Hallo Oesisteff, hier ist nun endlich meine Antwort zu deiner Meinung. Sie fällt etwas länger aus, da ich einiges zitieren muss.
Aber fangen wir mit den Gemeinsamkeiten an: Wir sind uns schon mal darüber einig, dass der Song um kriegerische Aktionen auf dem lateinamerikanischen Kontinent beschreibt. Daher muss ich schon mal nicht bei Adam und Eva anfangen. Das freut mich wirklich, und das ist nicht ironisch gemeint.
Lass mich deine Argumente nacheinander, aber nicht in der exakten Reihenfolge abarbeiten.
Fangen wir an mit der Zeile „Since many years I haven´t seen a rifle in your hand.“
Dazu möchte ich sagen: Ich habe auch schon lange kein Gewehr mehr in der Hand von, sagen wir mal, Al Capone gesehen.
Deine Antwort darauf könnte jetzt sein: „Der ist ja auch schon lange tot“
Meine Antwort dazu wäre: „Eben“
Du siehst also, der Satz ist kein Beweis dafür, das die betreffende Person noch lebt.
„Now we are old and grey Fernando“
Es gab im Laufe der Diskussion schon mal den Standpunkt, dass Guevara „nicht mehr young“ war als er starb. (Beitrag von Johnnie, 13.7.2004) Du dagegen sagst, dass er jung war. Alter und Jugend ist eben ein sehr relativer Begriff, je nach dem wie der Blickwinkel ist. Aus Sicht eines 20-jährigen ist ein 40-jähriger „alt“. Aus Sicht eines 60-jährigen ist ein 40-jähriger „jung“. Che war 39 als er starb. War er nun alt oder jung?
Und graue Haare setzen ungefähr ab dem biologischen Alter von 30 ein. Könnt ihr alle nun glauben oder nicht.
I could hear the distant drums and sounds of bugle calls were coming from afar“
Richtig, diese Signalinstrumente wurden in viel früheren Kriegen benutzt. Ich sprach aber von den Instrumenten als Synonym, oder Symbol!! Als Symbol für seine Feinde, den US-amerikanischen Imperialismus.
In den Wochen vor beiden Golfkriegen sprachen die Nachrichtensprecher vom „Säbelrasseln“ der beteiligten Nationen. Hat jemand von euch allen mal gesehen, wie Hussein oder einer der amerikanischen Präsidenten mit dem Säbel gerasselt haben? Schließlich wurde das so gesagt. Im Fernsehen. Von Nachrichtensprechern. Sogar bei ARD und ZDF!
Oder hat jemals jemand gesehen, wie ein Toaster, Fernseher, oder sonstiger Gegenstand „über den Jordan geht“?
Soviel zum Thema Synonym bzw. Symbol
Dein Zitat:
„Auch müssen Artillerie Kanonen im Felde verwendet worden sein, ein Guerillakämpfer scheidet daher definitiv aus, es muss ein Schlachtfeld gewesen sein, mit Artillerie (und Horn und Trommelsignalen)“ Zitat Ende.
Zu den Horn und Trommelsignalen habe ich eben schon Stellung genommen. Zum Rest ein paar zitierte Stellen aus einer der Biographien über Che, von Paco Ignacio Taibo:
Seite 462:
Er (Che) zieht eine Bilanz der Fronten: Uvira – 350 Waffen, eine Kanone, ein paar Flakgeschütze, ein Granatwerfer. Fizi – zwei- bis dreitausend verstreute bewaffnete Männer, eine Kanone, ein paar Granatwerfer. Lulimba (lambert) – 150 Waffen, drei Flakgeschütze, eine Kanone und zwei Granatwerfer. (...) Zwischen Lulimba und Force liegen drei Kommandos, welche die Kubaner nicht genau lokalisiert haben; eines davon nennen sie „Phantom“, denn sie haben es noch nie gesehen. In den Bergen: Calixte – 150 Mann und Mundandi mit den Ruandern und 300 Waffen, drei Maschinengewehren zwei Kanonen und zwei Granatwerfern. Kabimba – 150 Waffen, zwei Flak-MGs, eine Kanone und zwei Granatwerfer. Am See: eine Kanone, die verrückt spielt, und mehrere Flakgeschütze, die ständig feucht werden.
Seite 467:
Verlauste Hütten stehen am Wegesrand, es gibt weder Schützengräben noch Unterstände, nur ein paar Flak-Geschütze und Panzerfäuste
Seite 468
Die Präsenz des Feindes der bisher passiv war, wird nun langsam spürbar. Die Bombardements nehmen zu, Bauernsiedlungen werden mit Maschinengewehrfeuer belegt (...)
Diese Flugzeuge bombardieren Ches Stellung und verletzen mehrere Bauern in einem Dorf
Seite 477
Seltsamerweise kannte Che die entmutigenden Berichte nicht, die US-amerikanische Geheimdienstler untereinander austauschten, in denen sie den Kongo nach Vietnam als das Land mit der größten Guerillaaktivität der Welt beurteilten...
Seite 533
Während der nächsten Tage gehen die ziellosen Bombardierungen regelmäßig weiter (...) Die bolivianische Luftwaffe geht dazu über, Napalm abzuwerfen.
Seite 537
(Bolivianische Armeepatrouille unter Führung von Major Rubén Sánchez) „Da tauchte die Luftwaffe auf und fing an uns zu bombardieren, da sie uns für Guerilleros hielt“
Seite 547
Teil der (US-amerikanischen Hilfe an die Bolivianer) sind außerdem fünf P-51 Flugzeuge, Hubschrauber und zwei H-19.
...und so weiter und so fort...“The roar of guns and canons almost made me cry“
Also, außer Giftgas und biologischen Waffen war eigentlich alles da, oder? Selbst mit atomaren Waffen könnte man Che noch in Verbindung bringen (Kubakrise im Oktober 1962). Aber die wurden bekanntermaßen nicht angewendet, andernfalls könnten wir uns jetzt nicht darüber streiten, ob es nun Che war oder nicht, der in dem Song beschrieben wird. Die anderen Waffen wurden jedenfalls angewendet.
Inwieweit Che in die Kubakrise involviert war ist hier jedoch nicht von Belang. Das würde den Rahmen sprengen.
Noch ein Zitat zum Thema „Kanone“ von Donald Rumsfeld (amerikanischer Verteidigungsminister 2003): „Sie erreichen mit ein paar netten Worten und einer Kanone mehr als mit ein paar netten Worten allein“
Dieses Zitat zeigt also auch die Relativität des Begriffs „Kanone“. Oder meinst du wirklich, oesisteff, dass Rumsfeld damit eine Kanone meinte, die ein Kaliber von 8 Zentimeter oder mehr hatte, die er imaginär in der Hand hielt?
So, nun zum Thema Rio Grande:
Du meinst also, dass es der Rio Grande zwischen Texas und Mexiko war. Gut. Dann fundamentiere doch bitte deine Meinung. Außer der Tatsache das der Rio Grande diese beiden Länder trennt, habe ich bei diesem Punkt deiner Meinung nichts gefunden, was deinen Verdacht, dass es sich in dem Text um diesen Rio Grande handelt, erhärten könnte. Zumal auch in dem Song kein Bezug (auch kein assoziativer oder interpretativer) auf irgendeine Art Grenze genommen wird.
Ich dagegen behaupte, dass es der Rio Grande in Bolivien war, weil im restlichen Kontext des Textes, inklusive des (Deck)namens Fernando, alles auf die Person Che Guevara schließen lässt.
Die Tatsache, dass er in dem Song in der Gegenwartsform angesprochen wird, obwohl er zum Zeitpunkt des Erscheinens des Songs schon lange tot war, lässt sich auch leicht erklären:
Nachrufe – und als solcher ist dieser Song zu verstehen, werden häufiger in der Mischung aus Gegenwarts- und Vergangenheitsform verfasst. Wer das nicht glauben möchte, der kann ja die Zeitungen aufschlagen und mal ein paar Nachrufe lesen, Abteilung Todesanzeigen. Formulierungen wie „...in unseren Herzen stirbst du nie...“, „....du wirst immer bei uns sein...“ und so weiter bla bla, stehen da ziemlich häufig drin. Ergiebig zum Begreifen und Verstehen von Nachrufen sind auch Beerdigungen selbst. Wie oft wird da am offenen Grab der Tote im Präsenz angesprochen!?
Und Nachrufe können eben auch Jahre später gemacht werden. So zum Beispiel in dem Song „Candle in the wind“ in dem Elton John Marilyn Monroe einen Nachruf oder eine Hommage zukommen lässt. (Ihr Name kommt in dem Song vor, also kein Diskussionsthema) *grins *
Zu dem Zeitpunkt als der Song aufgenommen wurde, 1973,war die Monroe schon länger tot als Che, und trotzdem singt John: „Good bye Norma Jean...“ Er spricht sie also direkt in der Präsenzform an! Eine Tote! Und er „spricht“ in dem gesamten Song mit ihr. Genau wie bei Fernando. Was ja deiner, respektive eurer aller Meinung nach nicht geht, weil es angeblich Schwachsinn ist! Noch besser für das Verständnis eines musikalischen Nachrufs, bei dem die Verstorbene in der Gegenwartsform angesprochen wird (obwohl sie nicht da ist – weil schon tot), ist die Neuauflage des selben Songs zum Tode von Diana. (Songtexte sind nachzulesen bei http://www.golyrics.de)
Ein anderes Beispiel dafür wie „schwachsinnig“ es ist einen Toten im Präsenz anzusprechen ist ein Tischgebet orthodoxer Christen: „Komm Herr Jesu sei unser Gast, und segne was du uns bescheret hast“
Angesprochen wir da ein Mann in der Gegenwartsform, der demnächst 2000 Jahre tot ist!!
Also, wer den Song WIRKLICH begreifen will, der mache sich Gedanken über Nachrufe, wie sie teilweise formuliert sind, lese die Geschichte Che Guevaras, grabe sich ein kleines Loch im Garten, werfe eine leere Zigarrenkiste als symbolischen Sarg hinein, und lese sich vor dem „offenen Grab“ noch mal den Song durch, dabei die Lebensgeschichte Che´s im Kopf habend.
(Empfehlenswert für ernsthaft Interessierte ist die Biographie „Che“, von Jon Lee Anderson. Hat ungefähr 700 Seiten bei normalem Buchformat und normaler Schriftgröße. Die Biographie von Paco Ignacio Taibo hat zwar nur 600 Seiten, ist aber mehr als DIN A 5 groß mit kleiner Schrift und „trockener“ zu lesen)
So, und ich muss jetzt zum Essen. Sonst ist für mich der Zug abgefahren wie man mir sagte. Wie war das bloß gemeint mit dem Zug? Hier gibt es weit und breit keinen. Muss ich jetzt assoziieren und interpretieren? 
Außerdem würden mich mal ein paar Meinungen derjenigen interessieren, die hier nicht im Forum schreiben. Aus welchen Gründen auch immer. Persönliche Statements könnt ihr bei hlvs@gmx.de hinterlassen.
Bis denne, Euer Phantom