Tributebands – so heißen die tatsächlich; sogenannte "Coverbands" spielen nämlich querbeet und nicht nur eine Band nach – sind eine ziemlich zwiespältige Sache. Um sie zu verstehen, muß man wissen, woher sie ursprünglich kommen: das Australien der 70er Jahre.
Traditionell die zwei großen Gebiete, in denen Bands touren, sind zum einen Europa und zum anderen Nordamerika. Europa ist relativ klein, aber dicht besiedelt mit lauter einzelnen Nationen, in denen es auch jede Menge größere Städte gibt, in denen Konzerte gegeben werden können. Eine Europa-Tournee kann durchaus schon mal zwei, drei Dutzend Konzerte umfassen oder noch mehr. Selbst mit nur einem Konzert pro Land (unter Auslassung von Luxemburg und kleiner) hatte man schon vor dem Fall des Eisernen Vorhangs 15 zusammen.
Nordamerika (also USA und der Süden Kanadas) wiederum ist riesengroß, und auch da gibt's einiges an Großstädten, in denen sich Konzerte lohnen. Einige sind so groß, daß man da gleich mehrere ausverkaufte Shows hintereinander spielen kann und zwischendurch nicht mal die Instrumente von der Bühne abbauen muß, geschweige denn woanders hinfahren. Wenn man auch kleinere Städte mitnimmt, kann man auch in Nordamerika monatelang touren und alle ein, zwei Tage ein Konzert spielen.
Wenn jetzt eine amerikanische Band in Europa spielen will oder umgekehrt, dann reist man einmal über den Atlantik, tourt monatelang und reist erst dann wieder zurück. So eine Tournee in Übersee lohnt sich also.
Nun sehe man sich mal Australien an. Zum einen liegt Australien "down under" und weit ab vom Schuß. Überhaupt nach Australien zu kommen, ist schon ein ziemlicher Aufwand, der mit dem Sprung über den Atlantik nicht mehr zu vergleichen ist. Zum anderen hat Australien nicht sehr viel Bevölkerung, die sich auch noch zum größten Teil auf die Küste im Südosten konzentriert. Das heißt, für viele Bands lohnt es sich nur in drei bis fünf Städten oder so, da ein Konzert zu geben. Sogar Perth und Darwin lohnen sich nicht, weil wiederum weit weg von den großen Bevölkerungszentren.
Konsequenz: Es war verdammt selten, daß überhaupt mal eine der großen Bands von der Nordhalbkugel in Australien vorbeiblickte. ABBA 1977 waren eine Riesenausnahme, die sich aber auch lohnte, weil sie gleich acht restlos ausverkaufte Konzerte in vier Städten spielten, darunter drei in Perth, wo ja sonst fast gar nichts hinkommt. Auf andere Bands warteten die Australier damals vergeblich.
Dann sagten sich ein paar Australier: Okay, wenn die nicht zu uns kommen, dann machen wir sie uns eben selbst. Die Motivation hinter der Australian Pink Floyd Show beispielsweise war: Pink Floyd sind nie nach Australien gekommen und werden es wohl auch nicht mehr, also machen wir hier in Australien unsere eigenen Pink Floyd.
Die Idee war also nicht, einfach eine Band zu gründen und die Musik eines einzigen Vorbilds nachzuspielen, damit man irgendeine Live-Band hat, die mit der Musik dieses Vorbilds live auftritt. Die Idee war, dieses eine Vorbild in jeder Hinsicht bis ins kleinste Detail zu replizieren: Gesang, Klang der Instrumente und Effektgeräte, Spielweise auf den Instrumenten, Bühnenbild, Bühnenbeleuchtung, Choreographie und so weiter. Es sollte die perfekte Illusion erzeugt werden, daß da z. B. tatsächlich David Gilmour mit seiner Truppe auf der Bühne steht. Und es gibt kaum anspruchsvollere Fans, die auf mehr und kleinere Details achten, als die Floydians – höchstens noch die z. B. von Genesis oder Rush. TAPFS erlaubte nur da Abweichungen, wo man zeigen wollte, daß man immer noch eine australische Band ist, z. B. ersetzen sie bei jeder Gelegenheit bis hin zu The Wall das Pink-Floyd-Schwein durch ein rosa Känguruh.
Das Konzept, einfach mal die Musik einer einzelnen Band oder eines einzelnen Interpreten zu covern statt mehrerer, gab's ja damals auch schon bei uns. Wenn sich zum Beispiel ein Haufen Stones-Fans fand, dann gründeten die eben eine Band und spielten die Stones nach mit dem Equipment, das sie entweder eh hatten oder sich leisten konnten. Den Anspruch, exakt so zu klingen wie die Stones, hatten sie nie, geschweige denn den, auch noch optisch so zu wirken. Den gab es allerhöchstens in sehr begrenztem Maße bei den Elvis-Imitatoren in z. B. Las Vegas.
Das wurde alles erst anders, als wir hier auf der Nordhalbkugel aufmerksam wurden auf die perfektionistischen australischen Replik-Tributebands, besonders eben TAPFS. Ab und an wurden die dann tatsächlich auf diese Seite der Erde geholt, etwa nach England, trotz des riesigen logistischen Aufwands.
Und dieses Konzept fand in Europa und Amerika Nachahmer, die beim Nachbilden ihrer jeweiligen Originale ähnlich akribisch vorgingen. Die Beweggründe dafür waren unterschiedlich: Entweder wollte man einfach wieder zusammen die Musik einer bestimmten Band spielen, aber alle Bandmitglieder waren solche Geeks, daß sie sich darauf einschossen, das Original so detailgetreu wie irgendwie möglich zu kopieren. Oder es bestand ganz einfach Bedarf an so einer Gruppe, weil das Original viel zu selten tourte, gar nicht mehr tourte oder überhaupt nicht mehr existierte, die Leute es aber immer noch live sehen wollten.
Gerade im Progressive Rock traf häufig beides aufeinander. Pink Floyd waren nur noch ein Schatten ihrer selbst, seit sukzessive die Mitglieder selbst der 70er-Jahre-Besetzung ausstiegen, angefangen mit Roger Waters unmittelbar nach The Wall. Und die klassischen Genesis hatten schon 1975 mit Peter Gabriels Ausstieg aufgehört zu existieren und waren seit 1986 (Invisible Touch) eine Popband. So beschlossen dann einige hinreichend geekige Fans dieser Bands: Wenn die keine Konzerte und Tourneen wie in den 70ern mehr spielen, dann machen wir das eben. Es gibt genügend Leute, die das noch einmal sehen wollen. Dabei ging es nicht darum, in z. B. Genesis' oder Pink Floyds Namen Kasse zu machen bei Altfans, sondern den Altfans einfach etwas noch einmal zu bieten, was es eigentlich gar nicht mehr gab. Der Aufwand, das zu erzielen, ist ohnehin so groß, daß man damit nicht reich wird.
Dann gab und gibt es wieder Fälle, in denen Tributebands gar nicht anders können, als superakribisch zu sein und für eine möglichst exakte Replik des Originals einen teilweise gigantischen Aufwand zu betreiben. Rush beispielsweise haben praktisch nur Nerds als Fans. Als Fan einer Gruppe will man natürlich das hören, was man zu hören gewohnt ist – und die Rush-Fans hören zum allergrößten Teil extrem genau hin, und das, was sie so extrem genau hören, erwarten sie auch vollumfänglich von einer Tributeband. Hier geht es also nicht um Nostalgie, sondern um hochaufmerksame, hochanspruchsvolle und hochkritische Fans. Auch deshalb setzen sich gerade hier die Tributebands nur aus solchen Nerd-Fans zusammen. Und die wollen selbst keine Kompromisse machen.
Die Steigerung davon sorgt dafür, daß es von bestimmten Originalen kaum bis gar keine Tributebands gibt. Das tritt dann ein, wenn man erstens hochanspruchsvolle Fans mit sehr präzisem Gehör hat, zweitens ein Original, bei dem wirklich sehr viele Details sehr präzise nachgebildet werden müssen, und wenn drittens der Aufwand dafür viel zu hoch ist, als daß es lohnend oder auch nur machbar wäre. Etwa im klassischen elektronisch-instrumentalen Bereich trifft das zu. Da hat man nicht den einen prägnanten Sound in einem Stück und ansonsten nur Unwichtiges, sondern nur prägnante Sounds, auch weil es keinen Gesang gibt, der von den ganzen elektronischen Klängen ablenkt. Da muß jeder kleine Pieps bis ins kleinste Detail genau wie auf der Platte klingen. Und der Aufwand, diesen Detailgrad zu erzielen, ist immens und live auf einer Bühne schwer umsetzbar. Ganz zu schweigen von den horrenden Kosten für das notwendige Equipment, auch weil man für viele Sachen die gleichen Geräte braucht wie der Originalkünstler damals, die schon neu wahnsinnig teuer waren, schon immer sehr selten waren, heute gesuchte Sammlerstücke sind oder gar wegen ihrer Verbindung zu eben diesem Originalkünstler zu teuren Kultobjekten geworden sind.
Folglich gibt es kaum bis gar keine Tributebands von z. B. Vangelis oder Jean Michel Jarre. Bei ersterem kommt hinzu, daß es kaum Keyboarder geben dürfte, die so spielen können wie er. Bei letzterem kommt die Notwendigkeit einer opulenten Lightshow hinzu – bei Open-Air-Auftritten am besten noch mit Projektionen auf hinter der Bühne stehende Gebäude, also ein nochmals größerer Aufwand als bei Pink Floyd. Generell lohnt sich dieser Aufwand kaum, weil die jeweilige Zielgruppe einer solchen Tributeband zu klein wäre. Natürlich wird man mit einer Tributeband nicht reich, aber die Kosten für derart hochdetaillierte Reproduktionen sind horrende und müssen irgendwie wieder reinkommen. Jarrelook z. B. blieben, als ihr letztes Konzert, das auf dem Flughafen Gatwick stattfinden sollte, abgesagt worden war, auf 12.000 Pfund an Schulden sitzen, die sie vorgestreckt hatten.