Hier stört uns bestimmt Niemand (denn es geht mal nicht um die neuen Lieder von ABBA oder Vermutungen, was wohl auf dem neuen Album drauf ist und ob sie bei Wetten Dass dabei sind) wenn wir "streiten" Scotty, deswegen eine kurze Rückkehr. Mich haben diese unterschiedlichen Meinungen zu diesen beiden Musicals schon die ganze Woche beschäftigt. Ich weiß nicht warum, mich hat dieses Thema, dieser Vergleich (der eigentlich nicht möglich ist und auch nicht gezogen werden sollte) nicht wieder losgelassen.
Vorab, ich habe weder Miss Saigon noch Kristina jemals live gesehen - leider. Von Ersterem kenne ich nur einige Lieder (also das was in der Stuttgarter Aufführung als Highlights veröffentlicht wurde) und die, welche du hier gepostet hast. Von Kristina habe ich die schwedische Aufnahme, die ich mir relativ selten, aber im Laufe der Zeit doch schon öfters angehört habe. Deshalb bin ich eher nicht wirklich geeignet hier meine Meinung kundzutun - werde es aber trotzdem tun.
Und ein weiterer Punkt, zum Musical bin ich nicht durch ABBA, bzw. B&B gekommen, sondern A.L. Webbers Cats war das Erste, was ich leider auch nur durch eine Plattenaufnahme kenne, was ich aus dieser Richtung gehört habe. Vor der Wende waren (westliche) Musicals in der DDR nicht wirklich sehr angesagt und ich glaube, Mitte der 80er erschien dann diese Platte mit Angelika Milster auch bei Amiga. Ich war damals total begeistert davon. Eine ganze Geschichte - was auf Cats wohl nur begrenzt zutrifft - in vielen Liedern erzählt. Danach habe ich mehr davon gewollt, musste aber durch meine Herkunft bedingt noch 5 Jahre warten.
Der absolute Höhepunkt für mich in diesem Genre ist allerdings Chess. Diese Platte habe ich noch vor der Wende bekommen, weil ich sie unbedingt wollte. Ein Punkt, über den wir besser überhaupt nicht reden sollten, denn da werden wir niemals Übereinstimmung erzielen.
Inzwischen habe ich eine Handvoll Musicals gesehen und ich muss sagen Chess steht immer noch ganz oben in den Top 3, neben Tanz der Vampire und Les Miserables. Von Webber habe ich mich inzwischen ein wenig entfernt, auch wenn ich immer noch finde, er hat einige verdammt gute Sachen gemacht. Meine Frau steht dann eher auf die Sachen von Disney, aber das ist... nicht nur ein ganz anderes Feld....
Und ein letzter Punkt, meine Erfahrung sagt mir, ein Musical, dass man live auf der Bühne gesehen hat wirkt total anders, viel intensiver, viel nachhaltiger, viel emotionaler, als wenn man sich nur eine Aufnahme anhört.
Aber hier soll es ja um Miss Saigon und Kristina gehen.
Für mich gleiche Voraussetzungen, da ich beide Musicals noch nicht live gesehen habe.
Kristina ist für mich deutlich klassischer ausgerichtet. Wie schon einige Andere hier geschrieben haben, es geht sehr stark in Richtung Oper (Musical finde ich, wenn ich ehrlich bin, sogar ein wenig als Etikettenschwindel). Das hat mich beim ersten hören auch etwas abgeschreckt. Neben der Tatsache, das es in schwedisch gesungen wird. Zum Glück hatte ich eine deutsche Übersetzung, sonst wäre es wahrscheinlich auch bei dem ersten Mal hören geblieben. Inzwischen muss ich sagen, jedes Mal wenn ich es höre gefällt es mir ein wenig mehr. Und es steigt die Lust, es wirklich einmal in voller Länge live zu erleben. Vielleicht nicht unbedingt in Schwedisch, da bin ich ehrlich, wenn ich die Wahl hätte in Deutsch. Meine heimliche Hoffnung ist ja, dass sich irgendwann einmal das Opernhaus in Chemnitz entschließt, dass auf die Bühne zu bringen. Die Aufführung von Chess habe ich mir zweimal da angeschaut und ich fand das richtig gut umgesetzt.
Aber eigentlich ging es ja auch sehr stark um den unterschiedlichen Erfolg. Kristina war in meinen Augen, wenigstens als es geschrieben wurde, niemals für den internationalen Markt konzipiert. Ein schwedischer Nationalroman, in schwedischer Sprache - ganz ehrlich, wenn man einen weltweiten Erfolg hätte schreiben wollen, ich glaube, dann hätte man es von Beginn in englischer Sprache gemacht, sicherlich auch deutlich "poppiger" und bestimmt auch nicht die Uraufführung in Schweden stattfinden lassen. Das war aber nie das Anliegen von Benny. Ich glaube, ihm ist inzwischen (und damals auch schon) nur die Musik wichtig. Warum tourt er sonst mit BAO durch die Gegend. Ich glaube, es gab in den 90ern bis heute genug Stars und Sternchen die sich darum gerissen hätten, ein Lied von ihm singen zu dürfen, um ihre Karriere wieder in Schwung zu bringen (zum Beispiel Story Of A Heart da hätte bestimmt so mancher zugegriffen. und mit dem richtigen Namen....). Ich glaube sein Anliegen ist es, dass er irgendwann einmal mit den großen Komponisten in einem Atemzug genannt wird. Und dafür ist Kristina ein weiterer Schritt gewesen. Es zeigt, der Typ der Waterloo und Dancing Queen geschrieben hat, kann, neben "Volksmusik" auch richtig gute klassische Musik zu Papier bringen. Das muss ihm erst einmal Einer nachmachen, diese Vielfalt und trotzdem immer gut.
Ich bin mir nicht sicher, ob Kristina als Musical (wie gesagt, ich würde es nie so beschreiben) jemals wirklich ein Welthit werden kann, aber es ist ein Werk, indem eine sehr tragische Geschichte mit den richtigen künstlerischen (in Bezug auf die Musik) Mitteln ergreifend dargeboten wird. Das er einen Musicalwelthit erschaffen kann, hat er mit Mamma Mia bewiesen. Das dürfte selbst am Broadway weit vor Miss Saigon stehen. Weltweit gesehen glaube ich spielt es eine Liga höher als Miss Saigon. Mit Kristina wollte er dieses Ziel niemals erreichen, da bin ich mir ganz sicher. Das man es dann doch irgendwie halbherzig versucht hat, lag wohl eher daran, dass der Erfolg in Schweden so überwältigend war.
Miss Saigon hat den großen Vorteil, die Schöpfer hatten mit Les Miserables schon einen großen Namen im Musicalgeschäft. Ich habe Les Miserables zwei Mal gesehen und ich finde es auch total ergreifend. Wie oben gesagt, es gehört zu meinen Top 3. Da spielt dann aber sicherlich auch immer mit, es live auf der Bühne gesehen zu haben - so wie bei dir Miss Saigon in London. Und wenn ich ehrlich bin, stellenweise erinnert mich zum Beispiel dein immer wieder zitiertes I Still Believe, wie auch einige andere Lieder, sehr stark an Les Miserables. Ich glaube, dass was immer wieder Benny hier im Forum vorgeworfen wird, er klaut (oder kopiert) bei sich selbst, dass hat Schönberg auch getan. Der Anfang, aber auch das Ende des Liedes - ganz neu waren die für ihn auch nicht. Und einige andere Titel erinnern mitunter durchgängig an ihren vorhergehenden Welterfolg.
Und Miss Saigon war deshalb von vornherein schon für eine große internationale Vermarktung vorgesehen, als weitere Erfolg des Duos. Was einmal klappt, dass kann auch beim zweiten Mal funktionieren. Es wird aber auf alle Fälle versucht. Ich würde es jetzt nicht als Fortsetzung von Les Miserables bezeichnen, aber es gibt schon für mich eine Menge Parallelen. Sowohl der dramatische Inhalt, als auch viele Passagen der Musik. Womit ich aber überhaupt kein Problem habe. Vielleicht sollte ich es mir wirklich einmal ansehen.
Ich finde auch deine Aussage, beide Werke beruhen auf einem klassischen Stoff aus der gleichen Zeit für richtig, aber sie deshalb miteinander vergleichen können? Kristina bleibt in seiner Zeit, da bleibt, ohne es zu kennen, nur ein schlichtes Bühnenbild übrig. Alles andere wäre unehrlich, nicht authentisch. Miss Saigon spielt, sagen wir es einmal so, in der jüngeren Vergangenheit, es wurde in die Gegenwart geholt - trotz historischer Vorlage. Da habe ich doch auch ganz andere Möglichkeiten - wie zum Beispiel der Hubschrauber. Und genau da habe ich ein Problem - eine aufwendige, kolossale Aufführung, die mit solchen Effekten Zuhörer einfängt. Das hinterlässt Eindruck, wenn man es live sieht - kann ich mir jedenfalls vorstellen. Und ich finde so etwas überhaupt nicht verwerflich - es ist halt unsere Zeit. Aber seien wir mal ganz ehrlich, lenkt das nicht eigentlich von der Musik ab? Ich finde die Musik nicht schlecht, damit wir uns da nicht falsch verstehen, aber das Meiste davon klingt für mich irgendwie bekannt.
Damit, also das ist meine Meinung, sind die Voraussetzungen was einen internationalen Erfolg angeht, so unterschiedlich, dass man einen Vergleich auf diesem Gebiet eigentlich überhaupt nicht ziehen kann.