Beiträge von The Doctor

    Das Stück mit einer 10- oder 12köpfigen Band auf der Bühne live zu spielen, ist nochmal was ganz anderes.


    Wenn das überhaupt reicht – zumal bei wirklich extrem hochdotierten Tributebands.


    Für die frühen Sachen braucht man ein Orchester.


    Für die späten, immer elektronischeren Sachen braucht man mindestens vier Keyboarder mit Bergen an Equipment, das man womöglich schon lange nicht mehr neu im Musikgeschäft kaufen kann, gebraucht zu Liebhaberpreisen gehandelt wird und ständig repariert werden muß. Die zerstören dann das Bühnenbild, weil sie weniger wie Musiker wirken als wie die Kommandobrücke eines Flugzeugtrügers oder wie NASA Mission Control, so hochkonzentriert, wie sie sind, wenn sie den Studiosound von ABBA nachbauen. Wenn man sie denn überhaupt sieht, wenn sich also ihre Instrumente nicht zu hoch übereinander stapeln. Derweil können die Orchestermusiker in der Nase bohren, weil sie nichts mehr zu tun haben.


    Bei den frühen Stücken stehen dann die vier Keyboarder in ihren sauteuren Instrumentenburgen und haben nichts zu tun.


    Vor diesem Problem hat noch jede ABBA-Tributeband kapituliert, auch die ganz großen.

    Benny war auch im Besitz mehrerer elektrischer Flügel von Yamaha. Legendär ist der weiß folierte CP80, der auf der drehbaren Säule eines Friseurstuhls ruhte und ABBA auf der '79er Tour begleitete – neben einem unmodifizierten Exemplar, das Anders Eljas spielte, der Yamaha GX-1 und diversen anderen Tasteninstrumenten. Die Roadies werden sich gefreut haben, denn auch wenn CP70, CP70B und CP80 zweiteilbar sind, wiegen sie doch fast drei Zentner, die sich dann auf nur zwei Teile aufteilen.


    WIMRE, spielt Benny einen CP80 in "Angeleyes".

    Vielleicht interessant für norddeutsche ABBA-Fans: Im Engelsaal in Hamburg läuft aktuell an einigen Sonnabenden noch mindestens bis Jahresende immer mal wieder eine ABBA-Revue namens Super Trouper. Die Story kann man in der Mitte zwischen Mamma Mia und Thank You For The Music einordnen. Es ist meines Wissens eine hauseigene Produktion mit Livemusik von einer der hauseigenen Kapellen, und die Darsteller singen selbst.

    Das muß ich direkt mal kommentieren, zumal da auch einiges an Halb- und Unwahrheiten zusammengekommen ist.


    Bennys Gx1 hat die Seriennr. 5088 und war das allerletzte von Yamaha ausgelieferte Exemplar.


    Da fragt sich doch, mit welcher Seriennummer die GX-1 anfing. Mehr als 50 wurden nämlich höchstwahrscheinlich nicht gebaut. Sollten tatsächlich 88 gebaut worden sein, frage ich mich, wieviele davon an was für Orten in Japan gelandet sind, wenn kaum mehr als 12 oder 13 exportiert worden sind.


    Lustigerweise gibt's auch das Gerücht, daß Benny die erste bekam. Da frage ich mich dann aber, wo die all die Jahre gestanden hat. Die letzte klingt plausibler. Bei den Stückzahlen muß man eh davon ausgehen, daß die GX-1 nur auf Bestellung gebaut wurde und nicht in dem Sinne in Serie, daß Benny also Ende der 70er nochmal eine bestellt hat. Er bekam sie, als sie eigentlich schon wieder veraltet war und er selbst noch im selben Jahr mit einem der ersten Sequential Circuits Prophet-5 (ein Rev. 1, der noch bei Dave Smith zu Hause zusammengebaut worden war) einen wesentlich zeitgemäßeren Synth bekam. Fürs Touren waren beide nicht geeignet, und doch tourten beide.


    Er hat ihn erst 1979 bekommen, obwohl es den schon seit 1974 gab, und das erste mal wurde er auf "Does your Mother know" eingesetzt. Benny hat den Basssound, mit dem Dymk anfängt, selbst programmiert, was sehr umständlich war.


    Meines Wissens war das ein Werkspreset, und Benny wurde vom Herumspielen mit diesem Werkspreset überhaupt erst zu dem Song inspiriert.


    Der Soundbau ist in der Tat umständlich, weil die GX-1 keine Bedienelemente dafür hat (außer für den zweiten Tone des Solomanuals). Dafür braucht man die Setting Box, einen Koffer mit entsprechenden Reglern, der an die GX-1 angeschlossen werden muß. Und auch die ist kein externer Programmer, wie es ihn in den 80er für Roland-Synthesizer gab. Der Spaß geht wie folgt vonstatten:

    • Eine der beiden Tone-Module-Klappen oben auf dem Spieltisch öffnen. Darunter stecken insgesamt 70 Tone Modules, Fixed Tone Modules für die festen Werkspresets und Variable Tone Modules für Eigenkreationen.
    • Ein Variable Tone Module entnehmen, dessen Einstellungen man verändern will.
    • An dieser Stelle das Kabel der Setting Box anschließen.
    • An der Setting Box den gewünschten Sound zusammendrehen.
    • Entnommenes Variable Tone Module auf die Setting Box stecken.
    • Mit einem Schraubendreher die 26 Potis im Variable Tone Module so einstellen, daß sie mit den Einstellungen der Setting Box übereinstimmen (das wird zum Glück optisch angezeigt).
    • Kabel der Setting Box abziehen.
    • Variable Tone Module an dieser Stelle wieder einsetzen.
    • Klappe wieder schließen.


    Man hat also eine kleine Plastikkiste mit Potis als Sound-"Speicher", die zum Einstellen auch noch entnommen werden muß, und einen externen "Programmer", der am angeschlossenen Gerät gar nichts einstellen kann. Das hier ist ähnlich kompliziert wie Sounderstellung am Polymoog – der arbeitet mit Lochkarten, die man selber stanzen muß. Im Vergleich dazu sind die vierfach vorhandenen Fader unter der Klappe beim Yamaha CS80 schon wesentlich komfortabler – von richtigen Speicherplätzen, wie sie mit dem Prophet-5 aufkamen, ganz zu schweigen.


    Der GX1 hatte Prototypcharakter, war sehr teuer, wog über eine Tonne und neben Benny gab es nur wenige andere, die auch einen GX1 ihr Eigentum nennen konnten.


    "Über eine Tonne" ist kompletter Blödsinn.


    Spieltisch: 300 kg.
    Bank: 60 kg.
    Baßpedal: 27 kg.
    Lautsprecherkabinett TX-II mit Röhrenverstärkern: 141 kg, in Standardkonfiguration zweimal vorhanden, kann bis zu viermal angeschlossen werden.


    Das Instrument an sich wiegt also 300 + 60 + 27 = 387 kg.


    Mit den zwei standardmäßig mitgelieferten Kabinetten kommt es auf 300 + 60 + 27 + 2 × 141 = 669 kg.


    Mit den maximal möglichen vier Kabinetten kommt es auf 300 + 60 + 27 + 4 × 141 = 951 kg.


    Selbst mit den Staubschutzhüllen auf dem Spieltisch und auf allen vier Kabinetten und der optionalen Setting Box wird man die Tonne nicht erreichen, geschweige denn überschreiten.


    Bennys GX-1 hat übrigens nur zwei Kabinette.


    Stevie Wonder und Keith Emerson hatten auch einen.


    Stevie Wonder und Keith Emerson waren ausgerechnet die einzigen beiden Personen, die schon in den 70ern zwei davon besaßen.


    Keith hat beide verkauft – das Exemplar, das er neu gekauft und mit auf Tour genommen hatte, ging an Hans Zimmer, der es auch nicht mehr hat; das Reservegerät, das er John Paul Jones von Led Zeppelin abgekauft hatte, der es schwarz hatte umlackieren lassen, ging an den italienischen Sammler Riccardo Grotto.


    Stevie hat beide noch. Eine steht einsatzbereit in seinem Studio, die andere bei Madame Tussaud's in Las Vegas mit einer Stevie-Wonder-Wachsfigur dahinter.


    Nur eine weitere Person wüßte ich, die je zwei GX-1 gleichzeitig besaß. Das ist ein Japaner mir unbekannten Namens, und der hat beide erst im 21. Jahrhundert gekauft.


    Die Chance heute noch so ein Instrument auf EBay zu ersteigern sind gleich null.


    Ich sag mal so: Daß eine auftaucht, ist extrem selten. Sie zu ersteigern, ist um so einfacher, wenn man das Geld hat, weil sowas nicht mit $1 Startgebot eingestellt wird, sondern direktweg zu fünfstelligen Preisen. Sie dann nach Hause zu kriegen, ist das nächste große Problem.


    Da sind die Chancen über japanische Kleinanzeigen schon größer.


    Es wurden außerhalb Japans wahrscheinlich nur ein Dutzend davon ausgeliefert.


    Ich konnte elf konkrete Exemplare nachverfolgen, die dauerhaft außerhalb Japans verblieben, von denen nur neun tatsächlich an acht Kunden außerhalb Japans geliefert wurden; ein paar andere bleiben nebulös:

    • Benny Andersson (ABBA) → Roth-Händle-Studios → Riksmixningsverket
      (Nr. 5088)
    • Keith Emerson (Emerson, Lake & Palmer; Tourgerät) → 1995 Hans Zimmer (MIDI-Einbau) → unbekannt
    • John Paul Jones (Led Zeppelin; schwarz umlackiert) → Keith Emerson (Reservegerät) → 1995 Riccardo Grotto
    • Stevie Wonder (Studio)
    • Stevie Wonder (Madame Tussaud's)
    • Rick van der Linden (Ekseption, außerdem ein Soloalbum mit dem Titel GX-1) → unbekannt
    • Jürgen Fritz (Triumvirat) → unbekannt
    • L. Ron Hubbards Sammlung (Church of Scientology)
    • Mickie Most (RAK Records) → 2007 Aphex Twin
    • Yamaha-Vorführgerät in Australien → australische Orgellehrerin → 1993 Gordon Reid (Sound on Sound Magazine; hat einen zweiteiligen Bericht darüber verfaßt, einen Teil darüber, wie er sie aus Australien nach England schaffen ließ, der zweite ist ein Testbericht)
      (Nr. 5073)
    • Yamaha-Vorführgerät in Australien → Aufkauf durch australischen Geschäftsmann → "PinballIdiot" (der 2003 versucht hat, sie für 250.000 Dollar zu verbuchten, und sie auch nach Preissenkungen nicht losgeworden ist)
    • Es wird gemutmaßt, daß Richard Wright (Pink Floyd) kurzzeitig eine GX-1 hatte. Es gibt dafür aber keinerlei Belege.
    • Irgendwoher tauchte vor ein paar Jahren ein GX-1-Spieltisch ohne jegliches Zubehör auf – ohne Bank, ohne Baßpedal, ohne Kabinette, meines Wissens auch ohne Notenpult, nur der Spieltisch mit Sockel. Die Herkunft des Geräts blieb unbekannt.


    Zumindest zwei davon kamen zu Live-Einsätzen, nämlich die beiden erstgenannten. Benny hatte seine bekanntlich 1979 dabei, auch in Wembley. Keith spielte seine "eigene" unter anderem 1977 im verschneiten, ansonsten menschenleeren Olympiastadion in Montréal. Keith sagte mal, es waren acht Roadies nötig, um nur den Spieltisch zu bewegen.


    Aber ich glaube erstmal bewusst wurde mir dieser neue GX1 Sound mit "Gimme Gimme Gimme" ...


    In "Gimme! Gimme! Gimme!" hält sich die GX-1 wohl noch ziemlich zurück. Das einzige, was von dem Ungetüm kommen kann, sind die oktavierten Streichereinwürfe, und auch die müssen durch eine heftige Effektkette gelaufen sein – trocken klingt die GX-1 nicht so. Was hier für die GX-1 spricht, ist, daß der Part mit Anschlagdynamik gespielt wurde.


    Die Instrumentalmelodie ist jedenfalls 100% GX-1-frei. Der "Flötensound" ist das selbstoszillierende Zweipol-Tiefpaßfilter eines ARP Odyssey Mk. I – das kann mit Korgs drei Neuauflagen (dem "normalen" geschrumpften, dem Expander und dem Fullsize) sehr originalnah nachempfunden werden. Und die Strings darunter kommen von einer Stringmachine, einer Yamaha SS-30.

    Das ist vielleicht ein Gemeinplatz, aber es heißt ja, versuche nicht jemand anders zu imitieren, sei du selbst! :)


    Allerdings ist das bei einer hochdotierten Tributeband, die die Illusion erzeugen will, daß da das Original auf der Bühne steht, ziemlich fehl am Platze ist. Da kann und darf man keine eigenen Elemente einbauen (oder nur in sehr wenigen speziellen Ausnahmen wie das rosa Känguruh bei der Australian Pink Floyd Show), sondern man sollte den größten Realismus anstreben, den zu erzielen man irgendwie in der Lage ist.


    Natürlich gibt es da Limits. Aber diese Limits sollte eine Tributeband – gerade eine in dieser Klasse – so weit erweitern, wie sie kann, und diese Limits dann voll ausreizen.

    Inzwischen wissen selbst die ganz Großen, daß die allumfassend hochdetaillierte ABBA-Replik gar nicht möglich ist, weil ABBA zum einen unersetzliche Sängerinnen haben und zum anderen damals im Studio viel zu aufwendig produziert haben. Entweder ist den Bandchefs selbst die Erkenntnis gekommen, oder die anderen Musiker haben ihnen erklärt, daß das Ende der Fahnenstange erreicht ist. So hat ihm der Keyboarder vorgerechnet, daß, um wirklich genau wie auf Platte zu klingen, die Band vier weitere Keyboarder bräuchte, außerdem Keyboards, die zusammen mehr als zwei Tonnen wiegen, über 400.000 Euro kosten, schon lange nicht mehr gebaut werden und so selten sind, daß sie auf dem Gebrauchtmarkt nicht vorkommen, einen mit alten Synthesizern erfahrenen Technikerstab, der die alters- und teilweise konstruktionsbedingt unzuverlässigen Saurier am Laufen hält, und 40 m² Bühnenfläche für die Keyboardburgen, die dann auch noch das Bühnenbild verschandeln und mehrere Stunden zum Aufbauen brauchen. Und woher bekommt man in jeder Stadt den Kinderchor für "I Have A Dream"? Den müßte man ja vorher auch noch aus mehreren auswählen, um den zu finden, der dem auf der Platte am nächsten kommt. Und à propos Chor: Für die Songs, bei denen ABBAs eigener Gesang x-mal geoverdubbt wurde, um voluminöser zu klingen, bräuchte man nicht nur je eine superauthentische Agnetha und Frida, sondern derer sechs oder acht. Jeweils.


    In Folge dessen sind selbst die besten ABBA-Tributebands der Welt vorsichtig geworden. Sie werben nicht mehr uneingeschränkt damit, daß jedes Detail ihrer Live-Shows und jede kleinste Nuance ihres Live-Sounds exakt dem Original gleicht – zumal viele Leute als "Original" die Studioversionen auffassen, weil sie nichts anderes kennen. Statt dessen geben sie zu, daß es vermessen wäre, genau das zu behaupten, denn die 100%ige Authentizität ist bei ABBA überhaupt nicht erzielbar. Und so werben sie damit, "die authentischste" oder wahlweise "die größte" ABBA-Tribute-Show zu sein. Letzteres bedeutet "die mit dem meisten Pomp auf der Bühne". Nur beim Aufrüsten dieses Pomps rüsten sie vom ABBA-Originalsound wieder weg. Sie versuchen, mangelnde Originaltreue – näher als 60–70% sind sie nie gekommen, schon 80% würden mehr Mannstärke und mehr teures und platzwegnehmendes Equipment erfordern – durch spektakulären Bombast zu ersetzen, der dann aber auch wieder auf Kosten der Originaltreue geht – bei Material von den sehr elektronischen späteren Alben bleiben vielleicht noch 20–30% übrig.


    Somit zielen auch die Top-ABBA-Tributebands mitnichten auf die Hardcore-Fans ab. Sie dürften ganz genau wissen, daß sie diese niemals zufriedenstellen können werden. Zumindest beim Gesang hören die nämlich auf kleinste Details – und gleichzeitig erwarten sie eine gesangliche Authentizität von 100% und eine optische von mindestens 90%. Und selbst wenn es möglich wäre, die zu erzielen, dürften die eingefleischten Fans dann bemerken, daß das instrumentale Backing nicht so klingt, wie sie es gewohnt sind. Ich glaube ja immer noch, daß viele genau das sowieso schon bemerken, und sei es unbewußt. Sie können nicht genau sagen, was da warum nicht stimmt. Sie können aber sagen: "Nee, also das klingt jetzt irgendwie komisch/irgendwie anders/irgendwie falsch. Nicht so wie damals bei ABBA." Und das werden sie nicht tolerieren.


    So ist auch zu erklären, wieso die allermeisten ABBA-Langzeitfans ein Problem mit Tributebands haben. Die klingen nicht genau wie ABBA. Ganz klar – das können sie auch gar nicht, weil das technisch gar nicht möglich ist. Und wenn doch, braucht es ein Budget, das größer ist als das, das ABBA selbst hätten, wenn sie wieder touren würden.


    Dann kommt hinzu, daß viele eine Einstellung zu Tributebands haben, die sich von der etwa der Pink-Floyd- und Genesis-Fans unterscheidet. Sie empfinden Tributebands als Nachmacher, als Usurpatoren, die sich im Schein von ABBA sonnen und den ABBA-Fans eine Fälschung von dem verkaufen wollen, was den Fans am meisten am Herzen liegt. Ich glaube auch, daß etliche ABBA-Fans heute noch hoffen, daß ABBA nicht nur eines Tages sich wiedervereinen werden, sondern dann auch wieder auf Tour gehen, und vor allem, daß dann alles wieder genauso ist und genauso klingt wie 1979.


    Genau aus diesem Grunde verweigern sich ABBA übrigens jeglicher Reunion: Sie wissen, daß sie heute nicht mehr so klingen werden wie früher. Ihre Fans wissen das aber nicht. Also lassen sie ihre Fans lieber im Glauben, daß bei einer etwaigen Reunion alles wieder so sein wird wie 1979, als sich tatsächlich wiederzuvereinen, tatsächlich wieder zu touren, tatsächlich überhaupt nicht so zu klingen wie 1979 und Millionen ABBA-Fans die angesichts der Reunion höher schlagenden Herzen zu brechen. Dann bleibt man lieber eine Legende, die auf Erinnerungen aus längst vergangenen Zeiten beruht.


    Im Gegensatz dazu haben sich die Alt-Genesis-Fans längst damit arrangiert und es als normal und irreversibel akzeptiert, daß Peter Gabriel und Steve Hackett nicht zu Genesis zurückkehren, Genesis dann nicht noch einmal die Selling England By The Pound-Tour spielen werden und es dann nicht wieder wie 1975 sein wird. Sie haben auch begriffen, daß selbst Tony Banks heutzutage keinerlei Interesse daran hat, irgendwas wieder auch nur annähernd so klingen zu lassen wie damals. Für Genesis ist die Vergangenheit vorbei. Und es sind die Tributebands wie The Musical Box, die sie am Leben erhalten und weitaus mehr wie die Genesis der ersten Hälfte der 70er klingen als die heutigen echten Genesis, wenn sie dieselben Songs spielen. Wahrscheinlich gehen viele Genesis-Fans lieber zu Tributebands als zu Genesis selbst. Allerdings gab es um niemanden bei Genesis je einen riesigen Personenkult wie um Agnetha und Frida, auch wenn Peter Gabriel das von sich selbst glaubte.


    Und für die Floydians sind Pink Floyd seit Roger Waters' Ausstieg ein für allemal Geschichte. Danach war es nie wieder so wie früher, der Shark war gejumpt, die Bandatmosphäre war zu vergiftet, und eine funktionierende Reunion war zu unwahrscheinlich. Heute kommt erschwerend hinzu, daß der Keyboarder Rick Wright mittlerweile gestorben ist. Das heißt, für die ganz harten Ur-Pink-Floyd-Fans gibt es Pink Floyd nicht mehr seit dem Ausstieg von Syd Barrett und erfordert eine Reunion den Wiedereinstieg des damaligen Syd (und idealerweise den Wegfall von David Gilmour). Nicht nur war aber schon der 1970er Syd Barrett nicht mehr der Syd Barrett, der mal das Mastermind von Pink Floyd war, sondern Syd starb schon in den 90ern. Statt also alles auf eine Pink-Floyd-Reunion-Karte zu setzen, die eh nicht gewinnen kann, halten sich die Floydians an die diversen Tributebands, die ihnen das bieten, was Pink Floyd selbst ihnen seit Jahrzehnten nicht mehr bieten können.

    ABBA sind wieder ein spezieller Fall, ähnlich wie Queen nach Freddie Mercurys Tod. Das ging ja beides Anfang der 90er los, als sowieso durch TAPFS hochaufwendige Replik-Tribute-Projekte im Fokus der Öffentlichkeit standen. Freddie starb 1991 und sorgte so für einen sprunghaften Bedarf an einer Queen-mit-Freddie-Illusion-Tributeband. Und die ABBA-Mania ging 1992 wieder los, als erst Erasure ihre Motto-EP Abba-esque herausbrachten und dann knapp vier Monate später die Compilation ABBA Gold auf den Markt kam. Da waren die Leute natürlich auch geil drauf, sowas wieder live sehen zu können (also ABBAs Originalsound, nicht den live erst recht nicht umsetzbaren Elektronik-Overkill eines Vince Clarke).


    Hier geht es aber nicht einfach nur um Gruppe, die nicht mehr touren. Hier kommt ein sehr heftiger Personenkult dazu, der bei ABBA Agnetha und Frida betrifft, die einfach nicht nachzuahmen gehen. Agnethas Pendant bei Queen ist Freddie Mercury. Fridas Pendant bei Queen ist Brian Mays Eigenbaugitarre Red Special, deren ganz besonderer Sound (fast nichts an der Gitarre ist gekauft, sogar die Pickups haben Brian und sein Vater selbst hergestellt) mit nichts anderem zu erzeugen geht – abgesehen davon ist Red Special ein integraler Teil des Bühnenlooks von Queen. Red-Special-Klone gibt es noch nicht lange. Einige wurden mit großem Aufwand hergestellt, so hat man das Original geröntgt, um ihm alle seine Geheimnisse zu entlocken. Brian spielt sie mittlerweile selbst, um das Original zu schonen. Vorher hätte man als Queen-Tribute-Gitarrist einen eigenen Nachbau anfertigen müssen, um erst hinterher zu erkennen, ob er nicht nur so aussieht, sondern vor allem auch so klingt wie das Original (was er oft genug nicht tat, und der ganze Aufwand war für die Katz).


    Bei ABBA kommt hinzu, daß, je neuer die Songs sind, desto größer der Aufwand war, der im Studio betrieben wurde, um sie einzuspielen. ABBA selbst konnten ihren eigenen Studiosound schon sehr bald nicht mehr auch nur annähernd auf die Bühne bringen. Den ABBA-Fans war das egal. Die heutige Zielgruppe von ABBA-Tributebands sind aber gelegentliche Hörer und "Nur-so-ein-bißchen"-Fans, die die originalen Live-Versionen von ABBA (die zwar immer noch sehr schwierig zu replizieren sind, aber nicht unmöglich wie die Studioversionen) überhaupt nicht kennen, weil sie ABBA nur aus dem Radio kennen. Und was sie nicht kennen – Live-Versionen –, das akzeptieren sie nicht und/oder glauben, die Tributeband könne es nicht besser als so.


    Auf der einen Seite steht also ein extremstens schwierig bis überhaupt nicht hinreichend authentisch nachahmbares Original. Auf der anderen Seite steht eine – mutmaßlich oder tatsächlich – riesige potentielle Menge an Leuten, die diese Originale bzw. deren Musik weiterhin oder endlich wieder live hören wollen. Letzteres sorgte für eine gewisse Goldgräberstimmung.


    Ich schätze, viele Queen-Tribute-Konzepte verliefen schon in der Gründungsphase im Wasser, weil man daran scheiterte, jemanden zu finden, der wie Freddie singen kann (im Gegensatz zu Queen, die sich gezielt einen suchten, der überhaupt nicht wie Freddie sang, und ihn im Ex-Bad Company- und Ex-Free-Sänger Paul Rodgers fanden). Und alle anderen Sänger sagten von vornherein, daß sie sich mit Freddie grandios übernehmen würden. Da war dann der Gitarrist wieder relativ erleichtert, der krampfhaft versuchte und daran scheiterte, aus einer Gitarre von der Stange den Sound von Red Special zu rekreieren. Übrig blieben die wenigen, die ein wirklich glaubhaftes und auch für die Fans annehmbares Surrogat fanden – und die Hürde namens "Bohemian Rhapsody" nahmen.


    Im Falle von ABBA war es etwas anders. Die hartgesottenen Alt-Fans hatten sich zehn Jahre nach der Auflösung weitgehend damit abgefunden, daß ABBA nie wieder live auftreten würden. Aber die 1992 losgetretene ABBA-Mania erzeugte haufenweise neue moderate ABBA-Fans, die also nicht gleich loszogen und sich die ganze Disko- und Filmographie zusammenkauften und vor allem ABBA selbst nie live erlebt haben. Und dann waren da noch die ganzen gelegentliche ABBA-Hörer, die ABBA nur aus dem Radio kannten und auch kein einziges Album von ihnen hatten, geschweige denn alle.


    Gerade diese ABBA-Hörer "zweiter Klasse" wurden dann zur Zielgruppe gleichermaßen zweitklassiger ABBA-Tributebands. Die Alt-Fans zu bedienen, wäre zu aufwendig gewesen, gelang es doch weder, Sängerinnen zu finden, die auch nur annähernd wie Agnetha und Frida sangen, noch die Instrumentenbegleitung gerade der späteren ABBA-Songs exakt wie auf Platte hinzubekommen, schon gar nicht mit nur einem Keyboarder. Trotzdem wurden die daraus resultierenden "Krauterbands" wie verrückt gebucht, bedienten sie doch die damals auch zu grassieren beginnende 70er-Jahre-Revival-Welle. Und die Nicht-Hardcore-Fans – also die Radiohörer und die Neu-Fans – waren nicht so anspruchsvoll und nicht so extrem auf die Details des Originals geeicht, daß sie der Mangel an Authentizität bei den Tributebands gestört hätte.


    Dennoch muß irgendwann mal bei den ABBA-Tributebands ein "Wir sind aber authentischer als ihr"-Wettrüsten losgegangen sein. Das dürfte auch daran gelegen haben, daß bei den betreffenden Tributebands Leute das Sagen hatten, die gar nicht wußten, worauf sie sich da einließen, weil sie nicht einschätzen konnten, was das für einen Aufwand bedeuten würde. Das Auftauchen der A*Teens (ehemals eine Tributeband namens ABBA Teens, die sich aber von vornherein wegen Undurchführbarkeit gegen jegliche Authentizität entschieden und ABBA auf 90er-Jahre-Dancepop umbauten) dürfte eine Art "Jetzt erst recht"-Reaktion provoziert haben. Wer konnte, versuchte, "noch mehr ABBA" zu sein als die Konkurrenz, zumal allmählich Bands wie Arrival from Sweden die Konkurrenten überholten und die Meßlatte immer höher legten.


    Die Mittel im Wettrüsten waren aber begrenzt. Wenn die Sängerinnen nicht noch näher an Agnetha und Frida kommen konnten, die Gitarristen nicht präzise genug spielen konnten für die Strophen von "Lay All Your Love On Me" (für das Björn sicherlich mehr als ein Take gebraucht hat) und der einzige Keyboarder in der Band die so markanten wie opulenten Synthesizersounds von Benny auf seiner japanischen 08/15-Standard-Workstation nicht authentisch nachbauen, geschweige denn alle gleichzeitig per Hand spielen konnte (der Bandleader wollte ausdrücklich weder Audiozuspielungen noch Sequenzen, alles hatte 100% live zu sein, und noch ein bis zwei Keyboarder mehr wollte der Bandleader auch nicht), mußte man anderes bieten. Das einzige, was dann noch blieb, war, die ganzen ehemaligen Mitmusiker von ABBA abzufischen. Daß das den Rest der Band nicht authentischer machte, ließ man komplett außer acht – im Durchschnitt stieg die Authentizität ja (wenn auch nur ein bißchen), und man hatte den "Wir haben einen von ABBAs Leuten in der Band"-Pluspunkt.

    Tributebands – so heißen die tatsächlich; sogenannte "Coverbands" spielen nämlich querbeet und nicht nur eine Band nach – sind eine ziemlich zwiespältige Sache. Um sie zu verstehen, muß man wissen, woher sie ursprünglich kommen: das Australien der 70er Jahre.


    Traditionell die zwei großen Gebiete, in denen Bands touren, sind zum einen Europa und zum anderen Nordamerika. Europa ist relativ klein, aber dicht besiedelt mit lauter einzelnen Nationen, in denen es auch jede Menge größere Städte gibt, in denen Konzerte gegeben werden können. Eine Europa-Tournee kann durchaus schon mal zwei, drei Dutzend Konzerte umfassen oder noch mehr. Selbst mit nur einem Konzert pro Land (unter Auslassung von Luxemburg und kleiner) hatte man schon vor dem Fall des Eisernen Vorhangs 15 zusammen.


    Nordamerika (also USA und der Süden Kanadas) wiederum ist riesengroß, und auch da gibt's einiges an Großstädten, in denen sich Konzerte lohnen. Einige sind so groß, daß man da gleich mehrere ausverkaufte Shows hintereinander spielen kann und zwischendurch nicht mal die Instrumente von der Bühne abbauen muß, geschweige denn woanders hinfahren. Wenn man auch kleinere Städte mitnimmt, kann man auch in Nordamerika monatelang touren und alle ein, zwei Tage ein Konzert spielen.


    Wenn jetzt eine amerikanische Band in Europa spielen will oder umgekehrt, dann reist man einmal über den Atlantik, tourt monatelang und reist erst dann wieder zurück. So eine Tournee in Übersee lohnt sich also.


    Nun sehe man sich mal Australien an. Zum einen liegt Australien "down under" und weit ab vom Schuß. Überhaupt nach Australien zu kommen, ist schon ein ziemlicher Aufwand, der mit dem Sprung über den Atlantik nicht mehr zu vergleichen ist. Zum anderen hat Australien nicht sehr viel Bevölkerung, die sich auch noch zum größten Teil auf die Küste im Südosten konzentriert. Das heißt, für viele Bands lohnt es sich nur in drei bis fünf Städten oder so, da ein Konzert zu geben. Sogar Perth und Darwin lohnen sich nicht, weil wiederum weit weg von den großen Bevölkerungszentren.


    Konsequenz: Es war verdammt selten, daß überhaupt mal eine der großen Bands von der Nordhalbkugel in Australien vorbeiblickte. ABBA 1977 waren eine Riesenausnahme, die sich aber auch lohnte, weil sie gleich acht restlos ausverkaufte Konzerte in vier Städten spielten, darunter drei in Perth, wo ja sonst fast gar nichts hinkommt. Auf andere Bands warteten die Australier damals vergeblich.


    Dann sagten sich ein paar Australier: Okay, wenn die nicht zu uns kommen, dann machen wir sie uns eben selbst. Die Motivation hinter der Australian Pink Floyd Show beispielsweise war: Pink Floyd sind nie nach Australien gekommen und werden es wohl auch nicht mehr, also machen wir hier in Australien unsere eigenen Pink Floyd.


    Die Idee war also nicht, einfach eine Band zu gründen und die Musik eines einzigen Vorbilds nachzuspielen, damit man irgendeine Live-Band hat, die mit der Musik dieses Vorbilds live auftritt. Die Idee war, dieses eine Vorbild in jeder Hinsicht bis ins kleinste Detail zu replizieren: Gesang, Klang der Instrumente und Effektgeräte, Spielweise auf den Instrumenten, Bühnenbild, Bühnenbeleuchtung, Choreographie und so weiter. Es sollte die perfekte Illusion erzeugt werden, daß da z. B. tatsächlich David Gilmour mit seiner Truppe auf der Bühne steht. Und es gibt kaum anspruchsvollere Fans, die auf mehr und kleinere Details achten, als die Floydians – höchstens noch die z. B. von Genesis oder Rush. TAPFS erlaubte nur da Abweichungen, wo man zeigen wollte, daß man immer noch eine australische Band ist, z. B. ersetzen sie bei jeder Gelegenheit bis hin zu The Wall das Pink-Floyd-Schwein durch ein rosa Känguruh.


    Das Konzept, einfach mal die Musik einer einzelnen Band oder eines einzelnen Interpreten zu covern statt mehrerer, gab's ja damals auch schon bei uns. Wenn sich zum Beispiel ein Haufen Stones-Fans fand, dann gründeten die eben eine Band und spielten die Stones nach mit dem Equipment, das sie entweder eh hatten oder sich leisten konnten. Den Anspruch, exakt so zu klingen wie die Stones, hatten sie nie, geschweige denn den, auch noch optisch so zu wirken. Den gab es allerhöchstens in sehr begrenztem Maße bei den Elvis-Imitatoren in z. B. Las Vegas.


    Das wurde alles erst anders, als wir hier auf der Nordhalbkugel aufmerksam wurden auf die perfektionistischen australischen Replik-Tributebands, besonders eben TAPFS. Ab und an wurden die dann tatsächlich auf diese Seite der Erde geholt, etwa nach England, trotz des riesigen logistischen Aufwands.


    Und dieses Konzept fand in Europa und Amerika Nachahmer, die beim Nachbilden ihrer jeweiligen Originale ähnlich akribisch vorgingen. Die Beweggründe dafür waren unterschiedlich: Entweder wollte man einfach wieder zusammen die Musik einer bestimmten Band spielen, aber alle Bandmitglieder waren solche Geeks, daß sie sich darauf einschossen, das Original so detailgetreu wie irgendwie möglich zu kopieren. Oder es bestand ganz einfach Bedarf an so einer Gruppe, weil das Original viel zu selten tourte, gar nicht mehr tourte oder überhaupt nicht mehr existierte, die Leute es aber immer noch live sehen wollten.


    Gerade im Progressive Rock traf häufig beides aufeinander. Pink Floyd waren nur noch ein Schatten ihrer selbst, seit sukzessive die Mitglieder selbst der 70er-Jahre-Besetzung ausstiegen, angefangen mit Roger Waters unmittelbar nach The Wall. Und die klassischen Genesis hatten schon 1975 mit Peter Gabriels Ausstieg aufgehört zu existieren und waren seit 1986 (Invisible Touch) eine Popband. So beschlossen dann einige hinreichend geekige Fans dieser Bands: Wenn die keine Konzerte und Tourneen wie in den 70ern mehr spielen, dann machen wir das eben. Es gibt genügend Leute, die das noch einmal sehen wollen. Dabei ging es nicht darum, in z. B. Genesis' oder Pink Floyds Namen Kasse zu machen bei Altfans, sondern den Altfans einfach etwas noch einmal zu bieten, was es eigentlich gar nicht mehr gab. Der Aufwand, das zu erzielen, ist ohnehin so groß, daß man damit nicht reich wird.


    Dann gab und gibt es wieder Fälle, in denen Tributebands gar nicht anders können, als superakribisch zu sein und für eine möglichst exakte Replik des Originals einen teilweise gigantischen Aufwand zu betreiben. Rush beispielsweise haben praktisch nur Nerds als Fans. Als Fan einer Gruppe will man natürlich das hören, was man zu hören gewohnt ist – und die Rush-Fans hören zum allergrößten Teil extrem genau hin, und das, was sie so extrem genau hören, erwarten sie auch vollumfänglich von einer Tributeband. Hier geht es also nicht um Nostalgie, sondern um hochaufmerksame, hochanspruchsvolle und hochkritische Fans. Auch deshalb setzen sich gerade hier die Tributebands nur aus solchen Nerd-Fans zusammen. Und die wollen selbst keine Kompromisse machen.


    Die Steigerung davon sorgt dafür, daß es von bestimmten Originalen kaum bis gar keine Tributebands gibt. Das tritt dann ein, wenn man erstens hochanspruchsvolle Fans mit sehr präzisem Gehör hat, zweitens ein Original, bei dem wirklich sehr viele Details sehr präzise nachgebildet werden müssen, und wenn drittens der Aufwand dafür viel zu hoch ist, als daß es lohnend oder auch nur machbar wäre. Etwa im klassischen elektronisch-instrumentalen Bereich trifft das zu. Da hat man nicht den einen prägnanten Sound in einem Stück und ansonsten nur Unwichtiges, sondern nur prägnante Sounds, auch weil es keinen Gesang gibt, der von den ganzen elektronischen Klängen ablenkt. Da muß jeder kleine Pieps bis ins kleinste Detail genau wie auf der Platte klingen. Und der Aufwand, diesen Detailgrad zu erzielen, ist immens und live auf einer Bühne schwer umsetzbar. Ganz zu schweigen von den horrenden Kosten für das notwendige Equipment, auch weil man für viele Sachen die gleichen Geräte braucht wie der Originalkünstler damals, die schon neu wahnsinnig teuer waren, schon immer sehr selten waren, heute gesuchte Sammlerstücke sind oder gar wegen ihrer Verbindung zu eben diesem Originalkünstler zu teuren Kultobjekten geworden sind.


    Folglich gibt es kaum bis gar keine Tributebands von z. B. Vangelis oder Jean Michel Jarre. Bei ersterem kommt hinzu, daß es kaum Keyboarder geben dürfte, die so spielen können wie er. Bei letzterem kommt die Notwendigkeit einer opulenten Lightshow hinzu – bei Open-Air-Auftritten am besten noch mit Projektionen auf hinter der Bühne stehende Gebäude, also ein nochmals größerer Aufwand als bei Pink Floyd. Generell lohnt sich dieser Aufwand kaum, weil die jeweilige Zielgruppe einer solchen Tributeband zu klein wäre. Natürlich wird man mit einer Tributeband nicht reich, aber die Kosten für derart hochdetaillierte Reproduktionen sind horrende und müssen irgendwie wieder reinkommen. Jarrelook z. B. blieben, als ihr letztes Konzert, das auf dem Flughafen Gatwick stattfinden sollte, abgesagt worden war, auf 12.000 Pfund an Schulden sitzen, die sie vorgestreckt hatten.

    Auf der letzten Seite schrieb ich:

    Nächstes Jahr kommen sie wieder nach Hamburg, nur daß sie jetzt aus rechtlichen Gründen "ABBAMANIA THE SHOW" heißen (als wenn sie damit nicht der britischen ABBAMANIA in die Quere kämen).


    Meint ihr, außer dem Namen hat sich noch etwas geändert, vielleicht zum Besseren, daß sich wieder ein Konzertbesuch mit Rezension lohnt, oder ist alles beim alten, und mein Bericht hat weiterhin Gültigkeit?


    Darauf kam zunächst keine Reaktion.


    Also noch einmal: Ich habe ja – auf der letzten Seite weiter oben – den Auftritt von ABBA – The Show 2015 in Hamburg in einem dreiteiligen Bericht Lied für Lied zerpflückt und eine Kritik darüber abgegeben, auf die auch niemand reagiert hat. Für diejenigen, die keine Lust haben, soviel zu lesen: Mein Fazit war, daß das, was die Instrumente da von sich gaben, nicht nur nichts mit dem Originalsound von ABBA zu tun hatte, sondern sogar mit heutigen Mitteln (also ohne das ganze Equipment aus den 70ern aufzufahren) – ja, sogar mit dem, was da tatsächlich auf der Bühne stand – wesentlich realistischer hätte gehen können. Das war also nicht "Mit ganz normalen heutigen Mitteln geht es einfach nicht originalgetreuer", das war entweder Unvermögen der beteiligten Musiker, oder es war Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit.


    2015 wäre also noch viel mehr möglich gewesen in Sachen Realismus und Originaltreue. Heute, 2017, ist noch mehr möglich. Etwa die Instrumentalfigur von "Gimme! Gimme! Gimme!" Nachdem Korg den ARP Odyssey neu aufgelegt hat, mit dem Benny den unnachahmlichen Flötensound gespielt hat (nein, das ist nie eine echte Flöte gewesen), kann diese Figur in der Studioversion (!) zu etwa 90–95% originalgetreu repliziert werden. Bei ABBA – The Show gab's 2015 nicht mal 20%, obwohl auch da mehr möglich gewesen wäre, auch mit den damals auf der Bühne stehenden Gerätschaften.


    So, nun noch einmal meine Frage: Hat sich ABBA – The Show seit 2015, seit meiner Rezension verbessert? Haben sie meine Kritikpunkte beseitigt (die sie nie gelesen haben dürften)? Gehen sie dieses Jahr wirklich bis an die äußersten Grenzen dessen, was 2016/2017 technisch möglich ist – mit vertretbarem Aufwand (zwei neue Minimoogs für zusammen fast 8000 € alleine nur für "S.O.S." sind wohl nicht mehr vertretbar, auch nicht zwei originale aus den 70ern für zusammen mindestens 6000 €, zumal man für andere Songs wie "Gimme! Gimme! Gimme!" noch jeweils mindestens einen weiteren bräuchte – U-he Diva hingegen ist vertretbar, läuft auf den MacBooks, die sie 2015 dabei hatten, ist um Lichtjahre näher am Minimoog als alles, was sie 2015 abfuhren, und man muß es nur einmal pro Rechner kaufen)? Haben sie zumindest mal etwas genauer hingehört und versucht, auf dem 2015 vorhandenen Equipment den größten technisch möglichen Realismus zu erzielen?


    Oder werden sie auch 2017 den Sound der Instrumente vernachlässigen im Glauben, daß die Leute eh alle nur auf "Agnetha" und "Frida" hören, und solange die einigermaßen glaubwürdig klingen, ist der Gesamtsound für "die Leute da draußen im Publikum" 100% ABBA?


    Übrigens – wer meine Rezension liest, wird feststellen, daß auch der Gesang zu wünschen übrig ließ. Damit meine ich nicht, daß die Stimmen von Agnetha und Frida nicht 100% originalidentisch repliziert waren (waren sie natürlich nicht), sondern daß die Gesangsarrangements teilweise stark vereinfacht und ausgedünnt waren. Zugegeben, mit der vorhandenen Anzahl an Sängerinnen und Sängern und ohne Zuspieler, also alles live, ging es nicht besser, aber dann holt man sich eben mehr Sänger.


    Wenn sie nicht drastisch nachgebessert haben, gehe ich definitiv nicht hin.

    The Doctor und Grönalund , ich verstehe fast nur Bahnhof aber ihr scheint beide Musiker zu-sein und wisst von was ihr schreibt :thumbup: ?
    Wass ihr da alles raushört ist ja enorm :thumbup: :thumbup: !!!


    Wir sind beide Musiker, wir sind beide Synthesizerspieler.


    Das zeigt in welcher Perfektion Benny, Björn und Michael an den Songs gearbeitet haben müssen.
    Benny lies nicht locker bis die Melodie gepasst hat...diese Qualität dieser Wille zeichnet Benny aus. Zuerst die Melodie dann der Rahmen...und der wurde mit Agnetha und Frida so angepasst bis er perfekt zur Melodie passte. Agnetha und Frida musste zum teil in unmenschliche höhen eintauchen.
    Auf der Bühne war Benny vielleicht " nur " der Mann am Klavier ....aber für mich war er der stille Genie und die unermüdliche Hitfabrik von ABBA.


    Ich denke die Zeit die Benny und Björn mit dem produzieren verbracht haben...hatte Agnetha schlicht weg nicht, da sie zwei kleine Kinder hatte.
    Agnetha, aber sicherlich und ohne Zweifel, auch das Rüstzeug für gute Songs mitbrachte. Das hat sie bewiesen mit einigen Perlen vor ABBA und mit Liedern wie När Du Tar Mig i Din Famn 1978 oder 1979...Das war sehr nah an einer Benny Melodie :thumbup: !
    Natürlich hatte Agnetha und auch Frida ihren Anteil und brachten ihre Ideen mit rein. Das Umsetzten der Lieder bis zum Endresultat, war sicher jeder ABBA mehr oder weniger beteiligt. Aber der Urheber der ABBA Songs ab 1976 ist Herr Andersson.


    Zumal: Je neuer ein ABBA-Song ist, desto aufwendiger und vor allem desto elektronischer ist er (die Opus 10-Songs enthalten höchstens noch ein einziges akustisches Instrument, und das ist Björns Gitarre, alles andere ist elektronisch), und desto mehr brauchte es perfektionistische Technokraten wie Benny und Michael, um ihn in seine endgültige Form zu bringen.


    Spätestens mit Einzug in die Polar Studios war die Frühzeit der "fröhlichen, geringfügig modernisierten schwedischen Folksongs mit englischem Text" endgültig vorbei. Von da an herrschte die technische Materialschlacht und eine Form der perfektionistischen Überproduktion, die selbst einem Phil Spector den kalten Angstschweiß ins Gesicht getrieben hätte. Die Polar Studios waren von vornherein auf das ausgelegt worden, was Benny mit ABBA noch vorhatte, und als er endlich im eigenen High-End-Studio produzieren konnte, wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt.

    Lieber Doctor,


    dein Synthesizer-Fachwissen scheint profund und ich bin ein bisschen froh hier jemand gefunden zu haben, mit dem man über die Programmierung von Abba-Synthsounds fachsimpeln kann. ^^


    Aber wenn Du wirklich ein Ergebnis, das heisst eine funktionierende Abba-Cover-Band mit ordentlichen Sounds haben willst, wirst Du Kompromisse eingehen müssen. Die Details, auf die Du da wert legst, werden 97% der Hörer gar nicht wahr nehmen.


    Leider sind es häufig nicht nur "Details", und leider werden häufig nicht nur "Kompromisse" gemacht. Sogar bei ganz großen Namen höre ich häufig drastische Abweichungen vom Original, die selbst mit vorhandenem Equipment und annehmbarer Zeitinvestition vermeidlich gewesen wären.


    Ich empfehle an der Stelle meine drei langen Konzertrezensionen vom Winter 2015 (A Tribute to ABBA · A4u · ABBA – The Show).


    Vielleicht sollten wir mal ein paar Ergebnisse austauschen? Ich hab wie gesagt ein paar Versuche mit dem HZ-Zebra versucht und bin glaube ich zu 85% dran.


    Ich glaube, das wird nicht viel bringen. Ich selbst nutze keinerlei Softwaresynthesizer, ausschließlich digitale Hardware (vielleicht wird irgendwann ein Analoger bei mir landen, und auch dann wird das kein Speicherloser aus den 70ern sein), und spiele auch nicht in einer Tributeband, auch deshalb, weil ich weiß, daß ich da meinen Eigenanspruch weder finanziell noch zeitlich umsetzen können würde.


    Prozentzahlen für Originaltreue empfindet sowieso jeder anders. Was für einen umgesattelten Konzertpianisten 100% sind, empfindet ein eingefleischter Synthesizer-Nerd mit entsprechend trainiertem Gehör und Detailwissen als nicht einmal 40%.


    Nicht mal Abba konnte live den eigenen Studio-sound auf der Bühne hundertprozentig herstellen. Warum solltest Du das dann tun?


    Vom Originalinterpreten erwarten die Fans auch mal einen kreativen Umgang mit dem eigenen Material.


    Von einer Tributeband erwarten die Fans, daß es sich genau so anhört, wie sie es gewohnt sind. Wenn sie die Musik von ABBA nur aus dem Radio bzw. von den Studioalben kennen, heißt das, sie erwarten eine exakte Reproduktion der originalen Studioversionen, weil es die sind, die sie kennen. Wenn eine Tributeband die Wembley-Version von "Gimme! Gimme! Gimme" spielt, wird einigen Hardcore-Fans, die diese Version kennen, das Herz aufgehen – die breite Masse, die die Wembley-Version nicht kennen, werden sich fragen, was das jetzt sein soll. Sie hören vielleicht nicht jedes Detail einzeln. Aber wenn irgendwas irgendwie anders ist, klingt das Ganze auf einmal nicht mehr, wie sie es gewohnt sind, sondern "komisch".


    Das sieht nur aus in einem Musikfandom, das eher klein ist, in dem aber die Hardcore-Fans, die auch Live-Versionen kennen, identifizieren können und vielleicht sogar bevorzugen, bei weitem die Mehrheit stellen.

    Ich bezweifle stark, dass man diese sehr typischen Attacks und das typische Atmen ab Sekunde 7 bei GGG mit irgend einem Synthesizer hinbekommt.
    Das sind mit ziemlicher Sicherheit echte Streicher. Später im Maxi-Dance-Teil sind die echten Streicher ja auch nochmal zu hören. Dann haben die doch sicher auch im Intro gespielt. Es ist natürlich möglich, dass das mit einem Synthie nochmal gedoppelt wurde.


    Meinst du mit dem "Atmen" das ...uuuooooaaaaaaoooouuu..., das darunter liegt? Das ist ein komplett separater Sound von einer separaten Maschine. Ich halte das für den Minimoog, weil der dafür fett genug ist und das Ganze sehr stark nach einem 24-dB/Oktave-Tiefpaßfilter klingt. Einzelner Sägezahnoszillator, Filter ziemlich weit zu, aber viel Modulationsintensität für die Filterhüllkurve (Attack knapp 2 Sekunden, Decay dito, Sustain auf null), und dann den Baßgrundton liegen lassen.


    Gerade die Attack-Phasen der Strings sind doch eigentlich ein untrügliches Zeichen für elektronischen Einsatz, denn die bleiben sehr konstant. Vom Arrangement her müßte es gerade in der Bridge nach den Strophen einen Wechsel zwischen Legato und Marcato geben, das passiert aber nicht, was bedeutet, daß die Strings mit etwas eingespielt wurde, das so etwas nicht ermöglicht.


    Ein weiteres untrügliches Zeichen für Tastenspiel und somit die GX-1 sind die letzten zwei Takte der Bridge mit der Sechzehntelfigur, die dynamisch gespielt wird auf eine Art, wie es wohl kaum ein Violinist hinbekommt, geschweige denn je ein kompletter Violinen- und Cello-Satz eines Streichorchesters: achtmal wiederholt diese Dynamikabfolge

    Ohne Ranking, nur Synthesizer und mehr als zehn:

    • "Gimme! Gimme! Gimme!" – Nicht nur berühmt für sein Instrumentalriff, sondern gerade hier schmeißt Benny mit Gear um sich, daß es die reinste Freude ist. Das Intro klingt zunächst harmlos mit Björns Gitarre, bis die Yamaha GX-1 die Streicher aus ihren mächtigen (jeweils knapp drei Zentner) Röhrenkabinetten schießt und es dabei sogar schafft, den armen Minimoog mit seinem anschwellenden Filter im Baß zu ersäufen. Gleich darauf dann das legendäre Instrumentalriff. Die Strings kommen auf einmal von Yamahas einziger Stringmachine, dem SS-30 (möglicherweise geschichtet mit akustischen Streichern, obwohl ich diese Passage als für echte Streichinstrumente ausnehmend schwierig zu spielen erachte), über die zusätzlich das Filter in Bennys ARP Odyssey Mk I (Mod. 2800) Blackface selbstoszilliert und auf die ihm eigene Weise zwitschert. Meinen vollen Respekt an Benny, der es schafft, so schnelle, perlende Figuren auf dem aufgrund von Duophonie und High Note Priority zickigen Odyssey zu spielen. Ich hab's selbst auf einem Korg-Nachbau-Odyssey versucht, und es ist gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig. Im Instrumentalintermezzo schmatzt eine rudimentäre Minimoog-Bassline.
    • "Arrival" – Polymoog-Dressur vom Feinsten. Benny und Michael kippten ihre Trickkiste im Studio aus. Der Moog Polymoog Mod. 203a Synthesizer wurde von einem Dolby 361 Type A erst brutal entrauscht, dann wurde sein Klang wieder aufpoliert, dann ging's in einen Gitarrenamp, der wiederum von zwei im Raum aufgestellten Mikros abgenommen wurde. Mikros umgestellt, die nächsten zwei Spuren darübergelegt. Das Ganze achtmal, also 16 Spuren altogether, und schon meint man, ein keltisches Streichorchester zu hören – statt dessen hört man einen horrende unzuverlässigen und verrauschten Polymoog, Moogs ersten Versuch eines polyphonen Synthesizers, der von allen Moogs am wenigsten nach Moog klingt und schon von vielen Musikern verflucht wurde.
    • "Eagle" – Und wieder der Polymoog. Auf unnachahmliche Weise perlt er ad-lib über den ganzen Song, von sich selbst unterlegt.
    • "S.O.S." – Eine der frühesten Regungen eines Synthesizers bei ABBA ist das Arpeggio vorm Refrain, gespielt als Overdub auf dem nur monophonen Minimoog. Denselben Trick wendete im selben Jahr Rick Wright in "Wish You Were Here" an.
    • "The Day Before You Came" – Synthpop mit sündhaft teurem Material. Nachdem ABBA schon Orchester abgeschafft hatten, sollte auf Opus 10 auch das echte Schlagzeug dran glauben müssen. An seine Stelle trat eine von nur 525 gebauten Linn LM-1, Stückpreis $5.750 – sonst diente diese Maschine Kalibern wie Jean Michel Jarre (der nacheinander alle drei Linns und dann auch das Akai MPC60 hatte) und Prince ("1999" wurde quasi zum LM-1-Demosong, und den runtergepitchten Rimshot haben u. a. Flash & The Pan abgekupfert). Schön zeitgeistig liegt auf der Snare schon ein leichter Hall. Begleitet von den zugegebenermaßen Miniatursamples der LM-1 legt Benny hier Schicht um Schicht von der nochmals exklusiveren Yamaha GX-1 (wahrscheinlich weniger als 50 gebaut, kaum mehr als ein Dutzend exportiert, Einstiegspreis $70.000) übereinander. Der "Gentle Giant" zeigt hier viele Facetten von raumfüllenden Flächen, in denen Björns akustische Gitarre versinkt, über die vom Led-Zeppelin-Bassisten John Paul Jones entworfenen flirrenden Streicher bis zu jenem Perkussivsound im Dur-Teil, der keinen Zweifel daran läßt, daß die GX-1 bis in den Ultraschallbereich klingt.
    • "The Visitors" – Noch so ein GX-1-Fest, wie sie eigentlich das ganze Album dominiert. Und wieder zeigt sie einen neuen Trick: Anschlagdynamik regelt Filter-Cutoff.
    • "Like An Angel Passing Through My Room" – Das Uhrticken. Das ist Bennys Minimoog. Das glaubt einem kaum jemand, daß so ein Klang von einem Minimoog kommen kann, hat doch alle Welt als Minimoog-Sounds nur massive Bässe und Progrock-Brass-Leads im Hinterkopf. Zugegeben, die wimpernschlagschnelle Verstärkerhüllkurve und die Unregelmäßigkeiten verraten sofort, daß da ein klassischer spannungsgesteuerter Analogsynth am Werk sein muß. Die GX-1 hält sich im Mix vornehm zurück; man stelle sich an dieser Stelle den Versuch vor, einen übermotivierten Border Collie zurückzuhalten.
    • "I Have A Dream" – Und wieder eine GX-1-Spezialität. Hier zeigt sie eine ihrer "Schwächen", nämlich, daß auch im polyphonen Einsatz pro Tone für alle acht Stimmen und 16 Filter nur eine Filterhüllkurve zur Verfügung steht, die natürlich beim Legatospiel nicht neu gestartet wird. Benny macht daraus ein Feature und erschafft den fast wie ein asiatisches Saiteninstrument wirkenden Leadsound.
    • "Does Your Mother Know" – Der bekennende GX-1-Junkie Benny Andersson hat diesen Song um einen Werkssound dieses Ungetüms herum geschrieben. Ja, genau, dieser eigentümliche Klang im Intro, mit dem er ein bißchen herumgejammt hatte und daraus einen ganzen Song baute. Zwischenzeitlich frohlockt ein kleiner brassiger Leadsound (Minimoog?) als Kontrast zum Bombast der GX-1.
    • "The Piper" – Die schon fast obskure B-Seite von "Super Trouper" bringt als Rattenfänger den Odyssey zurück.
    • "Happy Hawaii" – Um bei den B-Seiten zu bleiben: Was uns da entgegenschreit, kann 1977 eigentlich auch nur der duophone Odyssey gewesen sein. Sollte das stimmen, ist es ein Beweis dafür, daß Benny seinen Mk I mit der damals noch aufpreispflichtigen PPC hat ausstatten lassen, denn ohne wäre dieser Part noch haariger zu spielen gewesen, als er es ohnehin schon war. Damals verlangte die PPC im Gegensatz zu heute noch keinen Körpereinsatz...
    • "One Night In Bangkok" – Hätten ABBA weitergemacht, wären sie hier gelandet. Die GX-1 ist immer noch unverkennbar da und trifft auf rolandeske Bläser (Jupiter-8?). Die Drums klingen verdächtig nach einer eigens für Chess an Land gezogenen, damals brandneuen Linn 9000, gefüttert mit Samples eines Simmons SDS V.

    Also mit dem Zebra-Synthesizer in der HZ-Version kommt man mit etwas Mühe und genauem Hinhören recht nah an viele Abba-Sounds heran.
    Die Sounds aus LAYLOM habe ich selbst schon damit nachprogrammiert. Wenn man dann einen Mac unauffällig auf der Bühne versteckt, sollte man schon sehr vieles abdecken können.


    Fragt sich natürlich, wie weit man ins Detail gehen will, und wie weit der Eigenanspruch der Band es erfordert, ins Detail zu gehen. Soll es "ungefähr ähnlich" klingen oder tatsächlich den Sound des von ABBA im Studio verwendeten Equipments bis in die kleinste Nuance, bis ins kleinste technische Detail replizieren?


    Am Sound der bei LAYLOM dominanten Yamaha GX-1 sind sehr viele Elemente beteiligt, die man eigentlich alle emulieren müßte. Damit es auch wirklich nach einem diskret aufgebauten, spannungsgesteuerten Analogsynthesizer klingt, müssen die Oszillatoren nicht nur frei schwingen, sondern ganz leicht driften und jittern – einerseits unabhängig pro Stimme, andererseits müssen dabei aber pro Stimme Sinus, Sägezahn, Rechteck/Puls und Dreieck trotz allem immer perfekt phasenstarr zueinander laufen, und zwar in derselben Phasenlage zueinander wie bei den VCOs der GX-1, die diese vier Wellenformen plus Weißem Rauschen gleichzeitig ausgeben.


    Hinter jedem Oszillator steht erst ein 12-dB/Oktave-Hochpaßfilter, dann ein 12-dB/Oktave-Tiefpaßfilter, die beide nicht annähernd wie das Filter eines Oberheim SEM klingen, das von so ziemlich jedem virtuell-analogen Synthesizer mehr oder weniger emuliert wird (bis auf die fehlende Fähigkeit zum Überblenden zwischen den Modi), sondern subtile, aber merkliche Verzerrungen produzieren, die man bei LAYLOM wunderbar hören kann. Erschwerend kommt hinzu, daß Oszillatoren, Filter, Verstärker und Verstärkerhüllkurven jeweils pro Stimme vorhanden sind, es aber pro Tone (also bei polyphonen Klängen pro acht Stimmen) nur eine Filterhüllkurve für 16 Filter (die Modulationsintensität für HPF und LPF läßt sich nicht separat regeln – die läßt sich gar nicht regeln, weil sie in die Hüllkurve integriert ist). Noch dazu hat kein Digitalsynthesizer der Welt Hüllkurven, die so schnell sind wie die der GX-1: meines Wissens Minimum 1/100 Sekunde von Initial Level bis Attack Level, 1/100 Sekunde von da auf Sustain Level, am Ende 1/100 Sekunde von Sustain Level auf Initial Level. Wenn Sustain Level = Attack Level ist, kann die GX-1 Blips von 1/50 Sekunde, wovon Benny sehr wohl Gebrauch gemacht hat.


    A propos Filter, bei den Oszillatoren sind bei zwei Wellenformausgängen (Rechteck/Puls, Sägezahn) nochmals eigene Filter nachgeschaltet, so daß jeder Tone nur 1 Oszillator (mit 4 Wellenformen gleichzeitig + Rauschen), aber 4 Filter hat. Pro Manual kann man zwei Tones mischen und das Gemisch noch einmal filtern. Wenn du 2 Oszillatoren verwendest, mußt du je nach Sound damit rechnen, bis zu 9 Filter dahinter zu setzen – willkommen in der Welt der virtuellen Modularsynthesizer.


    Was auch zum Klang der GX-1 besonders bei ABBA beiträgt, ist, daß sie nicht über Line-Ausgänge (die sie gar nicht hat) direkt ins Pult gespielt wurde, sondern über ihre beiden riesigen Röhrenkabinette abmikrofoniert wurde. Heißt: Verstärkeremulation für Röhrenverstärker, von denen es gar keine dedizierten Emulationen gibt, Lautsprecheremulation, Emulation der Mikrofonierung.


    Ältere Sachen können noch härter zu emulieren sein, nämlich, wenn der Polymoog zum Einsatz kommt. Der hat von der Oktavteilertechnik (der Unterschied zu den normalerweise bei polyphonen Analogsynthesizern verwendeten Voicecards ist hörbar) bis hin zum Resonator so einiges, was nur äußerst schwer bis gar nicht emulierbar ist. Von den klanglichen Artefakten, die beim Entrauschen des Polymoog und dem Wiederaufpolieren des nach dem Entrauschen dumpfen Klangs entstanden sind, will ich gar nicht erst anfangen.


    Um einmal einen Maßstab für Originaltreue aufzuzeigen: Es gibt aktuell keinen Synthesizer auf dem Markt, weder echt analog noch virtuell-analog noch Software, der so nah an einen ARP Odyssey Mk. I (Flötensound in "Gimme! Gimme! Gimme!") kommt wie Korgs Nachbau des ARP Odyssey nach den Originalschaltungen, dessen Filter sich zum Glück auf die Bauform der ersten Generation schalten läßt. Mit nichts anderem kann dieser Sound überzeugend produziert werden, ist es doch kein VCO, den man da hört, sondern das selbstoszillierende 4023-Filter, und so klingt sonst nichts anderes. Aber selbst dem Korg ARP Odyssey wird von Kennern der Materie attestiert, daß er nicht annähernd wie ein originaler ARP Odyssey aus den 70ern klingt.


    Ein zweiter Keyboarder wäre natürlich nicht schlecht, aber alles andere ist Größenwahn.


    Wenn man einerseits absolut jeden noch so kleinen Part der originalen Studioversion 1:1 wie auf der Platte replizieren will, andererseits aber alles 100% echt live per Hand ohne Sequencer und ohne Audiozuspielungen spielen will, braucht man früher oder später zwingend mehr als vier Hände gleichzeitig auf elektronischen Tasten.


    Andererseits, wie ich schon sagte, kann man dann "The Day Before You Came", "Under Attack" und dergleichen nicht spielen, weil man in das Dilemma gerät, daß nach der eigenen Philosophie die Drums vom Schlagzeuger per Hand gespielt werden müssen, aber ABBA damals selbst eine Drummachine verwendet haben, die im Sinne 100%iger Authentizität folglich auch von der Tributeband verwendet werden müßte.

    Wer die frühen ABBA als Maßstab nimmt – und ich denke, genau das indiziert der Nickname "Waterloosingle" – wird tendentiell wenig mit The Visitors anfangen können, denn auf dem Album waren ABBA fast am Ende ihrer klanglichen Metamorphose angelangt.


    Die einzige Konstante, die sie hatten, waren Agnethas Leadgesang und Fridas Leadgesang. Zwischen 1974 und 1982 haben ABBA alles andere geändert.


    "Waterloo" ist Akustik-Pop mit entfernter Inspiration von schwedischer Folkmusik. Bis vielleicht auf den Baß sind sämtliche Instrumente akustisch.


    "Like An Angel Passing Through My Room" ist progressiv-experimenteller Synthpop. Bis auf den Leadgesang ist fast alles elektronisch, selbst die Effekt-Percussion dürfte nicht durchgehend per Hand eingespielt und statt dessen geloopt worden sein. Selbst "The Visitors" ist weit überwiegend elektronisch.


    The Visitors hat kein Orchester mehr, bis aufs Schlagzeug keine akustischen Instrumente mehr. Streicher? Elektronisch. Andere Melodieinstrumente? Elektronisch. Willkommen in den 80ern. ABBA machen von nun an Synthpop.


    Opus 10 hätte das sogar noch weiter fortgeführt: Auf dem Album wäre sämtliches Instrumentalbacking vollelektronisch gewesen. Björn hätte nur noch Gesang und die Lyrics beigesteuert, aber kein Instrument mehr gespielt – denn wenn Benny das Schlagzeug durch eine Linn LM-1 ersetzt und den Baß auf einem Analogsynthesizer spielt, wie soll dann noch eine Gitarre – noch dazu eine akustische – in die Musik passen?


    Es paßte aber auch in die zeitlichen Begleitumstände. ABBA waren noch nicht Nostalgie, es gab also keinen Grund, den Sound auf dem Stand von "Dancing Queen" oder gar "Hasta Mañana" einzufrieren und sich nicht weiterzuentwickeln. Im Gegenteil, sie mußten sehen, daß sie mithielten. Seit Kraftwerk, Jarre und Moroder, spätestens aber seit OMD und Gary Numan standen die Zeichen der Zeit auf Synthesizer. Und die Zeiten, in denen ABBA zwei glückliche Paare waren, waren lange lange vorbei.

    Zum einen wäre da der so typische schottische 6/8-Takt,


    Ist ein gerader 4/4-Takt.


    die Dudelsack anmutenden Keyboard-Klänge, dazu aber gleichzeitig Fideln und Akkordeon, wie es schwedischer nicht sein könnte!


    Da muß ich dich enttäuschen – meines Wissens ist der Song bis auf den Gesang 100% synthetisch, eingespielt auf dem verunglücktesten Moog aller Zeiten, dem Moog Polymoog Synthesizer Mod. 203a, über einen Gitarrenverstärker und aufgenommen mit jeweils zwei unterschiedlich im Raum aufgestellten Mikrofonen, damit es sich nicht nach Synthesizer und vor allem immer wieder anders anhört. Das sind insgesamt 2×8 Polymoog-Spuren, also 8 Stereospurpaare, und da kam dann nur noch der Gesang drauf.

    The Doctor,


    wie beurteilst du eigentlich das Original bzgl. der im Konzert eingesetzten Instrumente, denn schließlich klang ABBA im Konzert ganz anders als im Studio?


    Du meinst, wie ich dazu stehe, daß ABBA selbst live anders klangen und anders instrumentiert waren als im Studio?


    Für mich sind ABBA live und eine ABBA-Tributeband live zwei Paar Schuhe.


    ABBA sind der Originalinterpret. Bei deren Konzerten war die Fan-Dichte entsprechend hoch. Und wenn der Originalinterpret auftritt, erwartet man, daß die Songs für live ein bißchen interessanter oder spannender gestaltet, ein bißchen abgewandelt werden. Im übrigen hatte Benny damals schon genug Probleme, ABBAs Songs auf die Bühne zu bringen, und ABBA tourten 1979 mit Instrumenten, von denen allein die Tasteninstrumente zusammengenommen an die 100.000 Dollar gekostet haben dürften.


    Von einer Tributeband dagegen wird erwartet, daß sie sich derlei Eigenkreativität verkneift und exakt so klingt wie das Original. Gerade bei ABBA-Tributebands ist aber das Problem, daß der Großteil des Publikums nicht aus ABBA-Fans besteht. Das sind Leute, die, wie schon gesagt, nicht mal imstande wären, die Studioalben aufzuzählen, weil sie von ABBA nur die Hits aus dem Radio kennen. Folglich können solche Leute mit beispielsweise der '77er Australien-Version von "Tiger" oder der '79er Wembley-Version von "Summer Night City" nichts anfangen – "Tiger" kennen sie gar nicht und von "SNC" nur die Studioversion. Überhaupt kennen sie nur Studioversionen.


    Die Live-Versionen nachzubauen, ist schon schwierig genug. Hans und Franz Dudelfunkhörer wollen aber keine Live-Versionen hören, die kennen sie nicht, die verwirren sie. Sie wollen die Studioversionen hören, die kennen sie, die sind ihnen vertraut.


    ....Bei den Beatles ist es so, dass ein großer Teil ihrer Werke.......und ja, das sind heutzutage fast alles Klassiker......nie auf der Bühne gespielt wurde. Im Prinzip alles ab Sgt. Pepper....und da sind wahre Goldstücke dabei.


    Da besteht durchaus eine Korrelation.


    1966 sind die Beatles vorerst letztmalig live aufgetreten – und dann erst wieder 1969, als sie wieder brav geworden waren. Nachdem der letzte '66er Gig durch war und sie beschlossen hatten, nicht mehr live aufzutreten, waren sie auch davon befreit, ihre Musik so zu gestalten, daß sie auf eine Bühne zu bringen ging. Da konnten sie dann richtig loslegen, experimentieren, die technischen Möglichkeiten ausloten, exotische Instrumente und kleine Orchester auffahren, bis zum Gehtnichtmehr overdubben und so weiter.


    Die erste Hälfte des "Blauen Albums" (1967–1970) war damals live überhaupt nicht spielbar. Die war auch nie dafür vorgesehen, live gespielt zu werden, weil sie von einer Band eingespielt wurde, die davon ausging, eh nie wieder auf eine Bühne zu gehen, also auch diese Songs nicht irgendwie live spielen zu müssen.


    Wären die Beatles weiter fleißig getourt, würde "Eleanor Rigby" heute entweder ganz anders klingen, weil es im Hinblick auf Live-Spielbarkeit hätte arrangiert werden müssen, oder gar nicht existieren. Dito "I Am The Walrus".


    Auf eine gewisse Art und Weise findet man das auch bei ABBA wieder. Agnethas 1979 aufgetretene Flugangst und ihr Wunsch nach Familiennähe verboten große Tourneen, was wiederum bedeutete, daß ABBA nie wieder ziemlich komplette Alben auf große Bühnen bringen mußten. Resultate: Super Trouper, The Visitors und das rudimentäre Opus 10. Bis 1979 hatte Benny auch schon immer bombastischere Arrangements aufgefahren und immer größere Probleme, sie auf die Bühne zu bringen. Aber ab 1980 war das endgültig kein Thema mehr.


    Das über "Eleanor Rigby" und "I Am The Walrus" Gesagte läßt sich vortrefflich übertragen auf "The Day Before You Came" und "Like An Angel Passing Through My Room" – mit dem Unterschied, daß letztere zwei zu denjenigen ABBA-Songs gehören, bei denen alle Tributebands wissen, daß sie sich daran die Finger verbrennen werden, und sich an diesen Nummern folglich gar nicht erst versuchen, derweil es sicherlich Beatles-Tributebands gibt, die vor der Studioversion von "I Am The Walrus" (gibt ja keine Live-Version) nicht zurückschrecken.

    Zum einen kann man natürlich die Bemerkung, dass ein ABBA-Fan nicht das geschulte Gehör eines Musikers hat nicht so stehen lassen.........das ist in seiner Pauschalisierung so nicht haltbar.....


    Klar, kann man nicht. Aber hier ist (leider, leider, bedauernswerterweise) eine sehr geringe Musikerdichte.


    Na ja, ob's so viel besser wär, wenn wir hier eine Musiknerd-Dichte wie in Dream-Theater-Kreisen hätten...