, dass ausgerechnet THE DAY BEFORE YOU CAME ABBAs "Schwanengesang" war........ABBAs letztes Lied......Welch ein Finale !!!!