Passt "The Visitors" wieder in die heutige Zeit?

  • Ich habe mich gefragt, wieso viele (auch jüngere ABBA-Fans) das Album "The Visitors" so besonders schätzen.


    Die Zeit, als das Album veröffentlicht wurde, hatte etwas Düsteres. Man machte sich Gedanken über die Sinnlosigkeit von Krieg und Gewalt und blickte mit Angst in die Zukunft.
    Gleichzeitig wurden die digitale Technik und die elektronischen Klänge der 80er eingeführt. Man konnte nun einen "perfekten" Klang erzeugen, der aber andererseits etwas kühl und emotionslos wirkte.


    Diese düstere Atmosphäre gab es ja auch innerhalb der Gruppe. "The Visitors" wurde vor allem auch aus Pflichtgefühl gegenüber den Fans fertiggestellt - und dennoch spiegelt das Album genau das wieder, was auch innerhalb der Gruppe passierte. Trotz dieses kühlen Charakters hat das Album also doch eine sehr persönliche und wahrheitsgetreue Note. Ich finde diese Ambivalenz faszinierend.


    Ich frage mich, ob wir heute im Jahr 2008 wieder so eine ähnliche Zeit haben.
    - Die Rente ist unsicher wegen des demographischen Wandels.
    - Jugendkriminalität nimmt zu.
    - Die Scheidungsrate nimmt zu - Familien zerbrechen.
    - Wirtschaftsunternehmen verabschieden sich aus Deutschland.
    - Das Bildungssystem und das Gesundheitssystem stehen in der Kritik.
    - Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander. Man redet inzwischen schon wieder von "Schichten", was ich aus meiner Kindheit überhaupt nicht kenne.
    - Der Klimawandel ist ebenfalls Realität.


    Und außerdem steht das sog. digitale Zeitalter bevor. Das Internet bekommt mehr Bedeutung. Das Fernsehen soll digitalisiert und HDTV eingeführt werden.


    Auf der anderen Seite bekommt "Religion" wieder mehr Bedeutung wie die letzten Statistiken zeigen. Viele sehnen sich nach emotionaler Nähe, ohne dass sie das aussprechen.


    Passt "The Visitors" daher gut in die heutige Zeit? Was meint ihr?

  • Das, was in meinen Augen "The Visitors ausgemacht, ist das dieses Album beim Erscheinen seiner Zeit um Einiges vorraus war und nun zeitlos ist.
    Ich halte es weiterhin für eine der wichtigsten Alben von ABBA- auch wenn es das letzte war!

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    Wenn Dir das Leben eine Zitrone gibt-
    verlange Salz und Tequila !!!

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    :giggles: :smile: :?

  • Wer hat "The visitors" als LP und kann mir die ersten 20 Sekunden davon mal mailen ? Ich brauche mal ein paar Takes der PL für deinen Vergleich. Bitte am Anfang nichts wegschneiden, am besten mit Einlaufrille.


    Grüße
    Frank

  • Hej...!


    Viele Abba Fans sind ja der Meinung, daß The Visitors ein nicht sooo typisches Abba Album sei...! Für mich, muss ich sagen, ist es so ziemlich das Beste der 4...!
    Es war sicherlich, was den Stil, aber auch die Gesangstechnik angeht, ein absoluter Quantensprung, aber absolut meisterhaft. So mancher Hörer kam einfach nicht mit der plötzlichen Reife von Text, Stil und Gesang nicht klar...! Naja, zugegeben - etwas mystisch und düster ist es ja wirklich, aber nunmal auch grandios...!

  • Interessanterweise findet man bei „Sweet“ eine ähnliche Entwicklung.
    Auch hier ist das letzte Album (mit Brian) „Level Headed“ düster, melancholisch und gar nicht typisch.
    Und das war 1978.

  • Alle vier haben ja seit The winner takes mit all gesagt,
    daß vieles aus ihrem (privaten) Umfeld mit in die Musik einfliesst, ich glaube nicht, daß es gerade bei the visitors nur der kalte Krieg und auch der Faltlandkrieg war, sondern sich ihre eigenen Abgründe darin wiedergespiegelt haben!




  • Hallo Flori,


    Deine soziologische Analyse entspricht absolut der gesellschaftl. Realität, wie diese sich uns derzeit präsentiert und ist auch nicht von der Hand zu weisen.Ich stimme Dir diesbezüglich natürlich zu, da diese Punkte evident und charackteristisch für unser Zeitalter sind.


    Was den Beginn der 80er anbelangt, so sehe ich die gesellschaftlichen Standards etwas anders: ökonomisch ging es uns in Europa und der Westl. Welt deutlich besser.
    Wir waren noch Lichtjahre entfern von der Globalisierung mit all den regressiven Folgen, die wir hier heute zu spüren bekommen dergestalt, daß die Lebenshaltungskosten stetig steigen, während sich an den Gehältern wenig geändert hat und ein soziales Missmatch heute die Folge dessen ist.


    Natürlich war in den 80ern der Mittelstand hier bei uns weitaus ausgeprägter, wenn er heute schrumpft und die von Dir beschriebene Schere zwischen "arm und reich" deutlicher wird.


    Die 80er waren (angesprochen auf Deine einleitenden Gedanken) polarisierend, was den Weltfrieden betraf. Es gab in der BRD Demonstrationen zum Natodoppelbeschluß und im Verlauf der weiteren Dekade massive Bedenken gegen das Salt II -Abkommen und der Stationierung von Pershing II -Raketen hier in Europa. Der Warschauer Pakt existierte noch und Europa wurde vernachlässigbar gering vom Terrorismus heimgesucht.


    Ich habe diese Zeit eher als weitestgehend moderat erlebt. Insofern finde ich Deine Perspektive recht interessant.


    Was "The Visitors" betrifft, so war diese Musik verglichen mit "Voulez Vous" und früheren ABBA- Alben atypisch und innovativ. Als "kühl" würde ich diese Musik nicht bezeichnen, denn sie entstand mit den jetzt neuen Möglichkeiten der Synthesizer- und Studiotechnik. Die Köpfe der ABBA allerdings hatten die Ideen, die jetzt neuen medialen Möglichkeiten für Ihre musikalischen Ideen zu benutzen- die innovativsten Technologien sind so lange unbrauchbar- bzw. nutzlos, wie sie nicht von Musikern genutzt werden, die damit umzugehen verstehen. Und ABBA wußte das zu nutzen.


    ABBA schlug neue Töne an im alten Gewand und zeigte eine Entwicklung auf, die man bei verschiedenen Bands dieser Aera wahrnehmen konnte. Die Gruppe "Police" um Sting schuf vergleichbares mit "Spirits in a material world".


    Derartiger Sound war jedoch meilenweit entfernt von billgen Popkonserven a la Bohlen, der lediglich synthetische Klänge mischte ohne zu wissen, wie man das macht.
    "Video killed the radio star" war ein Samash-Hit der 80er, den ich als kühl bezeichnen wollen würde, weil u.a. auch die Stimmen dahinter nichts bleibendes hatten. Im Falle des ABBA- Duos kein Vergleich! Und warum sollte man nicht die techn. Möglichkeiten seiner Zeit nutzen? ABBA tat musikalisch von Anfang an nichts anderes.


    Vergegenwärtigt man sich spätere ( oder letzte Kompositionen) von ABBA, so fällt direkt "Under Attack" in's Auge. Ein Intro bestehend aus synkopischen Offbeats in wechselndem Rythmus und dann wieder der typische ABBA-Sound im Beat.


    Ich halte "Under Attack" für eine verschlüsselte Botschaft der Band, der Dinge überdrüssig geworden zu sein. "Under Attack" mag vllt. was mit dem Beginn des Computerzeitalters und der sich anbahnenden Dauererreichbarkeit zu tun zu haben und all den neuen Technologien. Aber vllt. doch nur die Müdigkeit des Erfolges der Band ("My resistance running low"). Möglicherweise Angst vor noch mehr Erfolg und Ideenlosigkeit ( wenn auch gerade letzterer Song ein ungeheuerliches Potential aufzeigte). Vielleicht auch Observation ( durch die Fans) und Entfernung vom Privatleben. Es waren ja die Disparitäten und unterschiedl. Zielsetzungen der Band bekannt. Während Ulvaeus bspw. Karriere mit ABBA machen wollte, sah Fältskog Ihre Erfüllung mehr im Familienleben. Schaut man sich die letzten Videos der 4 Schweden an, so wirkte vieles nur noch professionell und gespielt, nicht aber gelebt.


    Aber es kann schon sein, was Du in Deinem Posting vermutet hast: die Menschen strebten nach Neuem und isolierten sich zunehmend mehr und mehr. Resultat ist, wie Du richtig feststellst schien "Entfremdung" zu sein und der wachsende Rückzug vieler in eine/ihre ganz private Welt. Symetrisch zu heute, wie Du richtig feststellst.
    Es war nie groß ABBA's Ding, auf der großen polit. Bühne gesellschaftl. Mißstände musikalisch zu kritisieren ( das taten hier Lindenberg oder international Bands wie "Supertramp"), aber ABBA drückte Familienglück und Nähe, Intimität und Wärme aus,
    die seit dieser Zeit wohl mehr und mehr zur Privatsache wurden- es scheint sich bis heute auch nicht geändert zu haben. Ein Grund vielleicht, daß gerade in dieser Zeit so ein ABBA- Revival stattfindet. Emotional sind die Menschen heute nicht dümmer als in den 80ern und scheinen mehr intuitiv zu fühlen, was wichtig und elementar ist.


    Wäre interessant, diesen Thread fortzusetzen. Bist Du hier noch aktiv im Forum?


    Olav

  • Wow, das ist echt ein sehr interessanter Beitrag von Dir, olav. Auch das Thema ist sehr interessant und ich muss sagen, dass hier schon einiges an Argumenten abgeliefert wurde, bei denen ich zu 100% zustimmen kann.


    Ich habe allerdings bei "The Visitors" trotz all der technischen Neuheiten und Raffinessen immer das Gefühl, dass dieses Album kühl herüberkommt. Natürlich wird das einerseits durch die grundliegende Melancholie erzeugt, aber ich denke auch, dass die Technik bei einigen Stücken ein wenig kalt wirkt, weil man zu der Zeit eben mit neuen Mitteln experimentierte (Selbst wenn klar war, dass nach dem ABBA-Maßstab nur absolut zufriedenstellendes Material auf dem Album landen durfte).
    Das mit der heutigen Technik aus den alten Aufnahmen wieder wunderbare neue Stücke werden können, haben ja auch schon unzählige andere Leute gesagt, man denke an den Mamma Mia!-Soundtrack!
    Ansonsten finde ich deinen Beitrag absolut gelungen, da du auch einiges an historischen Hintergrundinformationen miteinbringst. :)

  • Jepp Daniel, ich hatte eben den gleichen Gedanken - Olav hat einen wirklich guten Stil, zu schreiben und Interesse zu wecken...!


    Ja, irgendwo habt ihr beide recht...
    allein die Titel tragen ja schon ernste, melancholische Namen, wenn man sich die Texte anhört/ansieht steht da noch weit mehr hinter. Ich muss aber immer noch gestehen, daß es für mich das ALLERBESTE von den 4en ist - gerade weil es um sehr ernste Themen geht (z.B. Like an Angel... , wo es um Drogensucht geht). Ich fand es sehr spannend (und finde es noch immer), daß sich die Gruppe nicht nur dem Sonnenschein gewidmet, sondern auch sozialkritisch, oder auch mal etwas politischer gezeigt hat. Die Zeit danach hat man von anderen Gruppen dann schließlich auch mal Songs dieser Art gehört. Bei einer Sache muss ich Olav nun wirklich recht geben und man sieht die Unterschiede zwischen Super Trouper und The Visitors ganz deutlich: es war deutlich professioneller, aber auch deutlich aufgesetzter...



    LG, Micha

  • Zitat

    Original von Abbafan Daniel
    Wow, das ist echt ein sehr interessanter Beitrag von Dir, olav. Auch das Thema ist sehr interessant und ich muss sagen, dass hier schon einiges an Argumenten abgeliefert wurde, bei denen ich zu 100% zustimmen kann.


    Ich habe allerdings bei "The Visitors" trotz all der technischen Neuheiten und Raffinessen immer das Gefühl, dass dieses Album kühl herüberkommt. Natürlich wird das einerseits durch die grundliegende Melancholie erzeugt, aber ich denke auch, dass die Technik bei einigen Stücken ein wenig kalt wirkt, weil man zu der Zeit eben mit neuen Mitteln experimentierte (Selbst wenn klar war, dass nach dem ABBA-Maßstab nur absolut zufriedenstellendes Material auf dem Album landen durfte).
    Das mit der heutigen Technik aus den alten Aufnahmen wieder wunderbare neue Stücke werden können, haben ja auch schon unzählige andere Leute gesagt, man denke an den Mamma Mia!-Soundtrack!
    Ansonsten finde ich deinen Beitrag absolut gelungen, da du auch einiges an historischen Hintergrundinformationen miteinbringst. :)


    Hey min vän & Daniel,


    Danke für Eure netten Worte. Wisst Ihr, ob der ursprüngliche Threadsteller hier noch im Forum weilt? Das Thema, daß Er da zur Diskussion gestellt hat, ist wirklich sehr interessant
    (undzwar umso mehr ich darüber nachdenke).


    Ich verstehe schon, waß Du mit " klanglich kühl" meinst, was "The Visitors" betrifft. Das ist Dein Eindnruck, den Du dabei gewinnst und den Du auch ganz gut begründest. Ich finde ds Album sehr spannend, wenn es auch sicher nicht mein Lieblingsalbum ist.


    Zwei Dinge fallen mir an Deinen Eindrücken, die Du hier schilderst auf: erstens ist Dein Eindruck ( was die Kühlheit betrifft) die Melancholie und zweitens das Experimentieren
    mit neuen Mitteln. Man kann das einerseits mögen, aber man muß es andererseits nicht.


    Ich würd's mal folgend ausdrücken: daß, lieber Daniel, was Du mit "Melanchonie" meinst, ist imho ein roter Faden durch sämtliche ( alle) ABBA- Alben. Auf jeder Platte
    (CD) gibt es auch melanchonische Kompositionen, die einen beim Hören mehr nachdenklich/sehnsüchtig/traurig stimmen (können)- so jedenfalls geht's mir damit.
    Deutlich wird das musikalisch z.B. durch das Gitarrenintro bei "One Man One Woman", daß ähnlich wie "Under Attack" über Off-Beats mit Synkopen angelegt ist und dann fast wie ein Choral überleitet zu Lygstands dunklem Gesang. Ziehmlich gut gemacht, wie ich finde. "I wonder" ( ebenfalls gleiches ALbum) hat für mich auch etwas sehr
    melanchonisches durch dieses Intro.


    Das Intro von "Under Attack" ist ähnlich gebaut wie der Refrain von "Mamma Mia":


    Zitat:


    "Dont know how to take it, dont know where to go.(Break) My resistances running low ..."


    und der Refrain von "Mamma Mia":


    Zitat:


    "Mamma mia,(Break) here I go again (Break)
    My my,(Break) how can I resist you?


    ==> Beides wird sehr akzentuiert und prägnant gesungen. Der Übergang in den gewohnten Beat kommt bei "Under Attack" fliessend über das Intro in den Song.
    Das haben Ulveaus & Andersson sehr geil gelöst. Vllt. eine Stufe höher, als noch bei
    "Mamma Mia". Die Mittel der Wahl ( sprich Rythmic & Akzente) sind da für mich eigentl.
    so ganz neu nicht. Nur bei "The Visitors" einmal mehr perfektioniert. Unglaublich, was
    da noch alles hätte kommen können, wenn die Band weiter gemacht hätte...


    Der 2. Punkt, der Dir in's Auge fiel, war die Experimentierfreudigkeit, die auf Dich scheints etwas ungewöhnlich wirkte ( bitte korrigiere mich, falsch ich Dich falsch verstanden habe).


    Auch da sehe ich's etwas anders: haben ABBA jetzt vermehrt Synthesizer eingestzt ( eine Steigerung vllt. gegenüber "Voulez Vous") , so haben die 4 eigenltich Ihre "ABBA eigene musikalische Tradition" weiter fortgeführt. Hörst Du Dir mal "Arrival" auf dem gleichnahmigen Album an, so war diese Komposition sehr durchdacht: die Jungs haben einfach schwedische Folkloreformen genommen und diese dann mit der Musik der 1976er Jahre verwoben- ich hätte mir übrigens mehr solcher Nummern ( eben auch mal ohne Text) gewünscht, auch wenn das hier nebensächlich sein mag.


    Ich will damit eigentlich nur sagen, daß ABBA m.E. seiner Tradition konsequent gefolgt sind und lediglich Ihre grundsätzlichen "Zutaten" ( Rythmik, Melodie, Voicings) in immer neueren Variationen zu perfektionieren gesucht haben.


    Was den Text von z.B. "Under Attack" betrifft, so drückt der möglicherweise vielleicht mehr die rein private Gespaltenheit der 4 untereinander aus? Ich bin mir nicht sicher, aber
    es läge auf der Hand ( "Dont know how to take it, dont know where to go" der "I don't have a strategy" oder "My resistance running low"). Eine gewisse Verzweiflung
    drückte das für mich aus. Wie gesagt bin ich mir bewußt darüber, daß ich das ganz subjektiv und frei interpretiere. Ich mag mich gerne auch irren.


    Ob solche Texte jetzt im Großen vielleicht die damalige Zeit vom Übergang der coolen 70er in die Prä- High-Tech-Äera der 80er beschreiben, glaube ich persönlich eher nicht.
    Also Falkland- Kriese und all diese Dinge, die der Threadsteller dahinter vermutet haben könnte. Und falls doch, dann vllt. wohl mehr versteckt? Da würde mich Eure Meinung mal
    interessieren. Euch einen schönen Abend!



    Olav

  • Hi nochmal hierzu.
    Also soweit ich weiß, ist Flori hier noch aktiv, vielleicht nicht jeden Tag oder jede Woche, aber auf jeden Fall noch aktiv dabei.
    Zu diesem Thema gibt es definitiv ständig neue Ansätze, die alle neue Anregungen zu diesem Thema liefern.


    Um an dieser Stelle auf die Kühlheit zurückzukommen muss ich zunächst klarstellen, dass ich ABBA zur aktiven Zeit nicht miterlebt habe und als 92er Jahrgang auch das Revival der frühen 90er nicht mitbekommen habe, weshalb ich im Allgemeinen nicht wirklich realistisch dieses Gefühl von der Umstrukturierung der Musik-Szene von den 70ern in die 80er empfinden kann. Das lässt sich natürlich anhand der unterschiedlichen Titel vom heutigen Standpunkt aus beurteilen, aber ich glaube dennoch, dass es einen deutlichen Unterschied gibt, wenn man diese Jahrzehnte auch selbst erlebt hat, denn den musikalischen Weg, den ABBA in 10 Jahren beschritten haben, haben deren Fans dann ja auch in 10 Jahren mitverfolgt und nach und nach immer wieder neu präsentiert bekommen. Das, was dort in 10 Jahren veröffentlicht wurde, hört sich ein Neu-Fan aus der heutigen Zeit wahrscheinlich in einem Vierteljahr an, wenn er wirklich Geschmack an der Gruppe gefunden hat.
    Konkret ist diese Veränderung von 1979/80 zu 1981 ja auch deutlich an dem ABBA-Material zu erkennen, wenn man mal die Alben dieser Jahrgänge anhört: "Voulez-Vous","Super Trouper" und "The Visitors". Was ich mit der Grund-Melancholie meine, ist die Tatsache, dass auf The Visitors mit Ausnahme von "When All Is Said And Done" kein einziger Titel, der einen melancholischen Inhalt hat (also alle :-D ), irgendwie in seine Klangart Frohsinn verbreitet. Voulez-Vous lässt sich schwer in diesen Vergleich einbringen, aber so etwas wie "Chiquitita" gibt es auf "The Visitors" nicht. Und auch bei "Super Trouper" kann man solche Titel finden: "Our Last Summer" oder "The Way Old Friends Do".
    Die Aufnahme-Technik hat sich ja auch zu den "The Vistors"- Zeiten in den damaligen Polar-Studios verändert, die neue Möglichkeit der Digital-Aufnahme und der total konsequente Einsatz von Synthesizern hat da meiner Meinung nach nicht jedem Titel zu seiner Bestform verholfen und ich glaube, dass auch die Plattenkäufer damals, selbst wenn "The Visitors" von mir jederzeit als Meisterwerk bezeichnet wird, damals unsicher bei diesem ABBA-Produkt waren. "Like An Angel Passing Through My Room" finde ich beispielsweise perfekt gelungen, während man aus "Head Over Heals" vielleicht mit der vorigen Technik eine erfolgreichere Single hätte machen können.
    Das ganze würde wahrscheinlich auch weniger stark melancholisch bewertet werden, wenn dieses Album nicht das letzte von ABBA gewesen wäre. Ich denke, die Trennung der Gruppe spielt in Gedanken an dieses Album auch eine gewisse Rolle.
    Die weitere musikalische Entwicklung wäre (und ist) wirklich höchst interessant, beispielsweise "I Am The City". Dieses Stück gehört zu meinen absoluten Favoriten von ABBA, auch wenn es von einigen Kritikern als Mittelmaß unter ABBA-Kompositionen abgestempelt wurde. Hier klingt der Titel ausgereift und die Technik scheint mir sehr gut eingesetzt worden zu sein, weshalb dieser Titel meiner Meinung nach damals auch ein großes Single-Potenzial gehabt hätte. Die Stimm-Kombinationen erzeugen diesen fantastischen Sound, der bei den Aufnahmen von 1982 weitestgehend wieder genutzt wurde ("Under Attack" ist da ein gutes Beispiel, ebenso "Cassandra").
    Auch das Instrumentalstück "Arrival" ist ein Produkt der Extraklasse, ebenso "Intermezzo No.1". Wie gerne sähe ich "Scaramouche" und "When The Waves Roll Out To Sea" als Instrumentalstücke veröffentlicht.



    Ich bin schon jetzt auf die nächsten Beiträge zum Thema gespannt.
    Bis bald!
    Daniel

  • Hey Daniel,



    Vielen Dank vorweg dafür, daß Du schriebst, daß der Threadsteller hin und wieder in diesem Forum aktiv zu sein scheint. Ich teile mit Dir das Interesse an diesem Thema
    auch weiterhin.


    Ich denke, es ist prächtig, mit Dir über dieses Album zu diskutieren! Mich interessiert sehr,
    wie Menschen die Musik von ABBA wahrnehmen, auffassen und interpretieren, die erst nach 1982 geboren wurden. Du brauchst Dich also dafür überhaupt nicht rechtfertigen.


    Ich habe Dein Statement mit großer Aufmerksamkeit gelesen und denke gerade darüber
    nach. Es ist sehr schade, daß Michael B. Tretow bei Google nur im Zusammenhang mit der
    Band "als 5. Mitglied" erwähnt wird. Ein Interview auf Schwedisch konnte ich bei youtube
    sichten, doch dabei blieb es vorerst. Leider verstehe ich auch kein Schwedisch. Ich habe
    Tretow mit jeweils verschiedenen Stichwörtern recherchiert, aber es scheint z.Z. keine Interviews/Rezensionen/autobiographischen Äußerungen zu geben, in denen sich Tretow
    zum Stil seiner Produktionsweise und Art, Arrangements mit zu entwickeln, äußert.


    Das hätte mich angesichts Deiner recht interessanten Schilderung wirklich interessiert:
    Du schriebst ja einleitend, daß sich ABBA's Entwicklung vom heutigen Standpunkt aus
    - und aus Deiner Sicht- leichter beurteilen lässt. Darüber dachte ich bislang gar nicht
    bewußt nach, aber damit liegst Du schon ganz richtig. Das schmälert aber nicht Deinen
    Horizont und Deine Liebe zu deren Musik und das finde ich cool. Punkt an Dich!


    Weiterhin wirklich spannend finde ich, daß Du feststellst, daß ein heutiger Teenie mit Gefallen an ABBA die Musik schon in vielleicht 3 Monaten gehört hat. Er vergleicht den
    Klang natürlich (genauso wie in meiner Generation) mit dem, was Er sonst noch alles mitverfolgt.


    Insofern verstehe ich nach Deinem Statement besser, was Du unter diesem Hintergrund mit "Kühlheit" beschreibst. Verglichen mit "Super Trouper" oder "Voulez Vouz" hast Du diesbezüglich ganz sicher Recht, was die Formveränderungen in ABBA's Musik betrifft. Klanglich, rythmisch oder auch textlich- inhaltlich. Für den Moment auf jeden Fall.



    Ein weiterer sehr interessanter Gedanke von Dir war Deine Bemerkung, daß nicht jeder Titel auf "The Visitors" das Niveau früherer Aufnahmen eines Albums erreichen konnte, was Deiner Meinung nach mit den jetzt stattgehabten Möglichkeiten der volldigitalisierten Aufnahmetechnik zusammenhängen könnte. Und Du gibst dann noch die Tatscahe zu bedenken, daß der Melanchonie- Level ein Upgrade erfährt, weil "The Visitors" das letzte Album von ABBA war. Das wirkt ganz schlüssig und ist gut beobachtet.


    "I Am The City" stellt für Dich persönlich ein absolutes Highlight in ABBA's Entwicklung dar, wie Du schreibst. Möglich, daß das für sich betrachtet gar nicht so falsch ist. Es ist
    Dein Geschmack und das ist auch gut so.


    Ich glaube, daß Ulveaus, Anderson, Tretow und die gesammte Crew samt Musikern die voll digitalisierte Aufnahmetechnik und das breitere Spektrum der Synthesizer als Mittel zum Zweck benutzt haben, in Ihrem Stil fortzufahren. Der Rythmus von "I Am The City" kommt im Gewand als neue Variation altbekannter , gewohnter Klangmuster hier zurück. Wenn Du Dir bspw. mal ältere ABBA- Aufnahmen wie z.B. "Does your mother know" oder "Dumm Dumm Didle" anhörst, erkennst Du wieder all die vielen Offbeats
    und die typische Rythmik, die sie seit eh und je verwendeten. Klar scheint das dann zunächst mal ein Quantensprung in der Entwicklung zu sein, wenn man reinhört.


    Stimmlich wirkte dieses letzte Album auf mich persönlich etwas "synthetisch", was aber ursächlich mit der Digitlalisierung zusammenhänngen mag und teils auch gewollt sein dürfte. Sehr deutlich wird das zum Beispiel in "Under Attack" ( immer noch eines der besten und genialsten Intros von ABBA, wie ich jedenfalls finde), wenn bei Ulvaeus die
    Stimme verzerrt wird und"robotlike" klingt. Diese Soundeffekte benutzen viel Musiker zu dieser Zeit, z.B. "Cool and the gang" oder "Manhatten Transfer". "The Police" um Sting wäre dafür auch noch ein weiteres Beispiel.


    Was allerdings diese ganzen Innovationen speziell bei "The Visitors" ausmachte, war, das ABBA Ihrer Zeit in gewisser Weise als eine der Hauptbegründer der Popmusik ihrer
    Zeit immer auch schon ein großes Stück voraus waren. Ob das nun musikalisch, optisch
    oder mit der Visualisierung von Musik in Form von Videos zu fast allen Stücken zusammenhängt.


    Insofern drückt der Titel "The Visitors" möglich auch etwas zukünftig- visionäres aus. Ich weiß es nicht. Was man auf jeden Fall hören kann, ist, daß die Gruppe dort schon
    gespalten zu sein schien. Die Wärme in den Stimmen fehlte und auf einmal waren die
    Fans nicht mehr "The Visitors", sondern ABBA waren es vielleicht. Keine Ahnung. Sie
    ahnten aber auch, daß es nicht gut sein kann, an einem Punkt weiter zu machen, wo
    es einfach keinen Sinn mehr hatte. Für meinen ganz persönlichen Geschmack hat die Band fast schon mit "Souper Trouper" oder "Voulez Vouz" den Zenit überschritten.
    Sie müssen geahnt haben, daß Sie als legendäre Band für knappe 10 Jahre auftauchten. Heute können wir uns- auch und gerade Dank Deiner Generation- sicher
    sein, daß ABBA längst in die Musikgeschichte des 20 Jh. eingegangen ist und sie ganz
    entscheidend beeinflusst und richtungsweisend geprägt haben muß für zukünftige Generationen. Wäre all das in Europa, was zwischen 1982 und -na sagen wir mal 1996- 1998 produziert wurde so wegweisend und ausgereift gewesen, dann hätte es diesen ABBA- Boom vielleicht gar nicht mehr nötig gehabt. Aber nur wenige Künstler nach ABBA wußten die neuen klangtechnischen Möglichkeiten so zu nutzen, daß auch über
    sie vermutlich noch in 50- 100 Jahren gesprochen wird. Mit der Hightech- Produktionsption schlichen sich immer mehr mittelmäßige Musiker ein, die ein paar Smashhits produzierten und auf nimmer Wiedersehen genauso schnell wieder verschwanden. Es blieb nichts nachhaltiges.


    Ich ertappe mich dabei, daß ich eigentlich nur damit ausdrücken wollte, daß mir unterm Strich "The Visitors" nicht ganz so gut gefiel wie die übrigen Alben davor, weil
    die Musik bis auf 3-4 Stücke plötzlich "zu kompliziert" ( bezogen auf den eigenen Style)
    anmuteten. Andersson sagte ja mal öffentlich, daß eine Melodie eigentlich immer nur genau dann gut sei, wenn sie sich beim Hören schnell einpräge.


    Wie auch immer. Dir 'nen schönen Abend!


    Olav

  • Hey olav!
    Ich glaube, Du hast in deinem letzten Beitrag wieder ein paar besonders wichtige Argumente zu dem Thema geliefert. Ganz besonders wichtig fand ich die Anmerkung, dass man natürlich auch heute (egal in welchem Alter) die Musik von ABBA mit sonstiger Musik vergleicht, die man noch so mitbekommt. Und genau da ist der Ansatzpunkt, denn es kann wirklich nichts damit mithalten. Diese Welle von zweitklassigen Musikern, die du so gut beschreibst und die auch wirklich nach zwei-drei (manchmal auch nur einem) Erfolg/en wieder in der Versenkung verschwinden, ist wirklich traurig. Auch die deutschen Charts (bzw. international) haben meiner Meinung nach an Wert verloren. Das liegt natürlich einerseits an dieser Entwicklung, das schnelle Geld machen zu wollen, sodass Künstler rasend schnell in den Himmel gehoben werden, um danach aber eiskalt fallen gelassen zu werden, was eben vor allem an den vielen Möglichkeiten liegt, wie man im Studio aus drittklassigen Musikern für eine Aufnahme Stars macht (wenn das denn so empfunden wird), aber andererseits wohl auch daran, dass den Leuten keine dieser langjährigen Erfolge (wie eben ABBA und Co.) mehr geboten werden. Zu dieser Schnelllebigkeit im Musikgeschäft kommt hinzu, dass sich viel mehr Leute illegal Zugang zu Musik verschaffen, die Single-Charts werden also quasi von einer Minderheit an Leuten erstellt, die immerhin legal Musik erwerben. Über Geschmack und Trends lässt sich streiten, aber ich glaube, wir sind uns einig, dass das allgemeine Niveau der Musikszene sich trotz der ständig verbesserten Technik verschlechtert hat.
    Ich gebe Dir auch vollkommen recht darin, dass du sagst, dass aufgrund dieser Tatsachen wohl auch heute noch die Plattform für Gruppen wie ABBA besteht.
    Kein Wunder, dass "Mamma Mia" im Theater schon von über 30 Mio. Menschen gesehen wurde, oder dass die Verfilmung ein solcher Erfolg war. Die Leute haben immer noch einen Drang nach etwas Bewährtem, etwas, das sich gehalten hat und an das man einen gewissen Qualitätsstandard setzen kann. Vermutlich ist das auch einer der zentralen Punkte um den "ABBA-Mythos" und einer der Hauptgründe, warum Benny und Björn eine Wiedervereinigung kategorisch ablehnen (mal ganz abgesehen davon, ob Frida und auch Agnetha andere Pläne haben), denn die Marke ABBA bewährt sich, wie man sieht, auch heute noch und bedarf (anscheinend) keinerlei Neuerungen.
    Diskussionen über unveröffentlichtes Material (das ich sicherlich auch gern veröffentlicht sehen würde) gehören nicht hierher, das ist ja schon ein anderes, wennauch wichtiges Thema.


    Hinzu kommt natürlich die berechtigte Äußerung, dass ABBA ihrer Zeit schon etwas voraus waren. Da stimme ich nämlich auch mit überein, sie haben auf dem Gebiet der Pop-Musik definitiv Maßstäbe gesetzt und auch die Nutzung und Aufzeichnung von Video-Clips war zu der Zeit wohl relativ neu, aber umso genialer eingesetzt. Vergleichen mit Clips, die heute gedreht werden, waren sie sicherlich technisch gesehen auf einem anderen Niveau, aber andererseits finde ich es auch maßlos übertrieben, dass einige Produzenten und Musiker heutzutage sechsstellige Beträge in diese Aufnahmen investieren, was ja erstmal durch den Verkauf der Platten wieder hereingeholt werden muss. Da ist es mir doch weitaus lieber, dass ABBA dort relativ sparsam waren (auch wenn mir die Clips nichtsdestotrotz sehr gut gefallen) und lieber in neue Aufnahmetechniken und ein neues Studio invesiert haben.
    Und noch wichtiger ist wohl, dass sie sich die weltweite Aufmerksamkeit erst mal erkämpfen mussten, denn sowas wie Internet hat es ja damals noch gar nicht gegeben. Heute kann man übers Internet und mehrere hundert Fernsehkanäle ja quasi Musik und Informationen von überall herbekommen, sodass es trotz der breiten Masse vielleicht einfacher geworden ist, sich zu präsentieren (mit einem höheren Konkurrenzkampf als Preis, der vielen zum Verhängnis wird).
    Und dennoch hat ABBA es geschafft, sich auf jedem Kontinent in den Gedächtnissen der Menschen festzusetzen (auch wenn es an einigen Stellen schwerer war als an anderen), aber wer kann schon behaupten, auf jedem Kontinent mindestens einen Nummer 1 Hit gelandet zu haben?


    Das soll es dazu für heute gewesen sein, bis bald! :-D
    Daniel

  • :sad: Ich will mich nicht weiter äußern zu diesem Album.....................
    Fakt ist, ABBA gingen dem Ende entgegen..das hört man, das sieht man am Cover.
    Und für mich ist menschlich gedacht...............gegenüber den vier ABBA Mitgliedern, daß ALLE nochmal IHR Bestes gegeben haben.
    Man spürt beim anhören...............................das es zu Ende geht. Ich empfinde das so.
    Wer, was, und wieso jetzt schlußendlich dazubeigetragen hat mag ich nicht zu benennen........SIE hatten es richtig gemacht.
    Mich hat allerdings der Titel " The Visitors " dennoch etwas verwundert............von welchem Besuch sprachen ABBA da wohl?????????????????

  • Hey Daniel,


    Du beschreibst die Entwicklung des Musikgeschäftes sehr präzise und treffend. Wichtige Aspekte, die Du da aufzählst, sind die heute allgemein üblichen Methoden, aus völlig untalentierten Menschen für ein paar Smashhits "Stars" zu machen. Seien es jetzt irgendwelche Soapdarsteller, TV- Moderatoren , Modesl oder schlicht Kanidaten, die niemand kennt. Sendungen wie "DSDS" unterstützen diese Prozesse mit einem ungeahnt
    destruktiven Einfluss, der jenseits von Qualität , Talent und Kritikfähigkeit liegt. Gerade bei
    DSDS scheint unausgesprochen ein Geheimkodex zu herschen a`la " falls doch etwas Talent vorhanden, dann um Himmels Willen sofort weg damit". Die Ex- Kanidatin Linda Teodossiu ist ein sehr gelungenes Beispiel dafür, Talente durch das unqualifizeirte Urteil der DSDS - Jury klein zu reden. Thomas Godoj, DSDS- Sieger 2008 bspw. versemmelte als
    Fünftklassiger "Rocksänger" im letzten DSDS- Finale in einer Nummer von Frank Sinatra seinen Text- Profis und wirklichen Künstlern passiert sowas nicht. Auch spielt der soziale
    Hintergrund dabei keine Rolle dafür, ob jemand sich durchsetzt. Julia Schoppmann bspw.
    war eine ausgebildete Musicaldarstellerin, die ebenfalls Herrn Bohlen nicht überzeugen konnte.


    Weiter beschreibst Du den illegalen Zugang, den sich viele Menschen heute zur Musik verschaffen, die vielleicht auch ursächlich sein könnten für die Renissance und den Hype
    um ABBA. Das Internet ist ein Fluch und ein Segen gleichzeitig. Es war nie so leicht, sich
    Musik zu besorgen- sei es nun legal oder eben nicht. Es schafft aber vielleicht auch gesamtgesellschaftlich betrachtet eine gewisse Isolation mit Communities und den allgemeinen Rückzug aus der sozialen Umwelt, die jede Band und jeder Musiker braucht,
    um sich durch sie prägen zu lassen und sich zu entwickeln. Wie soll da eine breite Öffentlichkeit die Geburt einer großen Band über Jahre mitverfolgen ( angefangen von der Entstehung bis zum Zenit)?


    Wenn wir jetzt retrospektiv diese Beobachtungen auf ABBA projezieren, so wußten sie allerdings um 3 wesentliche Grundregeln des modernen Showbuissenes, die primär erst mal die Frage unberührt lassen, ob die Band dahinter musikalisch etwas zu sagen hat oder eben nicht. Damit meine ich Outfit ( das bei ABBA ständig wechselte und vorher in der Form und dem Ausmaß nicht üblich war), Videovermarktung ( was vielleicht bei den Beatles durch deren Filme vorher existierte) und Präsenz in sämtlichen TV- Formaten ( seien es Musiksendungen oder Unterhaltungsshows).


    User "Fritz" hat hier einen recht interessanten Artikel aus "Die Zeit- online" verlinkt, in dem der Autor des Titels "A-B-B-A" als "den genetischen Code der Popmusik" bezeichnet. Während man Skandinavien seinerzeit eher belächelte und sich auf die Entwicklungen in GB/USA konzentrierte, "erfanden die Hinterwälder aus Schweden ( Zitat aus dem Zeit-Artikel) einfach schnell die moderne Popmusik.


    Wie Du richtig feststellst, taten ABBA das mit intelligent und sparsam eingestzten stillistischen Mitteln, denn sie müssen gewußt haben, das "Weniger" meistens "Mehr" ist.


    In einem Punkt sehe ich ABBA etwas anders als Du. Ich würde deren Musik nicht mit Bands oder Künstlern aus anderen Genres vergleichen, da z.B. Rockmusik ganz andere
    Kriterien erfüllen muß, als eben i(m Falle von ABBA) die moderne Popmusik, für die
    die 4 Schweden allerdings Wegbereiter waren und neue Maßstäbe setzten, die bis heute unerreicht sind. Eben vielleicht auch gerade deshalb, weil die musikalischen Mittel so simpel waren, daß es schon wieder viel zu schwer war, ähnliches neu zu erfinden.


    Interessant wäre jetzt, ob nach "The Visitors" noch Musik gekommen wäre, die qualitativ für weitere 2 Dekaden international ganz oben geständen hätte ( die privaten Umstände der Bandauflösung hier mal ganz aussen vor gelassen).


    Der neue ABBA- Hype erklärt sich für mich u.a. auch dadurch, daß die Band damals wußte, daß nichts endgültig ist. Sie hatten schon soviel gesagt, daß es viel Zeit
    für die Nachwelt baruchte, sich erst mal mit dem vorhandenen ABBA- Material zu beschäftigen.


    Vergleichen dazu existieren die Rolling Stones heute immer noch. Aber die Musik, die die Stones prägten, liegt eigentlich schon 4 Jahrzehnte zurück -und genau dafür werden sie noch immer geliebt.Neue, wirkllich markante Hits kamen von Ihnen nicht
    mehr. Sie leben seit über 35 Jahren lediglich vom Ruhm vergangener Tage.


    ABBA kehren heute zu einer fast inhaltsarmen Zeit zurück und erreichen wieder die Herzen vieler Menschen und v.a. ( was mich besonders freut) die jüngeren Generationen. Bei den von Dir angesprochenen Qualitäten der Charts ( "Du hast den schönsten Arsch der Welt") verwundert es nicht.



    Olav


  • Genau das ist es! Das ist die entscheidende Frage, was wäre wohl mit dem Material von ABBA nach dem "The Visitors" Album geschehen? Alles, was uns für heute bleibt, sind die 6 Aufnahmen aus dem Jahr 1982, plus den Auftritt zusammen für das Lied "Tivedshambo".
    Man kann ja nicht behaupten, dass ABBA es nach "The Visitors" nicht weiter gebracht haben, aber vielleicht waren die Nachfolge-Singles einfach nicht so gut ausgewählt, oder die Leute hatten in der Zeit quasi "keinen Hunger" auf ABBA mehr (Da passt dann auch das Stichwort "Sie waren ihrer zeit voraus").


    Björn hat in einem Interview bereits einmal ganz treffend gesagt: "Vielleicht hätten wir weitergemacht, wenn "The Day Before You Came" wiieder Nummer 1 geworden wäre."
    Ein Stück weit glaube ich das sogar. Wer weiß, was mit einer dritten Single "Just Like That"/"I Am The City" passiert wäre. Heute wird besonders der erste Titel hoch gelobt, ob er damals erfolgreich gewesen wäre, lässt sich schwer sagen.
    Aber, was sich definitiv feststellen lässt, ist, dass Björn und Benny auch nach ABBA noch eingängige Pop-Melodien geschrieben haben, auch wenn das teilweise von Kritikern ein wenig runtergezogen wird. Denn gewiss gab es Stücke in "Chess", die durchaus Potenzial für einen ABBA-Titel hatten, z.B. "I Know Him So Well" und auch "Heaven Help My Heart". Teile dieser Stücke entstammen ja sogar ehemaligen ABBA-Titeln. Auch die Pop-Alben von Gemini, die von Kritikern gern abgewertet werden, enthalten eine Reihe von guten Titeln, die ebenso eingängig sind, wie ABBA selbst und die auch wieder an frühere ABBA-Produktionen erinnern, ganz besonders die Stücke des Albums "Gemini" (1985). Und die Produktion des Albums "Shapes" von Josefin Nilsson erinnert ebenfalls teilweise an ABBA. Klar ist es manchmal etwas schwer vorstellbar, wie diese Titel mit Agnetha und Frida klingen würden, aber diese Stimmkombination hat ja aus ABBA auch erst ABBA gemacht.
    Deshalb glaube ich schon, dass nach einer "Durststrecke 1982" ABBA durchaus wieder den Weg an die Spitze der Charts geschafft hätten.





    Zitat

    Original von Stockholm
    Mich hat allerdings der Titel " The Visitors " dennoch etwas verwundert............von welchem Besuch sprachen ABBA da wohl?????????????????


    Zu diesem Titel gibt es ja wirklich ein paar haarsträubende Verschwörungstheorien, aber ich glaube, man kann der offiziellen Erklärung durchaus Glauben schenken: Bei diesem Lied haben sich ABBA vorgestellt, wie es wohl als Anders-Denkender in der Sovjetunion gewesen sein muss, mit dem Gefühl, dass jeden Moment dieses ominöse Klopfen an der Tür kommen kann und man vom Geheimdienst abgeholt/verhaftet wird.
    Dieses Gefühl kommt meiner Meinung nach auch sehr gut rüber und wenn man konzentriert zuhört, kann man eine Gänsehaut bekommen.

  • :giggles: interessant.....................wow, warum veröffentlicht IHR nicht ein Buch....................................????????????????????
    was IHR da so alles schreibt..................da wird einem ja beim lesen regelrecht schwindelig.-....................................naja..................

  • @ Stockholm


    Dies`ist doch ein Forum, ein Forum, in dem jedes Mitglied seine Meinung kundtun kann und darf (solange man niemanden persönlich angreift, oder gegen die Regeln verstößt) , oder...!?
    Ich verstehe um ehrlich zu sein überhaupt nicht, warum Du dich in dieser Art und Weise äußerst...! Es stehen doch ausreichend threads zur Verfügung, die Du "bearbeiten" kannst, da muss so etwas doch ganz gewiss nicht sein, oder!?


    Gruß, Micha


    olav und Daniel


    Ich klinke mich mal aus diesem Thema aus - ihr vertretet meine Meinung ja nun wirklich beiderseits und nach 3 Tagen Abstinenz meinerseits habt ihr so ziemlich alles auf den Punkt gebracht...!


    @ Stockholm (Nachklapp)


    Du nimmst mir meinen Spruch s.o. ja wohl nicht übel, oder...!? :giggles:

    Einmal editiert, zuletzt von min vän ()

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