Das vergessene Album
Nach "The Visitors" im Jahre 1981 gab es klare Anzeichen dafür, dass für das darauffolgende Jahr ein weiteres ABBA-Album geplant war, das aber leider nie in dieser Form realisiert wurde. Beim näheren Betrachten der, im Laufe des Jahres 1982 aufgenommen Songs, habe ich mir die Frage gestellt, wie ein solches Album wohl ausgesehen hätte und vor allem welche Lieder darauf enthalten sein könnten.
Bei der Suche nach einem Titel für das Album kam mir sofort "Under Attack" in den Sinn. Dieser Song spiegelt wohl am ehesten die Gefühle und Gedanken der Gruppe zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte von ABBA wieder. Aber auch im musikalischen Bereich wurden neue Wegen beschritten. Der Sound in den frühen Achtzigern klang nun viel elektrisierender und ihr gesamter Stil veränderte sich merklich. ABBA war bereit für das neue Jahrzehnt...
"I am The City" ist das beste Beispiel für den "neuen" ABBA-Sound zu Beginn der achtziger Jahre. Synthesizer und Keyboards fanden mehr und mehr Einzug in die Lieder. Zudem wurde verstärkt mit verschiedenen Effekten auf dem Gebiet der Stimmabwandlung experimentiert. Doch das alles änderte nichts an der Faszination, die nach wie vor von den ABBA-Songs ausgeht.
Auch auf dem inhaltlichen Gebiet ihrer Lieder betraten ABBA weitgehend Neuland. Mit "Cassandra" waren sie wohl die erste Popgruppe überhaupt, die sich musikalisch mit der Sage um Kassandra von Troja befasste. In jeder Zeile des Songs findet sich diese berühmte Geschichte Wort für Wort wieder. Hinzu kommt der überaus passende Aufbau des gesamten Liedes, was eine ganz besondere, beinahe mystische Atmosphäre erzeugt.
Für Viele ist "You Owe Me One" das merkwürdigste ABBA-Lied überhaupt. Andere wiederum sehen darin ein neue Stilrichtung, die teilweise sehr von bisherigen Arbeiten abweicht. Die Tatsache, dass es sich hierbei um eine der letzten gemeinsamen Aufnahmen von ABBA handelt, spielt aber sicherlich auch eine große Rolle. So ist es wohl als eine Art verspäteter Abschiedsgruß von der Gruppe ABBA anzusehen, der gleichzeitig den Aufbruch der vier Bandglieder zu neuen, eigenen Projekten markiert.
Ein stilles, aber zugleich wohl auch ergreifendes, letztes Meisterwerk im langen Schaffen von ABBA ist ohne Frage "The Day Before You Came". Mit früheren Aufnahmen hat dieser Song nun gar nichts mehr gemeinsam. Nur durch einige Synthesizer und Keyboards begleitet, singt Agnetha das zu Herzen gehende Lied aus tiefster Seele. Auch das Musikvideo mit Agnetha als Hauptdarstellerin ist mit Sicherheit eines der stilvollsten und künstlerisch ausgefeiltesten ABBA-Videos.
Bei "Every Good Man" handelt es sich um eine Demoaufnahme aus dem Jahre 1982, die für das von Benny und Björn schon seit längerem geplante Musical "Chess" von Agnetha und Anni-Frid gesungen wurde. Im späteren Musical heißt der Song letztendlich "Heaven Help My Heart". Aber die ursprüngliche Version steht diesem wohl in nichts nach.
Für viele Fans ist "Just Like That" das beste, bisher unveröffentlichte ABBA-Lied überhaupt. Insgesamt wurden im Laufe des Jahres 1982 drei unterschiedliche Version von "Just Like That" aufgenommen. Die erste Fassung ist vergleichsweise langsam und umfasst mehrere Strophen. Bei der zweiten Version kam ein von Agnetha gesungener Solopart zwischen den Strophen hinzu. Die dritte und endgültige Fassung unterscheidet sich gleich in mehreren Punkten von den beiden Vorgängerversionen. Sie ist um einiges schneller und außerdem kommt nun zusätzlich noch ein Saxophon zum Einsatz. Bis auf einen kurzen Ausschnitt aus dieser dritten Version, die auf der 4-CD-Box "Thank You For The Music" aus dem Jahre 1994 zu finden ist, blieb dieser einzigartige ABBA-Song bis heute leider unveröffentlicht.
Ähnlich wie bei dem "Arrival"-Album würde mit "When The Waves Roll Out To Sea" eine rein instrumentale Komposition das Album abschließen. Hierbei handelt es sich um eine, an mehreren Stellen abgewandelte Version von "Just Like That", die von Benny am Klavier gespielt wird.
Ein schöner Abschluss für ein gelungenes Album, mit dem sich ABBA wirklich mehr als standesgemäß von ihren Fans verabschiedet hätten...
Das wäre mein Favorit!
Grüße
Max