Überraschungs-Rezension: A4u, Tribute Show mit ABBA For You, Hamburg, Laeiszhalle (Kleiner Saal), 30.01.2015
Es begab sich aber an jenem Donnerstag, dem 29. Januar 2015, da ich mich zur nächstgelegenen Vorverkaufsstelle begab, eines der letzten noch verfügbaren Tickets mit guter Bühnensicht für ABBA – The Show zu erstehen.
Ich war gerade dabei, das Ticket – für den allerletzten noch verfügbaren Platz im vorderen mittleren Teil des Parketts – zu bezahlen, da fiel mein Blick auf eine Veranstaltungsliste, die zwischen anderen Papieren neben dem Monitor an der Kasse steckte. In einer Zeile stand etwas von einer "Tribute Show mit ABBA For You". In der Laeiszhalle. Am 30. Januar. Also schon am nächsten Tag.
Nun ja, ich hatte gerade Geld ausgegeben für eine ABBA-Tributeband, und es waren nur etwas mehr als 24 Stunden bis zu dieser Show, die kaum irgendwo promotet worden war, jedenfalls hatte ich nichts davon erfahren. Ich entschied mich dagegen, gleich auch noch ein Ticket für diese Veranstaltung dazuzukaufen, das hätte etwas seltsam ausgesehen. Bei so geringer Werbung, so schloß ich, wird die Show sicherlich nicht ausverkauft sein; wenn ich also hinginge, würde ich mich der Abendkasse bedienen. Zu dem Zeitpunkt war ich mir aber noch nicht einmal sicher, ob ich überhaupt hingehen würde.
Am Donnerstagabend recherchierte ich zunächst einmal die auftretende Gruppe. Sie heißt nicht "ABBA For You", sondern A4u, was im Grunde dasselbe meint, aber nicht ausgeschrieben ist. Wenn die wirklich "ABBA" im Namen tragen würden, müßten sie immens Lizenzgebühren dafür zahlen, sofern es ihnen überhaupt gestattet würde. Jedenfalls war es nicht so schwierig, über sie etwas in Erfahrung zu bringen, wie bei der Truppe aus Lübeck, denn A4u haben eine – wenngleich etwas unübersichtliche – Website.
Diese Website verriet mir ein paar Dinge über die Gruppe. Zum einen war es wieder eine überwiegende Playback-Veranstaltung – A4u sind nicht wirklich eine Band, sie sind nur vierköpfig, lassen also unter anderem einen Schlagzeuger und einen Bassisten vermissen, sie treten sogar nur zu viert auf. Also muß wieder alles, was auf der Bühne an Musikern fehlt, per Audio-Zuspielung ergänzt werden. Das hatte ich ja schon in Lübeck, aber nicht in dem Umfang, daß auch die halbe Rhythmusgruppe fehlt.
Zum anderen ist diese Gruppe aus irgendeinem Grunde mehrfach preisgekrönt. Der GEDU-Verlag hat sie 2006 und 2009 europaweit zum "Künstler des Jahres, Sparte Revival-Bands" ernannt, außerdem bekam sie 2007 den Fachmedienpreis. Noch einmal: Eine Playbackshow hat Auszeichnungen im europaweiten Vergleich eingeheimst, als wenn es ABBA – The Show und Arrival from Sweden nicht gäbe. Soll das implizieren, daß sie besser sind als diese beiden? Noch dazu hatten sie schon diverse TV-Auftritte – paßt eigentlich, denn wann wird heutzutage im Fernsehen noch wirkliche Livemusik gemacht, sofern es nicht auf 3sat zu Silvester ist?
Erst am Freitag, also dem Tag der Veranstaltung, beschloß ich: Ich gehe hin. Ich mache die ABBA-Tribute-"Dreierkette" innerhalb eines Winters (die bereits rezensierte Show A Tribute to ABBA knapp zwei Wochen zuvor in der Lübecker MuK, diese Show und ABBA – The Show) komplett, sofern mir nicht noch eine vierte Veranstaltung über den Weg laufen würde.
Dieses Mal war ich schlauer als in Lübeck: Ich trug dafür Sorge, daß ich während der Veranstaltung Notizen machen konnte, damit ich mich nicht ausschließlich auf mein Gedächtnis verlassen mußte. So hoffte ich, mehr zu konkreten Songs ausführen zu können.
Das mit der Abendkasse war im nachhinein keine schlechte Idee. Ich erstand ein Ticket im seitlichen Parkett mit leidlich guter Bühnensicht, das im Vorverkauf 69 € gekostet hatte, für nur 40 €. Zumindest sah ich, was ich sehen mußte.
Es klingt auf den ersten Blick beeindruckend, daß eine ABBA-Tributeband in der Laeiszhalle auftritt, in der an Unterhaltungsmusik sonst nur sehr Hochkarätiges zu sehen ist. Allerdings fand A4us Veranstaltung statt im sogenannten "Kleinen Saal", der einen separaten Eingang und eine entsprechend nicht unbedingt überwältigend große Bühne hat. Eine ortsfeste PA hat der eher für akustische Musik gedachte Saal nicht. Statt dessen sorgte eine PA für den mäßigen Klang, die eher wie das Mitbringsel einer Tanzband als wie Laeiszhallen-Inventar anmutete: Beiderseits der Bühne waren jeweils zwei Electro-Voice-Satelliten gemeinsam auf ein Stativ montiert, das in einem Subwoofer unbekannter Provenienz steckte. Mit glitzernden Höhen war da nicht viel, aber vielleicht bin ich zu sehr verwöhnt von Konzerten eines Künstlers, der sich seine eigene Spezial-Highend-PA hatte entwickeln lassen.
Auf der Bühne selbst fand sich mehr Lichttechnik als Musikinstrumente. Vier Moving Heads waren an verschiedenen Stellen der Bühne auf kurzen Traversenstücken aufgestellt, an denen vorne zusätzlich zum einen ein LED-Balken und zum anderen eine ausgesägte fünfblättrige Blüte in verschiedenen Farben angebracht waren, bei letzteren war jedes Blatt zusätzlich mit einer 7"-Single diverser Interpreten dekoriert, vermutlich alte Jukeboxware, zu der die Hüllen längst nicht mehr existierten, die somit also billig zu haben war. Das übrige Licht bestand aus den obligatorischen über der Bühne hängenden PAR-Kannen mit Farbfolien.
Wie gesagt, Schlagzeug und Baß fehlten gänzlich. Zur Linken (vom Publikum aus) waren zwei Gitarren aufgeständert, eine akustische und eine elektrische. Was mich mehr interessierte – und tatsächlich einen näheren Blick wert war –, das war die ABBA-typisch zur Rechten angeordnete Tastenabteilung für "Benny".
A4u hatten tatsächlich ein Yamaha CP-70B aufgefahren, einen (einigermaßen) mobilen elektrischen Flügel, wie unter anderem auch Benny Andersson ihn selbst einsetzte – bei den 1979er Konzerten, u. a. in Wembley, waren zwei davon auf der Bühne. Aber: Das Ding war nicht angeschlossen. An überhaupt nichts. Die Ausgänge auf der linken, also sogar Teilen des Publikums zugewandten Seite waren alle vier unbelegt. Dafür saß in diesem Anschlußfeld fast mittig eine kleine orange Leuchte, die vor sich hin leuchtete, da aber nicht hingehörte. (Nein, auch der Patch-Ausgang am Bedienpaneel wurde nicht statt dessen als Ausgang verwendet.) Das Anschlußfeld auf der rechten Seite des Flügels enthält den Anschluß für das Netzteil – auch dieser war nicht belegt, so daß das ganze Instrument nicht einmal unter Strom stand. Die rote Kontrolleuchte war durch eine orange von der Art derer zwischen den Ausgängen ersetzt worden; beide waren offensichtlich batteriebetrieben.
Auf dem CP-70B war ein weißes Masterkeyboard drapiert, das ich beim besten Willen nicht identifizieren konnte. Der einzige Markenname auf dem Gerät war ein Werbesticker des Mikrofonherstellers Shure (der wie bei gefühlten 99% aller Live-Konzerte auch hier sämtliche Gesangsmikros stellte), und Shure baut keine Keyboards. Jedenfalls war es ein augenscheinlich sehr leichtgewichtiges, miserabel verarbeitetes Exemplar (vermutlich irgendeine Hausmarke eines Händlers, made in China), das einen USB-Anschluß a) als MIDI-Leitung, b) zur zusätzlichen Verwendung als Audio-Interface und c) als einzig mögliche Energiequelle hatte. Hier war zur Abwechslung eine grüne Leuchte eingebaut, die ebenfalls aus einer Batterie gespeist wurde – denn der USB-Anschluß war unbelegt, also war das Keyboard selbst genauso stromlos wie der E-Flügel. Dafür waren alle vier Klinkenbuchsen (zwei Audio-Eingänge, zwei Audio-Ausgänge) belegt. An einem hing das einzige Kabel, das bis zum Boden ging, und das wiederum gehörte zu einem Sustainpedal, dergleichen eigentlich am CP-70B hätte angeschlossen sein müssen. Von den anderen drei aus gingen Kabel in eine ominöse kleine schwarz-silberne Box, in denen sie ohne Anschlußbuchsen direkt endeten – sollte wohl eine Drahtlosverbindung vorgaukeln.
Hinten am rechten Bühnenrand war ein drittes Tasteninstrument abgelegt, das überhaupt nicht zu ABBA paßte: eine Keytar. Ein schmuckes, relativ seltenes rotes Yamaha KX1, eins der wenigen Umhängekeyboards mit Aftertouch (warum eigentlich) und Yamahas einzige je gebaute Keytar mit normal großen Tasten. Wie ich später sehen sollte, war auch das nur Show. Die meisten Keytars können auch mit Batterie betrieben werden, das nützt aber herzlich wenig, wenn das MIDI-Kabel, das in die Keytar gestöpselt ist, irgendwo im Tragriemen endet statt in einem Wireless-MIDI-Sender oder gar in etwas Stationärem, das MIDI-Signale verarbeiten kann.