Beiträge von The Doctor

    Großbritannien ist als "Musikmacht" wirklich nicht zu unterschätzen.


    Zum einen war es meines Wissens ein britischer Musikjournalist, der 1975 den Progressive Rock gekillt hat mit einer Kolumne, in der stand: Rockmusik war immer die Musik der Rebellion gegen die Oberklasse. Aber Prog Rock wird gemacht von der Oberklasse. (Nicht ganz ungerechtfertigt – beispielsweise der einzige von Genesis, der nicht auf einem Elite-Internat war, war Phil Collins.) Da läuft was falsch, und das muß aufhören. Damit hat er zum einen der New Wave Of British Heavy Metal (Motörhead, Iron Maiden, Judas Priest...) den Weg geebnet und zum anderen mitgeholfen, den Punk in England und von da aus in Europa zu etablieren.


    Auf eine ähnliche Art funktionierte 1979 in den USA der sogenannte Disco Backlash, der die ehedem florierende Disco-Szene quasi über Nacht zum Einsturz brachte, nachdem sogar große Rockkünstler wie Rod Stewart ("Da Ya Think I'm Sexy"), Queen ("Another One Bites The Dust" – eine Chic-Blaupause), KISS ("I Was Made For Loving You") und sogar die Stones ("Miss You") sich erdreisteten, Discosongs zu machen. Von jetzt auf gleich war Disco pfui-bah. Schwarze Bands erklärten von da an, daß sie wieder nur Soul oder R&B machen, und einige waren Anfang der 80er auf einmal poppig (vor allem die einstigen Funk-Formationen Commodores und Kool & The Gang). Die Bee Gees waren gänzlich abgemeldet bis zu ihrem zweiten Reboot Mitte der 80er und versteckten sich bis dahin hinter Dionne Warwick ("Heartbreaker") und Diana Ross ("Chain Reaction"). Und wer in den 80ern sonst noch discoartige Musik machte, sprach je nach Stil und Epoche eher von New Wave (schön weiter Begriff, auf den schön viel paßte), Hi-NRG, Post-Disco oder Eurobeat (besonders, wenn man Stock, Aitken & Waterman hieß).


    Zum anderen: 1982 standen die Zeichen in England auf Synthpop. Aber nicht Synthpop, wie ABBA ihn inzwischen machten, sondern Synthpop, wie er seit 1977 die neue musikalische Identität Englands war, seit Glam Rock und Prog Rock weitgehend tot waren. Gary Numan, OMD, Thomas Dolby und viele andere Acts, die nahezu alle inspiriert waren von Kraftwerk, dem wohl letzten erfolgreichen Musikimport vom Kontinent. Der volle, organische, immer noch emotionsgeladene Sound der ABBA-Spätwerke paßte einfach nicht zu der unterkühlten, aber frischen Maschinenmusik, die die Briten selbst machten und feierten, mit Sängerinnen wie Annie Lennox, Kim Wilde oder Cyndi Lauper. Außerdem hatten die Briten es erstmals seit langem nicht mehr nötig, Musik zu importieren, die auch noch mit dem Akzent von foreign speakers eingesungen war, sondern exportieren selbst wohl mehr davon als in der Beat-Ära und waren stolz drauf. Das Empire war wieder der musikalische Taktgeber der Welt – das waren sie das letzte Mal, als die Beatles und die Stones die größten Bands überhaupt waren. ABBA hätten da nicht mal mehr landen können, wenn sie sich mit Trevor Horn, Vince Clarke oder gleich Ralf Hütter höchstpersönlich zusammengetan hätten.

    Ich würde ja sagen: Wenn AWR mal nach Norddeutschland kämen (= diesseits von Lüneburg), dann würde ich sie mir auf jeden Fall ansehen und mir ein Bild von ihnen machen. Das würde ich übrigens tatsächlich tun, sofern Zeit und Geld es erlauben.


    Andererseits habe ich diese Woche ABBA – The Show gesehen und verrissen. Das wird leider nie passieren, daß ich eine ABBA-Tributeband sehe und sage: Hier stimmte alles bis ins Detail.

    DeepThought, der sich hier anscheinend eigens angemeldet hat, um mich zu diffamieren:


    Ich habe die Frage gestellt, weil sie mich ganz einfach interessiert hat. Weil ich wissen wollte, wie ABBA-Fans zu dem Thema stehen. Und weil sich zuvor noch kein einziger ABBA-Fan online zu genau diesem Thema geäußert hatte, weil die Frage eben noch nie im Raum stand.


    Im wesentlichen entstand das Ganze aus Diskussionen mit anderen Musikern über Tributebands und den für einen gewissen Realismus notwendigen Aufwand. Bei ABBA ist der natürlich unermeßlich. In dieser Diskussion mußte ich lesen, daß genau das gleiche handelsübliche Equipment, mit dem jeder zweite Coverband-Keyboarder loszieht, ausreicht für den Keyboarder einer ABBA-Tributeband. Daraufhin erklärte ich, daß das mitnichten das Nonplusultra sei, daß es statt dessen gleich diverse Stufen höherer Originaltreue gäbe, und daß es meines Erachtens tatsächlich gerechtfertigt ist, den größten Aufwand zu betreiben, den man irgendwie betreiben kann, gerade bei etwas so aufwendigem wie ABBA.


    Wenn man sich Tributebands in anderen Bereichen ansieht (Pink Floyd, die frühen Genesis, Toto, Rush, um nur vier Beispiele zu nennen), dann ist es da so, daß von einer Tributeband wirklich auch von Seiten der Fans erwartet wird, daß sie alles, aber auch alles bis ins letzte Detail haarklein dem jeweiligen Original nachahmen. Da spielen Nuancen in der Charakteristik bestimmter Synthesizer derart tragende Rollen, daß nicht selten mit exakt dem gleichen Equipment getourt wird wie das Original vor 40 Jahren – Equipment, das seit über 30 Jahren nicht mehr gebaut wird. Aber das muß eben sein, um die Ansprüche der Fans zu erfüllen – und auch, um sich im ständigen Realismus-Wettrüsten einen Vorteil zu verschaffen, denn in diesen Bereichen ist es üblich, Konzerte der Originale bis zum letzten Scheinwerfer 1:1 nachzubauen.


    Bei ABBA dagegen war es mir (und ist es mir im Grunde immer noch) unbekannt, wie die Ansprüche der Fans jenseits des Gesangs, der Choreographie und der Kostüme sind. Es wird ja kaum darüber diskutiert. So sah ich mich konfrontiert mit der Aussage, daß den ABBA-Fan das nicht interessiert, die aber durch nichts untermauert wurde. Das konnte ich mir nicht vorstellen, daß ABBA damals einen dermaßenen Heidenaufwand betrieben haben, um diesen durchgestylten, hochgezüchteten, überproduzierten Sound zu bekommen, und den Fans ist es dann egal, wie gut eine Tributeband den hinbekommt.


    Also wollte ich es genau wissen. Und wie erfährt man das am ehesten? Indem man die ABBA-Fans selbst fragt.


    Eins war mir dabei aber klar: Ich werde es hauptsächlich mit Laien zu tun haben – im Gegensatz zu englischsprachigen Fanforen gewisser Progrock-Fans, wo sich so einiges an erfahrenen und wirklich perfektionistischen Musikern tummelt. Mir war zum einen klar, daß kaum ein ABBA-Fan jetzt genau sagen kann, was er gern wie genau hätte, weil er sich mit der musiktechnischen Seite gar nicht auskennt, und daß er von daher auch nicht das geschulte Gehör eines Musikers hat.


    Zum anderen mußte ich damit rechnen, daß so manch ein ABBA-Fan sich blauäugigerweise wünschen wird, daß Tributebands auch beim Instrumentalbacking exakt wie von der Platte klingen – eben weil er nicht weiß, daß das ein kaum zu bewältigender Aufwand ist. Pink Floyd 1971 waren ein Kindergeburtstag im Vergleich zu ABBA 1981.


    Daher mußte ich zusätzlich erklären, wie aufwendig das Ganze werden kann, daß es gewisse Nebeneffekte mit sich bringt, die sich nicht ausschließlich positiv auswirken, und daß man wählen muß zwischen a) klanglichem Realismus, b) absolutem Livespiel und c) einem vertretbaren Aufwand. Es geht also nicht, daß da eine sechsköpfige Band (ABBA + Drummer + Bassist) auf der Bühne steht und ohne jegliche Art von Zuspieler alles per Hand spielt, und dann klingt es ganz genau wie ABBA im Studio.


    Ich wollte schlicht und ergreifend Antworten von ABBA-Fans auf die Fragestellung:


    Muß eine Tributeband, um einen ABBA-Fan zufriedenzustellen, alle Register des irgendwie technisch Machbaren ziehen, so groß der Aufwand auch sein mag, um bis ins kleinste Detail den Originalsound (womöglich den Studiosound) von ABBA zu reproduzieren? Muß sie auf einem derart hohen Niveau fahren (und wenn ja, auf einem wie hohen Niveau)?


    Oder wäre, überspitzt ausgedrückt, alles jenseits von üblichem Mucker-Standardbesteck Perlen vor die Säue, weil im Publikum einer ABBA-Tributeband niemand den Unterschied bemerkt?


    Ich wollte im Prinzip nur in der Lage sein, wahrheitsgemäß zu sagen: Ja, in einer ABBA-Tributeband ist ein hoher technischer Aufwand für einen hohen klanglichen Realismus tatsächlich gerechtfertigt. Ja, es ist tatsächlich gerechtfertigt, für Bennys Minimoog-Sounds einen Minimoog-Klon zu verwenden statt einfacher, generischer, weniger realistischer Lösungen. Ja, mit dem Unterschied kann man den ABBA-Fan zufriedenstellen.


    Leider mußte ich im Zuge dieses Threads feststellen, daß wohl die meisten ABBA-Fans mit der ganzen Fragestellung nichts anfangen können – bzw. der überwiegende Teil Tributebands gleich komplett ablehnt und schon von daher keine konstruktiven Antworten geben kann.


    Noch einmal zum Mitmeißeln: Ich wollte nie selbst in einer ABBA-Tributeband spielen. Das habe ich in diesem Thread auch nie behauptet, daß ich das je wollte. Der Aufwand, um allein meine Ansprüche zu erfüllen, wäre unbezahlbar, und die Zeit, die ich hätte, um mir zwei, drei Stunden Repertoire draufzuschaffen, bräuchte ich für einen Song.


    Ich wollte nur eine Grundlage zum einen zur eigenen Einschätzung von Tributebands im ABBA-Bereich und zum anderen zur Beratung von Keyboardern, die in ABBA-Tributegeschichten spielen müssen oder wollen.



    @bodoka: Du sagst, ABBA – The Show sei vom Instrumentensound her, und ich zitiere wörtlich, "sehr nah am Original"?


    Das sehe ich komplett anders – siehe meine Rezension vom Konzert am vergangenen Dienstag. Mir tat es schon regelrecht weh, mit anhören zu müssen, wie weit sie – noch dazu unnötigerweise – vom Original entfernt waren. Und ganz ehrlich, das Orchester trug zum Realismus genau gar nicht bei, wenn es bei Stücken mitspielte, die im Original überhaupt kein Orchester haben, sondern überwiegend Synthesizer ("Eagle", "Super Trouper" etc.). Und von den Synthesizersounds, die tatsächlich gespielt wurden, war einer von der CD abgesamplet und die anderen mehr oder weniger (meist mehr als weniger) für den Eimer, obwohl die Besetzung mit den vorhandenen Geräten weit näher an ABBA hätte herankommen können.


    Aber wenn es der allgemeine Konsens unter ABBA-Fans ist, daß das trotzdem absolut so klingt wie ABBA damals bzw. von ABBAs tatsächlichen Aufzeichnungen und Auftritten nicht mehr zu unterscheiden ist – bitte, dann habe ich meine Antwort.

    Nach einer ungewöhnlich langen Setpause ging es weiter. Das im Programmheft angedeutete "Hole In Your Soul" wurde übersprungen, statt dessen setzte man ein mit "Summer Night City", das recht unspektakulär einsetzte. Man spielte also weder die Studiofassung noch die Wembley-Fassung mit ihrem opulenten GX-1-Intro. Der zwischendurch gespielte Leadsound klang wieder stark daneben, was durch das mitspielende Orchester weder verbessert noch hinreichend kaschiert wurde. Daß die oktavierten elektronischen Strings fehlten, muß eigentlich schon gar nicht mehr erwähnt werden. Auch stimmten den ganzen Song über die Drums nicht mit der Studiofassung überein: Der Drummer spielte auf der Hi-Hat eine einfache Achtelfigur statt die originale markante Sechzehntelfigur mit sich öffnender Hi-Hat auf der 1u und der 3u.


    "Take A Chance On Me" folgte und gab auch wieder reichlich Anlaß zur Kritik. Der Gesang war nicht angemessen gemischt (die Herren waren zu leise). Daß wieder keiner der elektronischen Klänge paßte, muß schon fast nicht mehr erwähnt werden, aber bei der Sechzehntelfigure als Überleitung aus dem Intro fiel es eben wieder sehr auf. Und der Drummer spielte die Bassdrum nur auf 1 und 3, obwohl diese in der originalen Studioversion four-to-the-floor gespielt werden.


    Was folgte, war eine Art Doppelnummer: Es begann mit "The Winner Takes It All", gesungen natürlich von "Agnetha" (hervorragend gesungen übrigens), die auf einem kleinen schwarzen Podest stage left am vorderen Bühnenrand unterm Spotlight stand. Irgendwie fielen hier die etwas sehr prägnanten, will sagen, lauten unteren Mitten auf (ca. 200 Hz), aber das kann auch der PA geschuldet sein. Zwischenzeitlich stieg der Song um auf "One Man, One Woman", gesungen von "Frida" mit der gleichen Solo-Hervorhebung, aber stage right. Im Laufe dieser Songkombination wurde noch zweimal gewechselt.


    Daraufhin war ein "symphonisches Medley" angekündigt, was eine reine Orchesterdarbietung versprach. Tatsächlich spielte wieder die ganze Band außer den beiden Leadsängerinnen, die im Laufe des vorigen Songs jeweils am Schluß ihres Part über Treppen hinter den Risern zum abermaligen Kostümwechsel in den Backstage verschwunden waren. Dieses Medley schloß von vornherein eine realistische ABBA-Replik aus und wurde daher genutzt für Songs, vor deren realistischer Replizierung man verständlicherweise wieder kapituliert hat: "The Visitors", "Lay All Your Love On Me" und "When All Is Said And Done". Die letzteren beiden wurden streckenweise von den Backgroundsängerinnen gesungen, ersteres war vollinstrumental. Daß das letzte ABBA-Album überhaupt abgedeckt wurde, grenzte schon an ein Wunder; daß Songs daraus nicht im Originalarrangement gespielt wurden und werden konnten, war klar.


    Gerade "LAYLOM" war in meinen Ohren klanglich eine ziemliche Entgleisung. Auffallendstes Beispiel war dieser Blipsound, der besonders über die Strophen gespielt wurde: zu laut, völlig fehlendes Hochpaßfilter, der Klang war daher in tieferen Frequenzen zu präsent und insgesamt zu laut, und der Versuch, die rasant schnellen, naturgemäß exponentiellen Hüllkurven der Yamaha GX-1 (bis heute der analoge Polysynth mit den schnellsten Hüllkurven überhaupt, geht bis auf ca. zwei Hundertstelsekunden Gesamtzeit, höchstens einige sehr wenige Monosynths sind noch schneller) mit einem generischen Digitalsynth nachzuahmen, die nicht nur fast immer linear sind, sondern gleichermaßen naturgemäß nie so rasant ausfallen können wie analoge, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt – der Sound klang viel zu lang. Natürlich wurde auch der Klangcharakter weder der GX-1 noch ihrer abmikrofonierten Tonkabinette mit Röhrenverstärkern getroffen.


    "Dancing Queen" setzte daraufhin direkt mit dem Rhythmus ein; das eigentliche Intro kam etwas später nach einer gesprochenen Einleitung. Über die Authentizität des Leadsound in den Strophen (bzw. deren Mangel) sage ich mal nichts.


    "Gimme! Gimme! Gimme!" war tatsächlich noch enttäuschender, als selbst ich erwartet hätte. Daß ich in der zweiten Hälfte des Intro den liegenden Baßklang mit dem sich langsam öffnenden und schließenden Filter nicht einmal verorten konnte, spielte kaum mehr eine Rolle angesichts des flötenartigen Leadsound in den Instrumentalpassagen. Der klang nicht wie Bennys ARP Odyssey, der an der originalen Studioversion beteiligt war (Benny hatte übrigens einen sehr frühen, sehr seltenen Mk II Mod. 2910 mit der Technik eines Mk I, die sich drastisch anders anhört als die späten 2910, die übrigen Mk II und alle Mk III). Das klang auch nicht wie eine Emulation. Das klang auch nicht wie der Versuch, die Einstellungen des Odyssey auf einen anderen Synth zu übertragen. Das klang nicht mal wie der Versuch, es wirklich auch nur halbwegs wie einen frühen Odyssey klingen zu lassen. Noch dazu war der Sound im Gesamtmix viel zu laut und zu prägnant, die im Original unisono mitgespielte Yamaha-SS-30-Stringmachine wurde überhaupt nicht bedacht, obwohl sie die Situation etwas hätte entschärfen können – und mittels eines spezialisierten Softsynth praktisch 1:1 klonbar gewesen wäre –, und wohl weil das Ganze so grausam klang, wußte der Keyboarder nach dem ersten Refrain nicht mal, in welcher Oktavlage er nun spielen sollte, und sprang unschlüssig hin und her – zum Glück fing er sich später wieder. Auch der Synthbaß vor jeder Strophe und im Baßzwischenspiel mit seinem resonierenden Filter, von der Filterhüllkurve charakteristisch zum Schmatzen gebracht, fehlte hier völlig. Dafür hatte der Song eine Reprise.


    "Super Trouper" war auch nicht wirklich überzeugend. Der Gesang war vereinfacht, der Synthbaß im Refrain war zu fett (eine GX-1 hat keine 24-dB-Filter, bitteschön), und der Drummer spielte ebenfalls im Refrain mal wieder die Bassdrum nur auf der 1 und 3 statt four-to-the-floor und auf der Hi-Hat Achtel statt Sechzehntel, was wenig auffiel, weil das Schlagzeug insgesamt zu leise gemischt war. Ich dachte mir an der Stelle: Wenn sie schon ein opulentes volldigitales Mischpult mitbringen, können sie dann keine songbezogenen Einstellungen speichern?


    Mit "So Long" sollte das Publikum verabschiedet werden – Nonsens, wenn die Setlist im Programmheft noch mehr Songs auflistet, aber egal. Man versuchte gar nicht erst, das Originalintro zu imitieren, sondern brachte ein verlängertes Intro mit Ulf Andersson am Saxophon.


    Erste Zugabe war "Does Your Mother Know". Das Original wurde gespielt mit einem Werkssound der GX-1, der Benny erst zu dem ganzen Song inspirierte. Waterloos Keyboarder tat das beste, was er machen konnte: Er hatte das Intro von der CD abgesamplet, aber so, daß er es händisch spielen konnte. Das dürfte der originalgetreueste Synthesizersound des ganzen Abends gewesen sein, besonders wenn er sich die Mühe gemacht hatte, alle drei Noten einzeln zu samplen und nicht einfach eine zu samplen und die anderen beiden nach unten zu pitchshiften, weil das geringfügig, aber tatsächlich zu langsame Hüllkurven verursacht hätte. Außerdem verließ er später im Song seinen Platz und lieferte sich ein Saxophon-Duell mit Ulf.


    Dann kam "Waterloo". Waterloo dürften die einzige ABBA-Tributeband sein, die diesen Song – nach dem sie sich benannt haben – statt an den Anfang der Setlist in den Zugabenblock packen; das heißt, es wurde ja schon zum Abschluß des ersten Set angeschnitten, aber nicht ausgespielt. Bis hierhin waren die beiden Leadsängerinnen übrigens noch nicht wieder aufgetaucht; als sie wieder auf der Bühne erschienen, sahen sie genau aus wie Agnetha und Frida 1974 in Brighton. Technisch war die Nummer wie die anderen frühen ABBA-Stücke anspruchslos, daher keine gesonderte Kritik von mir. Ach ja: Eingeleitet wurde das Stück vom Orchester mit der Eurovision-Titelmelodie. Auf die Idee muß man auch erst kommen. Außerdem wußte ein erheblicher Teil des Publikums auf Frage der Band hin, welchen Titel ABBA damals in Brighton spielten, die richtige Antwort – entweder Allgemeinwissen, oder es waren wider Erwarten sehr viele ABBA-Fans anwesend.


    Die endgültige Schlußnummer hätte kaum besser gewählt sein können: "Thank You For The Music". Das Piano am Anfang war leider trocken gemischt; für mehr Realismus hätte ein Raumhall, vielleicht auch ein bißchen Chorus geholfen. Leider fehlte bei dem wenigen Synthmaterial, das hier zum Einsatz kam, wieder jegliche Nähe zum Originalsound aus dem Polymoog.


    Soweit meine detaillierte Rezension. Ich hätte sicherlich noch mehr schreiben können, aber das war alles, was ich in Erinnerung und an Notizen hatte, und das war das, was mir in dem Augenblick wichtig war.



    Noch einmal die Setlist:


    Set 1

    • (Helicopter Intro)
    • Tiger
    • Ring Ring
    • He Is Your Brother
    • Mamma Mia
    • Knowing Me, Knowing You/Money, Money, Money
    • S.O.S.
    • Acoustic Medley:

      • I Have A Dream
      • Slipping Through My Fingers
      • Honey Honey
      • One Of Us
      • Our Last Summer


    • Voulez-vous
    • I Do, I Do, I Do, I Do, I Do
    • Eagle
    • On And On And On
    • Medley:

      • King Kong Song
      • When I Kissed The Teacher
      • Rock Me
      • Angeleyes
      • Kisses Of Fire
      • As Good As New


    • Outro (Waterloo)


    Set 2

    • Summer Night City
    • Take A Chance On Me
    • The Winner Takes It All/One Man, One Woman
    • Symfonie Medley:

      • The Visitors
      • Lay All Your Love On Me
      • When All Is Said And Done


    • Dancing Queen
    • Gimme! Gimme! Gimme!
    • Super Trouper
    • So Long


    Zugaben

    • Does Your Mother Know
    • (Eurovision Intro)
    • Waterloo
    • Thank You For The Music

    Zum National Symphony Orchestra, das den überwiegenden Teil des Konzerts über mitspielte, sei gesagt: Für das Material der letzten drei Alben und erst recht für die Versatzstücke des nie vollendeten zehnten Albums wäre ein Orchester fehl am Platze, wenn es der Band wirklich um kompromißlose Originaltreue ginge, und statt dessen ein opulentes Synthesizersetup mit zwei bis drei weiteren Keyboardern notwendig – je später das Album, desto mehr. Spätestens The Visitors war nahezu vollelektronisch, und die sechs darauf noch folgenden Songs hatten Björn eigentlich nur noch als Texter und vielleicht noch Sänger und nicht mehr als Gitarrist, weil sämtliche instrumentalen Backings von Benny elektronisch produziert wurden – ABBA waren ab 1981, spätestens ab 1982 lupenreiner Synthpop.


    Allein ABBAs früheres Material macht ein Teilorchester notwendig, aber gerade die ersten beiden Alben sind nicht gerade populär, und selbst da wären die Flöten deplaziert gewesen. Viele Fans favorisieren außerdem die späten, in den Polar Studios bis zum Gehtnichtmehr überproduzierten, synthesizerlastigen Alben, die 100% händisch live nachzuspielen annähernd unmöglich ist. Jedenfalls – auch wenn es für sich genommen nicht schlecht klang, trug das Orchester eher dazu bei, den Sound von ABBA – The Show von ABBA selbst weiter zu entfernen, statt sich ihm weiter anzunähern.


    Um etwas Positives zu schreiben: Die Sängerinnen waren sehr gut. Nicht nur hatten sie eine extreme Ähnlichkeit mit Agnetha und Frida und obendrein (naturgemäß) einen echten schwedischen Akzent, sondern auch stimmlich waren sie sehr überzeugend. Daß sie nicht zu 100% wie die Originale klangen, war klar, aber sie waren schon sehr nah dran.


    Der Gesamtsound war auch sehr opulent, auch wenn der Mix (trotz eines riesigen programmierbaren Digitalpults – Soundcraft Vi6) nicht immer ganz optimal war. Nur – wie die versprochene, in allen Bereichen nahezu perfekte ABBA-Replik klang es nicht.


    Das Programmheft spoilerte übrigens die Setlist vorab – und zwar inklusive sämtlicher Zugaben. Typisch: Aus der Super Trouper war einzig der Titelsong als nicht zwingend umarrangiert angekündigt; The Visitors und das Post-Visitors-Material, das dereinst Opus 10 hätte werden sollen, waren beide nicht vertreten. Aber gut – von so einer Besetzung kann man keine perfekte Replik von "The Day Before You Came" oder "Like An Angel Passing Through My Room" erwarten, auch weil gut 90% der auf der Bühne Anwesenden (Drummer, Bassist, alle Gitarristen, alle Sängerinnen außer einer oder zwei, das komplette Orchester) nichts zu tun hätten, derweil die Elektronikfraktion alle Hände voll damit zu tun hätte, auch noch das letzte kleine Detail des aufwendig produzierten Synthesizer-Backings abzufahren und selbst Drums und Percussion maschinell erzeugt würden – zwar Playback im weitesten Sinne, aber authentisch, weil ABBA damals selbst schon mal eine Drummachine einsetzten.


    Opener war "Tiger", sozusagen ein "Australian Opening" – so manch ein Fan wird das als "großes Tennis" empfinden, daß zur Abwechslung nicht mit "Waterloo" eröffnet wurde. Schon in diesem Song wirkte das Orchester wie ein Fremdkörper, wenn man wirklich mit einer absolut authentischen ABBA-Replik rechnete. Das tat ich nicht wirklich, aber wie gesagt, die Selbstbeschreibung der Show suggerierte das. Der zweite Song war schon eine ziemliche Überraschung: "He Is Your Brother".


    Bei "Mamma Mia" fiel mir zum ersten, aber nicht zum letzten Mal auf, wie weit – zumindest in meinen "geeichten" Ohren – die Synthesizersounds von ABBAs Studioaufnahmen entfernt waren, obwohl sie mit denen eigentlich hätten identisch sein müssen. Das traf schon auf das Intro zu. Noch dazu leistete man sich den Fauxpas, daß der Gitarrist einen Vierteltakt (!) zu früh einsetzte und die bereits spielenden Musiker entsprechend reagieren mußten.


    "Knowing Me, Knowing You" setzte dann fort mit den geradezu schmerzhaft mißlungenen Synthsounds. Der Sound, mit dem in den Strophen die Akkorde gespielt wurden, stimmte fast komplett nicht – zu stark zupackendes 24-dB-Filter mit zuviel Resonanz und gänzlich deplazierter Modulation durch eine Hüllkurve, wohl auch die falschen Oszillator-Wellenformen, Velocity-Abhängigkeit, wo keine hingehört, und so weiter. Statt des originalen, leicht hohl wirkenden Sounds gab es dumpfes Blubbern. "So genau wie möglich" ist das nicht. Und das war mitnichten das einzige, was bei dem Song nicht paßte, aber es fiel mir eben besonders auf. Selbst der Gesang wurde im Refrain vereinfacht, wohl auch, weil nur fünf Sängerinnen zur Verfügung standen, es aber mindestens sieben gebraucht hätte.


    Auch bei "Money, Money, Money" stimmte wieder vieles nicht, ohne jetzt zu sehr ins Detail zu gehen – ich bräuchte eine Videoaufzeichnung mit gutem Ton (direkt vom Mischpult abgenommen und nicht vom Handymikrofon), um detaillierter schreiben zu können. Wieder einmal auf jeden Fall spielte der zweite Keyboarder gewisse Sachen mit Anschlagdynamik, wo gar keine hingehört.


    "S.O.S." war in einer Hinsicht eine Überraschung: Bis zum instrumentalen Zwischenspiel wurde der Song schwedisch gesungen. Das zweistimmige Minimoog-Arpeggio vor den Refrains war bis dahin noch der glaubwürdigste Sound, aber so wirklich nach einem Minimoog klang das auch nicht – auch da hätte man noch optimieren können. Viel schlimmer: Meines Erachtens wurde das Original auf einem Yamaha CP-70 (elektrischer Flügel) gespielt, hier war aber ein akustisches Piano zu hören, noch dazu ohne den eigentlich obligatorischen Flanger.


    Darauf folgte ein angeblich "akustisches" Medley, das gar nicht wirklich akustisch war. Die vier eigentlichen "ABBA-Mitglieder" setzten sich am vorderen Bühnenrand auf Barhocker, wurden aber sehr wohl von fast allen anderen Musikern begleitet – inklusive dem zweiten Keyboarder, also elektronisch. Darin enthalten war auch "I Have A Dream" – wie A4u hatten Waterloo vor dem Aufwand kapituliert, den eine wirklich authentische Nachbildung dieses Stücks bedeutet hätte (die diversen markanten GX-1-Sounds und vor allem der Kinderchor), und setzten statt dessen auf eine reduzierte akustische Version.


    Ulf Andersson wurde angekündigt und betrat die Bühne saxophonspielenderweise, kaschierte dabei die naturgemäßen Abweichungen zwischen der Studioversion und dieser Coverversion von "Voulez-vous". Darin hat ein Saxophon eigentlich nichts zu suchen, aber Waterloo haben 1996 mal einen ganzen Gig mit Begleitung durch Ulf Andersson gespielt. Außerdem, was will man sagen gegen ein mehrminütiges Saxophonsolo als Intro, außer daß es nicht original ABBA war? Zum einen fielen mir wieder mehr oder minder vermeidbare klangliche Abweichungen auf: Die "perligen" Akkorde in den Strophen wurden mit einer Art Glöckchensound gespielt, der meines Erachtens ziemlich unpassend war – im Original dürfte es ein obertonreiches Gemisch auf Oszillatorseite gewesen sein, in hohen Frequenzbereichen angereichert durch ein weit offenes, resonierendes Tiefpaßfilter und untenherum per Hochpaß leicht ausgedünnt, aber auf der Voulez-vous dominierte die GX-1, die wie schon mehrfach gesagt sehr schwer zu emulieren ist. Noch dazu wurden die Akkorde zu langsam aufgelöst, das waren fast schon Sechzehntel, während es im Original meines Erachtens noch schneller ist als Zweiunddreißigstel. Außerdem fiel der leicht verunglückte Mix auf: Die Drums waren merklich zu leise.


    "I Do, I Do, I Do, I Do, I Do" erwies sich im Vergleich zu den synthlastigen, überproduzierten Spätwerken, die den Großteil der Setlist ausmachten, als pflegeleicht, und gerade dieses Stück konnte von Ulf profitieren. Ganz optimal lief es aber auch nicht ab: Das Timing des Gesangs im Refrain an der Stelle, an der der Titel genannt wird, war zwar synchron, aber synchron holprig und ungleichmäßig. Die Sängerinnen fingen immer an mit glatten triolischen Vierten, um dann schlagartig kurz anzuziehen, um annähernd zeitgleich mit dem Original zu enden, das eher polyrhythmisch anmutet.


    "Eagle" war als nächstes angekündigt, und schon der Blick ins Programmheft verriet mir, daß Waterloo beim Versuch, diesen Song bis ins Detail exakt wie ABBA klingen zu lassen, mit Wucht auf die Schnauze fliegen werden. An sich klang "Eagle" nicht schlecht, aber gerade im Intro und in den Strophen ausgedünnt und natürlich nicht exakt wie ABBA. Der Grund lag genau da, wo ich ihn von vornherein vermutete – bei dieser perkussiven, an ein Saiteninstrument erinnernden Adlib-Begleitung, die Benny in der originalen Studiofassung auf dem Polymoog spielte. Weil es unmöglich ist, diesen Sound mit irgendetwas seit 1980 (geschweige denn in den letzten 10 Jahren oder gar aktuell) Gebautem so nachzubauen, daß er klingt wie auf dem Album, hat man den Part gleich ganz gestrichen, und zwar ersatzlos. Leider war auch der Versuch, den kleinen synthetischen Flöteneinwurf (meines Wissens ARP Odyssey) zu replizieren, gescheitert. Nicht nur klang es nicht ansatzweise wie ein früher Odyssey, sondern selbst das Bending am Ende wurde unterlassen. Sogar der Gesang von "Eagle" wurde vereinfacht, und zwar im Refrain.


    Als es zum instrumentalen Ende hin ging, erinnerte das Stück mich für ein paar Sekunden an "Flesh For Fantasy", bevor ein langes Gitarrensolo folgte. Erst ganz am Schluß sangen die Sängerinnen den Refrain dann richtig.


    Zu "On And On And On" kann ich nur sagen, daß mir da Klänge auffielen, die zu ABBAs Zeiten niemand je gespielt hätte, zumindest nicht ABBA selbst, und die auch für ABBA-Verhältnisse zu harsch und digital waren.


    Als letzte vollwertige Nummer vor der Setpause folgte ein zweites Medley. Als interessantes Detail wurde in "When I Kissed The Teacher" an einer Stelle kurz ein Delay auf den Gesang gelegt.


    (Fortsetzung folgt)

    Hier nun meine Rezension:


    ABBA – The Show, Hamburg, O₂ World, Dienstag, 03.03.2015



    ABBA – The Show also. Dieses Konzert soll meinen winterlichen ABBA-Tribute-Dreisatz vervollständigen. Sollen aller guten Dinge drei sein? Und selbst wenn – wer meine anderen beiden Rezensionen kennt, weiß, daß ich kein kritikloser Fanboy bin, der den Tribute-Acts Honig ums Maul schmiert, sondern die Shows mit der Skepsis eines (auch bühnen-)erfahrenen Musikers betrachte. Und gerade ABBA – The Shows Werben mit Authentizität in allen Bereichen bis hin zum Instrumentensound war für mich regelrechtes Verriß-Lockmittel.


    Die selbstbetitelte "größte ABBA-Tribute-Show aller Zeiten" spart ja nicht gerade mit Superlativen. "…ganz so, als stünden ABBA selbst auf der Bühne" – gut, das behaupten viele Bands von sich. Die dpa spricht von der "perfekten Illusion". Ich hingegen weiß, daß das höchstens bei Laienohren funktionieren kann – nicht aber bei einem geschulten Gehör.


    Ein weiteres Zitat aus dem Programmheft: "Besonders wichtig ist es 'Waterloo', den Sound der Band so nah wie möglich am ABBA-Original zu halten, ohne dafür Playback-Aufnahmen einspielen zu müssen." Tja, "so nah wie möglich" wird ab der Arrival, spätestens aber ab der Voulez-vous mit zwei Keyboardern und ohne Zuspieler sehr viele klangliche Kompromisse erfordern.


    Im Vergleich zu dem, was A4u im Kleinen Saal der Laeiszhalle boten, oder zu der Veranstaltung in Lübeck war die Bühne gründlich gefüllt, stage left und right mit gestuften Risern fürs Orchester (kein 60köpfiges Symphonieorchester, wie es andere Künstler schon haben auffahren lassen) und die anderen Nicht-Frontmusiker inklusive dreier Backing-Sängerinnen und dazwischen mit einer etwa zwei Meter hohen Treppe. Zur Abwechslung sollte das definitiv keine Playbackshow werden, aber das hatte das Programmheft ja auch angekündigt. Über allem hingen drei gerahmte LED-Wände, umgeben von beweglichen LED-Strahlern.


    Waterloo brachten zwei Keyboarder mit. Für die perfekte händische Reproduktion von ABBAs spätem Studiosound bräuchte es vier oder fünf, dies noch einmal am Rande bemerkt. Aber hier wurde schon etwas respektableres Material aufgefahren. Den "Benny"-Platz stage left zierte ein leeres weißes Stutzflügelgehäuse. Anstelle der Klaviatur saß ein wohl schon nicht mehr ganz neues Stagepiano unbekannter Art, darüber eine sich harmonisch ins Flügelgehäuse einfügende Korg M3-73 (die eine EXB-RADIAS oder gar einen daneben montierten leibhaftigen Korg Radias vermissen ließ) und zur Rechten ein MacBook (das den Radias eh überflüssig hätte machen können). Der zweite Keyboarder schräg dahinter auf dem Riser nutzte eine Korg Triton Extreme 76 als Masterkeyboard für ein weiteres MacBook zu seiner Linken. Als Masterkeyboard – die eingebauten Röhren hätte er in Verbindung mit den Audioeingängen eventuell nutzen können als Teil der Emulation der TX-II-Lautsprecherkabinette, über die Bennys Yamaha GX-1 lief und heute noch läuft. Übrigens war er in Personalunion zweiter Saxophonist nach dem ABBA-Mitmusiker Ulf Andersson.


    Jedoch hat keiner von den beiden die konkreten Instrumente, die Benny damals im Studio verwendete, auf dem höchsten verfügbaren technischen Niveau nachgeahmt, dann hätte die Show anders geklungen. Das wäre in gewissen Fällen auch schwierig gewesen – es gibt weder den ARP Odyssey Mk I (okay, Bennys Odyssey war nur technisch ein Mk I) noch den Moog Polymoog Synthesizer Mod. 203a als Softsynth, geschweige denn in der "Täuschend echt"-Klasse eines U-he Diva. Ein Softsynth, der die Yamaha GX-1 vollumfänglich en détail emulieren soll, befindet sich meines Wissens noch im Auftrag von Aphex Twin in Entwicklung, und ob der dann nur von ihm genutzt oder für die Öffentlichkeit in den Handel gebracht wird, weiß ich ebensowenig, wie ob dessen Authentizität bis in Extrembereiche auf dem Niveau der besten Vintage-Synth-Emulationen liegen wird, oder ob er so Feinheiten besitzt wie an sich polyphone Filter in originalgetreuer Yamaha-Charakteristik in der richtigen Verschaltungsreihenfolge (gegenüber dem CS-80 umgekehrt!), die immer gemeinsam gleichermaßen von einer paraphonen, also für alle Stimmen gleichzeitig zuständigen Filterhüllkurve moduliert werden. Gerade im ABBA-Umfeld wäre eine nicht originalidentische Umsetzung dieses Bereichs ein Dealbreaker.


    Keins der genannten Instrumente läßt sich überdies mit handelsüblichem Material so nachahmen, daß selbst für einen Experten kein Unterschied mehr hörbar ist; allenfalls hochaufwendige Eigenkonstruktionen in z. B. Native Instruments Reaktor, wie sie nur absolut synthesizeraffine Vollnerds zustandebringen, mit entsprechend hohen Leistungsanforderungen an den Rechner könnte ich mir in manchen Fällen einigermaßen authentisch vorstellen, und am Polymoog mit seiner Oktavteilertechnik wird meines Wissens auch Reaktor scheitern. Noch dazu lief die GX-1 nie (weil das technisch gar nicht möglich ist) und der Polymoog häufig genug nicht direkt ins Pult, sondern wurden über externe Verstärker abmikrofoniert, beim Polymoog mit seinem hohen Rauschanteil war noch weiterer Aufwand nötig, und auch diese Signalketten müßten entsprechend nachgebaut werden, um den Studiosound von ABBA nicht nur für den Laien überzeugend zu replizieren.


    Aber ganz ehrlich – auch bei anderen Geräten wurden die heutzutage mittels Software gebotenen technischen Möglichkeiten nicht bis ans Limit ausgereizt. Minimoog-Sounds klangen nicht direkt wie Minimoog, was sehr einfach vermeidbar gewesen wäre (es gibt derartig viele Hard- und Softwaresynthesizer, die den Minimoog emulieren, daß man schon mehr als die Qual der Wahl hat). Pianopassagen, die im Original auf einem elektrischen Yamaha CP-70B eingespielt wurden, wurden hier gespielt mit einem Akustik-Piano-Sound, obwohl nahezu jeder samplebasierte Synthesizer der letzten 20 Jahre mindestens einen fix und fertigen Electric-Grand-Sound gehabt hätte, der schon authentischer gewesen wäre; spezialisierte Sample-Bibliotheken, die die beiden MacBooks ohne weiteres hätten abfahren können, wären noch ein Stück näher dran gewesen. Fast alle Synthesizersounds hätten schon mit dem vorhandenen Besteck weitaus näher am ABBA-Original gebaut werden können. Und obwohl es auch Software gibt, die auf hohem Niveau ganz konkret die Stringmachine Yamaha SS-30 emuliert (statt einfach fertige Samples davon abzufahren oder es durch eine generische Stringmachine zu substituieren; gemeint ist Gforce Virtual String Machine), wurde auch davon kein Gebrauch gemacht. Das waren nicht die fehlenden 10%, geschweige denn das fehlende eine Prozent, das war ganz einfach geschlampt.


    Schon nach vorheriger Lektüre des Programmhefts haben sich meine Erwartungen an die Band nicht verbessert. Zugegeben, "so genau wie möglich" oder "so nah wie möglich" ist an sich schon eine Relativierung – es wird nirgendwo behauptet, die Band klänge mit ABBA absolut identisch, noch dazu mit ABBAs Studiofassungen. Aber das war nicht "so genau wie möglich", da wäre noch viel, viel mehr möglich gewesen, auch wenn – wie gesagt – die exakte Replik in einer Livesituation ein nicht zu bewältigender Aufwand wäre.


    Was hätte gemacht werden müssen für wirklich "so genau wie möglich", aber nicht gemacht wurde: Waterloo hätten in Erfahrung bringen müssen, wie ABBA selbst was gemacht haben, und ich meine wirklich jedes Detail. Und jedes einzelne dieser Details hätten sie dann so exakt reproduzieren müssen, wie es die irgendwie verfügbare Technik erlaubt. Tribute-Acts anderer Künstler oder Bands machen nämlich genau das. Zugegeben, bei diesen anderen Künstlern bzw. Bands ist das mitunter auch besser dokumentiert als bei ABBA.


    (Fortsetzung folgt)

    Setlist mit Anmerkungen:
    Wenn mich etwas positiv überrascht hat, dann war das die Setlist. A4u haben nämlich nicht einfach ein "Best of ABBA" abgeleiert, sondern so manchen Superhit fallengelassen und statt dessen eine Anzahl wenig gespielter bis obskurer Preziosen eingestreut, Songs, die man von einer Tributeband gar nicht erwarten würde, solange diese nicht drei oder vier Stunden Programm machen muß. Leider muß man sagen, daß A4u denjenigen Fans Zuckerlis zugeworfen haben, die nicht mal anwesend waren.


    Vorweg: Es gab wieder keinen ausgespielten Song aus The Visitors (nur die ersten zwei Takte von "Head Over Heels" vom Album selbst) und erst recht keinen vom Opus 10-Material.


    Songs, die kursiv geschrieben sind, wurden nicht von A4u selbst dargeboten, sondern es wurden die jeweiligen originalen Studioaufzeichnungen von ABBA bzw. Murray Head abgespielt.


    1. Set

    • Intro (erste 2 Takte) von Head Over Heels
      Vom Album genommen und geloopt. Die Erwartung, daß ein Song aus The Visitors live (so live, wie man eben war) ausgespielt würde, wurde enttäuscht.
    • Waterloo
      180% aller Tributebands eröffnen damit. Zum Ende noch ein Stück verlängert. Besonders hier klang das Backing sehr nach Tischhupe.
    • SOS
      Hier fiel mir besonders auf, daß das, was "Benny" trieb, nichts zu tun hatte mit dem, was ich hörte. Das Ending setzte leider einen Takt zu spät ein.
    • Mamma Mia
      Unterlegt mit einem House-artigen Groove. An dieser Stelle bemerkte ich, daß der Lichtmensch versuchte, das Licht – besonders die Verschlüsse der Moving Heads – händisch synchron zur Musik zu fahren, aber immer wieder leicht abwich. Ernsthaft, wenn man schon Backings fährt, dann sollte man das Licht dazu automatisieren, dann ist es auch wirklich synchron.
    • Knowing Me, Knowing You
      2 Hi-Hat-Schläge als Einzähler; wie gesagt, auch fürs Publikum hörbar. Auch hier wurde "modernisiert". Bei den Backings wurde merklich gepfuscht – der Gesang im Refrain war unvollständig, und der an den Refrain anschließende Gitarrenpart stimmte auch nicht. Am Ende sangen die vier a cappella weiter und animierten das Publikum zum Mitsingen.
    • Money, Money, Money
      Wieder der obligatorische Eurodance-Beat. Der vierte Akkord im Refrain kam mir jedes Mal ein bißchen off vor. Vor jedem Refrain warf eine der Sängerin "Blüten" mit Bandwerbung ins Publikum.
    • Summer Night City
      Nicht die 1979er Live-Fassung, sondern die Studiofassung. Der Schluß war umgeschrieben und verlängert.
    • Ring, Ring
      An dieser Nummer wurde herzlich wenig verändert. Überraschend, daß eine Tributeband Prä-Waterloo-Material spielt.
    • Why Did It Have To Be Me
      Eine noch größere Überraschung war das Proto-"Happy Hawaii". Eigenartigerweise hatte das Backing bis zum Einsetzen des Instrumentalteils keine Drums.
    • Dancing Queen
      Wieder offensichtliches Playback seitens "Benny". Aber um die Nummer authentisch live zu spielen, bräuchte man, wie ich schon oft angemerkt habe, drei Keyboarder.
    • The Winner Takes It All
      Vom Metronom eingezählt. Die absolute Herausforderung für jede Tribute-Agnetha. Für diese hier bald etwas zuviel, ihre Stimme machte das kaum mit, so daß "Benny" die Hälfte des Gesangs übernahm, angefangen mit der gesamten zweiten Strophe nebst folgendem Refrain – un-ABBA-mäßig und mit variierter Melodie (kein Mann kann so hoch singen außer vielleicht Geddy Lee), aber mit Power.
    • The Piper
      Noch etwas aus dem Bereich "Obskures", die B-Seite von "Super Trouper". Die Sängerinnen hängten sich Capes um und setzten sich entsprechende Käppis auf, und "Frida" griff zu einer schwarzen Blockflöte. Ich glaube nicht, daß sie die wirklich spielen konnte, korrelierte doch wieder das Griffbild nicht mit den gehörten Flötentönen (eindeutig nicht mal wirklich eine Flöte, was da aufgenommen worden war). Was soll's, ein weiterer unerwarteter Song und die letzte Halb-Live-Nummer im Set.
    • One Night In Bangkok
      "Björn" war als letzter noch auf der Bühne und sagte den Song (während des instrumentalen Intros) an, der schlicht und ergreifend in seiner originalen Albumversion abgefahren wurde, während auch er von der Bühne abging.


    2. Set nach der Pause

    • I'm A Marionette
      Wo A4u mit "The Piper" aufgehört hatten, machten sie gleich weiter – mit dem nächsten obskuren Albumsong. Dürfte den albenunkundigen überwiegenden Teil des Publikums ziemlich irritiert haben, weil die Nummer als Setopener nicht angesagt wurde. Alle vier waren für den Song speziell kostümiert, die Herren trugen zusätzlich Masken, und man bewegte sich "mechanisch" (Herumhampeln à la Augsburger Puppenkiste wäre unangebracht gewesen). Hier fielen mir noch am stärksten die Unterschiede zwischen gehörter und gespielter Gitarre auf. Leider wurde der einzelne ¾-Takt vorm Refrain um ein Viertel gekürzt.
    • I Do, I Do, I Do, I Do, I Do
      Obwohl eine Single, dennoch ein Song, den Tributebands gern meiden, weil er damals vernichtende Kritiken bekam, als ABBA noch nicht so groß waren. "Benny" hatte die A4u-Version gründlich umarrangiert, um ihr den Kitsch des Originals auszutreiben, und sang sie auch überwiegend mit umgehängter Keytar. Man könnte sagen, es klang nicht nach ABBA, sondern fast schon besser. Man bekam den Eindruck, daß A4u die ABBA-Arrangements nicht aus Gründen des Realismus verwendeten, sondern weil die praktischerweise eben schon da waren und man sich nicht erst selbst etwas ausklügeln mußte.
    • Fernando
      Wenig zu zu sagen; natürlich hatte Lübeck weiterhin die Nase vorn durch Janne Kling. Am Ende wurde wieder in einem A-cappella-Teil das Publikum zum Singen animiert.
    • I Am The Tiger
      A4u kennen die Australientour bzw. The Movie. Auf dieser Basis wurde der Song von "Frida" angesagt: Eigentlich war er eher unbekannt, aber Agnetha und Frida liebten ihn, und so beschloß man, ihn in Australien als Opener zu nehmen. Und weil die Nummer so gut abgeht, nahmen auch A4u sie ins Repertoire auf.
    • Take A Chance On Me
      "Björn" erzählte dazu die Geschichte, wie der echte Björn beim Joggen auf den Song kam. Ab diesem Song hielt es so manch einen Zuschauer nicht mehr auf den Sitzen, was mir die Sicht erschwerte.
    • Gimme! Gimme! Gimme!
      Folgte fast ohne Pause auf den vorhergehenden Song, was die These der langen Ladezeit für die Backings widerlegte. Wieder offensichtlich kein Zusammenhang beim Tastenspiel erkennbar.
    • Super Trouper
      Die A-Seite wurde nach der B-Seite gespielt, auch interessant.
    • Does Your Mother Know
      Der einzige, der noch nicht solo leadgesungen hatte, war "Björn", der das nun nachholen konnte. "Benny" schnappte sich wieder die Keytar, auf der besonders offensichtlich zu sehen war, daß er nur so tat als ob.
    • Thank You For The Music
      Auch eine B-Seite, aber ein um Meilen größerer Hit als die dazugehörige A-Seite "Eagle" und ein idealer "Rausschmeißer" für am Ende einer ABBA-Setlist.


    Zugaben:

    • Chiquitita
      Hier machten A4u sich gar nicht erst die Mühe, ein Backing einzusetzen, und sangen den um die Hälfte gekürzten Song a cappella zusammen mit dem Publikum.
    • So Long
      Ein Kracher zum Finale. Und nein, so wirklich glücklich war auch hier das Backing nicht geraten, obwohl (oder gerade weil) man sich sehr nah am ABBA-Original orientierte.
    • Hasta Mañana
      Laut A4u eignete sich die damalige Brighton-"Waterloo"-Alternative hervorragend, um das Publikum zum endgültigen Abschluß zu verabschieden, weil Abschiedsgrüße in anderen Sprachen so häßlich klingen. Das hatte etwas von Bookends, "Waterloo" als Opener, "Hasta Mañana" zum Ende.
    • Arrival
      Weil uncoverbar, wurde das Publikum auch hier von den originalen ABBA-Klängen (na ja, die meiste Zeit ist nur Benny auf dem Polymoog zu hören) aus dem Saal geleitet. Angesagt wurde das Stück nicht, und "Arrival", wenn alle gehen, ist auch merkwürdig.

    Irgendwann begann die Show dann mit einem komplett zugespielten Intro. Dieses allerdings verlieh der ganzen Veranstaltung den Anstrich einer Art generischen 70er-Jahre-Retro-Revue, denn es wurde einiges an typischer bis klischeehafter 70er-Jahre-Musik angespielt – durchweg sehr lang übrigens, so daß dieses Intro sich über mehrere Minuten erstreckte –, darunter aber kein einziger ABBA-Song.


    Schließlich kamen A4U auf die Bühne in Kostümen "inspired by ABBA" (also meines Wissens keine Repliken tatsächlicher ABBA-Kostüme), begleitet vom geloopten Intro von "Head Over Heels", direkt vom Album genommen. "Björn" trug, das sei an dieser Stelle vermerkt, eine herzlich wenig glitzernde "Sterngitarre", eine grobe Nachbildung von Björns originaler Malmberg-Customgitarre, aber mit drastisch vereinfachter Technik (1 diagonaler Single Coil kurz vor der Bridge statt der 2 Humbucker im Original). Das in der Gitarre steckende Klinkenkabel führte irgendwo in Richtung von "Björn"s Rücken; seine Kleidung ließ nicht erkennen, ob da ein Wireless-Sender angebracht oder das freie Kabelende an der Hose befestigt und somit neben sämtlichen auch die Gitarre funktionslos war.


    Kurzum: Von der Instrumentenseite her hatten wir es mit Vollplayback zu tun.


    Zumindest die Mikrofone waren definitiv angeschlossen – allesamt hundsordinäre Shure SM58, wie sie einem jeder Backliner vor die Nase stellt, und natürlich am Kabel, was auch schon mal hinderlich wurde. Natürlich haben alle vier gesungen und das nicht mal schlecht, wobei gerade "Agnetha" in sehr große Fußstapfen treten mußte, die ihr manchmal zu groß waren. So manches Mal wurde auch umarrangiert, mußte gar umarrangiert werden, aber A4u geben selbst zu, daß auch sie vor der Aufgabe, den originalen ABBA-Sound zu replizieren, kapituliert haben, indem sie von sich selbst sagen, sie übertragen die Musik von ABBA ins 21. Jahrhundert. Sie versuchten folglich gar nicht erst, wirklich wie ABBA zu klingen, schon gar nicht so detailversessen, wie es andere Tributebands besonders im Progressive-Rock-Bereich tun (The Musical Box, The Australian Pink Floyd Show und so ziemlich jede Rush-Tributeband, die es gibt).


    Entsprechend fielen die Audio-Backings aus. Die hatte ich schon bei A Tribute to ABBA kritisiert, aber das wurde hier noch einmal unterboten. Einige Backings klangen, als hätte man irgendwelche kommerziellen MIDI-Files direkt von der dazugehörigen Alleinunterhalter-Hupe aufgezeichnet. Andere hörten sich an wie 90er-Jahre- oder bestenfalls Frühe-Nuller-Jahre-Dance-Remixes; frei nach dem Motto: Den Original-ABBA-Sound kriegen wir nicht hin, also machen wir was halbwegs eigenes, und um das zu rechtfertigen, bauen wir ein bißchen auf House/Eurodance um. Preisklasse "Give It Up" von Cut 'n Move, falls das noch einer kennt. Zu keinem Zeitpunkt klang es, als wäre da wirklich ein ambitionierter Soundtüftler herangegangen. Zumindest enthielten die Backings bei vielen Songs im Refrain zusätzliche Gesangsspuren, um den Live-Gesang noch weiter anzufetten – im Studio sind ABBA ja später ähnlich vorgegangen, und mit Gesang ist das so einfach zu machen, daß man sich schon wundern muß, wenn eine Band, die Backings verwendet, das nicht macht.


    Die Gruppe hörte sich selbst nur über zwei am vorderen Bühnenrand liegende JBL-Monitore. Die Backings wiederum waren einfache Stereo-Audiodateien, womöglich gar nur MP3s. Zum einen hörten die vier also genau das, was auch das Publikum hörte; es gab keine zusätzlichen Spuren, etwa eine Klickspur zum Einzählen der Backings. Zum anderen verwendeten sie im Gegensatz zu den Kollegen in Lübeck kein In-Ear-Monitoring; es gab wahrscheinlich gar keinen Monitormix (das habe ich beim Abchecken des Saalmischers nicht überprüft – Yamaha EMX5016CF; bitte, wer nimmt einen Powermixer bei so einer Veranstaltung als FoH), und A4u und Publikum hörten immer dasselbe. Folglich kamen sämtliche Einzähler (geschlossenes Hi-Hat oder auch mal schlicht und ergreifend Metronom-Klicken) auch aus der PA. Jeder mit Profi-Ambitionen würde alles tun, um das zu vermeiden; was wir hier hörten, war Hinterhof-Amateur-Niveau.


    Ein trauriges Bild gab der Einsatz der Instrumente ab, zumindest aus den Augen eines Musikers, wie ich einer bin. Auf die Art, wie "Benny" hinter den Tasten herumhampelte, so daß das leichte Masterkeyboard oben auf dem Elektroflügel herumsprang, hätte er nie sauber spielen können, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Nicht nur das, sondern oft genug und um so mehr, je weiter die Show fortschritt, korrelierten seine Bewegungen an den Tasten nicht mit dem, was zu hören war; das heißt, was er auf dem Masterkeyboard und auf der Keytar spielte, hatte überhaupt nichts mit dem Gehörten zu tun. Und ich meine damit nicht nur die Klänge (da stimmte offensichtlicherweise so einiges nicht), sondern schon die gehörten und sichtbar gespielten Noten. "Björn" gab derweil sein Bestes, sein Spiel auf den Gitarren dem Gehörten entsprechen zu lassen, aber auch das gelang nicht immer.


    Was auch auffiel, war, daß zwischen den Songs praktisch immer sehr viel gesprochen wurde, jedes Mal mehrere Minuten. Es wurde erzählt, es wurde gescherzt – anscheinend wurde irgendwie Zeit gewonnen, weil das Laden und Vorbereiten des nächsten Zuspielers vom dafür am FoH-Platz bereitgestellten MacBook Pro aus nicht so schnell vonstatten zu gehen schien. Andererseits ging das auch mal ohne Pause; vielleicht mußte auch irgendwie die Show auf zwei Stunden verlängert werden, denn A4u können ihr Repertoire auch in 90 oder 75 Minuten abfrühstücken statt in zwei Stunden wie an diesem Abend.


    Trotz allem herrschte beim Publikum gute Partylaune. Gut, man merkte schon, daß große Teile des Publikums schon, sagen wir, gesetzten Alters waren. Aber später wurde trotz des vollbestuhlten Saals auf der geringen Freifläche getanzt, und an Begeisterungsbekundungen wurde nicht gespart.


    Wirklich harte ABBA-Fans waren unter den Zuschauern fast keine auszumachen bis auf einen mit selbstgemachtem Fan-T-Shirt. Bis auf ihn, ein paar Angehörige der Musiker und mich als Musikerpolizei gab es im Saal so ziemlich nur den typischen Gelegenheitshörer, der ABBA nur aus dem Schlager-und-Softoldie-Radio in der hier oben inzwischen ausgestorbenen Art von NDR1 (Welle Nord, 90.3, Radio Niedersachsen) kennt und irgendwo neben Smokie und Cliff Richard einreiht, aber kein einziges Album – oder zumindest nicht die komplette Diskographie – besitzt, geschweige denn offizielles oder gar inoffizielles Livematerial. Diese Veranstaltung war Bestätigung genug für mich, daß die Mehrzahl der Hardcore-ABBA-Fans Tributeshows meidet, weil die nicht einmal auch nur in die Nähe der echten ABBA kommen und sie keinerlei minderwertige Surrogate tolerieren. Folglich gibt es sie kaum als Zuschauer bei Tribute-Veranstaltungen.


    Im übrigen gingen A4u – wohl zu Recht – davon aus, daß im Saal keine Musiker sind. Es stimmt schon, im ABBA-Fandom ist die Musikerdichte überraschend gering. Aber auch unter den Gelegenheitshörern, die jeweils nahezu das komplette Publikum einer ABBA-Tribute-Veranstaltung ausmachen, gibt es sie nur sehr selten. So konnten A4u davon ausgehen, daß sie damit unbemerkt davonkommen, nur den Gesang live zu fahren, weil niemand im Publikum den faulen Zauber bemerkt. Na ja, zumindest "Björn" hat versucht, so zu spielen, daß etwaige Gitarristen nicht zu schnell Verdacht schöpfen.

    Überraschungs-Rezension: A4u, Tribute Show mit ABBA For You, Hamburg, Laeiszhalle (Kleiner Saal), 30.01.2015



    Es begab sich aber an jenem Donnerstag, dem 29. Januar 2015, da ich mich zur nächstgelegenen Vorverkaufsstelle begab, eines der letzten noch verfügbaren Tickets mit guter Bühnensicht für ABBA – The Show zu erstehen.


    Ich war gerade dabei, das Ticket – für den allerletzten noch verfügbaren Platz im vorderen mittleren Teil des Parketts – zu bezahlen, da fiel mein Blick auf eine Veranstaltungsliste, die zwischen anderen Papieren neben dem Monitor an der Kasse steckte. In einer Zeile stand etwas von einer "Tribute Show mit ABBA For You". In der Laeiszhalle. Am 30. Januar. Also schon am nächsten Tag.


    Nun ja, ich hatte gerade Geld ausgegeben für eine ABBA-Tributeband, und es waren nur etwas mehr als 24 Stunden bis zu dieser Show, die kaum irgendwo promotet worden war, jedenfalls hatte ich nichts davon erfahren. Ich entschied mich dagegen, gleich auch noch ein Ticket für diese Veranstaltung dazuzukaufen, das hätte etwas seltsam ausgesehen. Bei so geringer Werbung, so schloß ich, wird die Show sicherlich nicht ausverkauft sein; wenn ich also hinginge, würde ich mich der Abendkasse bedienen. Zu dem Zeitpunkt war ich mir aber noch nicht einmal sicher, ob ich überhaupt hingehen würde.


    Am Donnerstagabend recherchierte ich zunächst einmal die auftretende Gruppe. Sie heißt nicht "ABBA For You", sondern A4u, was im Grunde dasselbe meint, aber nicht ausgeschrieben ist. Wenn die wirklich "ABBA" im Namen tragen würden, müßten sie immens Lizenzgebühren dafür zahlen, sofern es ihnen überhaupt gestattet würde. Jedenfalls war es nicht so schwierig, über sie etwas in Erfahrung zu bringen, wie bei der Truppe aus Lübeck, denn A4u haben eine – wenngleich etwas unübersichtliche – Website.


    Diese Website verriet mir ein paar Dinge über die Gruppe. Zum einen war es wieder eine überwiegende Playback-Veranstaltung – A4u sind nicht wirklich eine Band, sie sind nur vierköpfig, lassen also unter anderem einen Schlagzeuger und einen Bassisten vermissen, sie treten sogar nur zu viert auf. Also muß wieder alles, was auf der Bühne an Musikern fehlt, per Audio-Zuspielung ergänzt werden. Das hatte ich ja schon in Lübeck, aber nicht in dem Umfang, daß auch die halbe Rhythmusgruppe fehlt.


    Zum anderen ist diese Gruppe aus irgendeinem Grunde mehrfach preisgekrönt. Der GEDU-Verlag hat sie 2006 und 2009 europaweit zum "Künstler des Jahres, Sparte Revival-Bands" ernannt, außerdem bekam sie 2007 den Fachmedienpreis. Noch einmal: Eine Playbackshow hat Auszeichnungen im europaweiten Vergleich eingeheimst, als wenn es ABBA – The Show und Arrival from Sweden nicht gäbe. Soll das implizieren, daß sie besser sind als diese beiden? Noch dazu hatten sie schon diverse TV-Auftritte – paßt eigentlich, denn wann wird heutzutage im Fernsehen noch wirkliche Livemusik gemacht, sofern es nicht auf 3sat zu Silvester ist?


    Erst am Freitag, also dem Tag der Veranstaltung, beschloß ich: Ich gehe hin. Ich mache die ABBA-Tribute-"Dreierkette" innerhalb eines Winters (die bereits rezensierte Show A Tribute to ABBA knapp zwei Wochen zuvor in der Lübecker MuK, diese Show und ABBA – The Show) komplett, sofern mir nicht noch eine vierte Veranstaltung über den Weg laufen würde.


    Dieses Mal war ich schlauer als in Lübeck: Ich trug dafür Sorge, daß ich während der Veranstaltung Notizen machen konnte, damit ich mich nicht ausschließlich auf mein Gedächtnis verlassen mußte. So hoffte ich, mehr zu konkreten Songs ausführen zu können.


    Das mit der Abendkasse war im nachhinein keine schlechte Idee. Ich erstand ein Ticket im seitlichen Parkett mit leidlich guter Bühnensicht, das im Vorverkauf 69 € gekostet hatte, für nur 40 €. Zumindest sah ich, was ich sehen mußte.


    Es klingt auf den ersten Blick beeindruckend, daß eine ABBA-Tributeband in der Laeiszhalle auftritt, in der an Unterhaltungsmusik sonst nur sehr Hochkarätiges zu sehen ist. Allerdings fand A4us Veranstaltung statt im sogenannten "Kleinen Saal", der einen separaten Eingang und eine entsprechend nicht unbedingt überwältigend große Bühne hat. Eine ortsfeste PA hat der eher für akustische Musik gedachte Saal nicht. Statt dessen sorgte eine PA für den mäßigen Klang, die eher wie das Mitbringsel einer Tanzband als wie Laeiszhallen-Inventar anmutete: Beiderseits der Bühne waren jeweils zwei Electro-Voice-Satelliten gemeinsam auf ein Stativ montiert, das in einem Subwoofer unbekannter Provenienz steckte. Mit glitzernden Höhen war da nicht viel, aber vielleicht bin ich zu sehr verwöhnt von Konzerten eines Künstlers, der sich seine eigene Spezial-Highend-PA hatte entwickeln lassen.


    Auf der Bühne selbst fand sich mehr Lichttechnik als Musikinstrumente. Vier Moving Heads waren an verschiedenen Stellen der Bühne auf kurzen Traversenstücken aufgestellt, an denen vorne zusätzlich zum einen ein LED-Balken und zum anderen eine ausgesägte fünfblättrige Blüte in verschiedenen Farben angebracht waren, bei letzteren war jedes Blatt zusätzlich mit einer 7"-Single diverser Interpreten dekoriert, vermutlich alte Jukeboxware, zu der die Hüllen längst nicht mehr existierten, die somit also billig zu haben war. Das übrige Licht bestand aus den obligatorischen über der Bühne hängenden PAR-Kannen mit Farbfolien.


    Wie gesagt, Schlagzeug und Baß fehlten gänzlich. Zur Linken (vom Publikum aus) waren zwei Gitarren aufgeständert, eine akustische und eine elektrische. Was mich mehr interessierte – und tatsächlich einen näheren Blick wert war –, das war die ABBA-typisch zur Rechten angeordnete Tastenabteilung für "Benny".


    A4u hatten tatsächlich ein Yamaha CP-70B aufgefahren, einen (einigermaßen) mobilen elektrischen Flügel, wie unter anderem auch Benny Andersson ihn selbst einsetzte – bei den 1979er Konzerten, u. a. in Wembley, waren zwei davon auf der Bühne. Aber: Das Ding war nicht angeschlossen. An überhaupt nichts. Die Ausgänge auf der linken, also sogar Teilen des Publikums zugewandten Seite waren alle vier unbelegt. Dafür saß in diesem Anschlußfeld fast mittig eine kleine orange Leuchte, die vor sich hin leuchtete, da aber nicht hingehörte. (Nein, auch der Patch-Ausgang am Bedienpaneel wurde nicht statt dessen als Ausgang verwendet.) Das Anschlußfeld auf der rechten Seite des Flügels enthält den Anschluß für das Netzteil – auch dieser war nicht belegt, so daß das ganze Instrument nicht einmal unter Strom stand. Die rote Kontrolleuchte war durch eine orange von der Art derer zwischen den Ausgängen ersetzt worden; beide waren offensichtlich batteriebetrieben.


    Auf dem CP-70B war ein weißes Masterkeyboard drapiert, das ich beim besten Willen nicht identifizieren konnte. Der einzige Markenname auf dem Gerät war ein Werbesticker des Mikrofonherstellers Shure (der wie bei gefühlten 99% aller Live-Konzerte auch hier sämtliche Gesangsmikros stellte), und Shure baut keine Keyboards. Jedenfalls war es ein augenscheinlich sehr leichtgewichtiges, miserabel verarbeitetes Exemplar (vermutlich irgendeine Hausmarke eines Händlers, made in China), das einen USB-Anschluß a) als MIDI-Leitung, b) zur zusätzlichen Verwendung als Audio-Interface und c) als einzig mögliche Energiequelle hatte. Hier war zur Abwechslung eine grüne Leuchte eingebaut, die ebenfalls aus einer Batterie gespeist wurde – denn der USB-Anschluß war unbelegt, also war das Keyboard selbst genauso stromlos wie der E-Flügel. Dafür waren alle vier Klinkenbuchsen (zwei Audio-Eingänge, zwei Audio-Ausgänge) belegt. An einem hing das einzige Kabel, das bis zum Boden ging, und das wiederum gehörte zu einem Sustainpedal, dergleichen eigentlich am CP-70B hätte angeschlossen sein müssen. Von den anderen drei aus gingen Kabel in eine ominöse kleine schwarz-silberne Box, in denen sie ohne Anschlußbuchsen direkt endeten – sollte wohl eine Drahtlosverbindung vorgaukeln.


    Hinten am rechten Bühnenrand war ein drittes Tasteninstrument abgelegt, das überhaupt nicht zu ABBA paßte: eine Keytar. Ein schmuckes, relativ seltenes rotes Yamaha KX1, eins der wenigen Umhängekeyboards mit Aftertouch (warum eigentlich) und Yamahas einzige je gebaute Keytar mit normal großen Tasten. Wie ich später sehen sollte, war auch das nur Show. Die meisten Keytars können auch mit Batterie betrieben werden, das nützt aber herzlich wenig, wenn das MIDI-Kabel, das in die Keytar gestöpselt ist, irgendwo im Tragriemen endet statt in einem Wireless-MIDI-Sender oder gar in etwas Stationärem, das MIDI-Signale verarbeiten kann.

    Kommt. Ring Ring war noch vor ABBA. Da waren die noch gar nicht wirklich ABBA, auch wenn selbst "People Need Love" ABBA zugeschrieben wird.


    "We Built This City" ist ja auch nicht von Jefferson Airplane (oder umgekehrt, "White Rabbit" ist nicht von Starship).

    Okay, wer glaubt ernsthaft, daß, wenn ABBA sich wiedervereinigen sollten, alles wieder exakt so sein wird wie in den 70ern? Wer glaubt, daß ein neues Studioalbum von ABBA wieder so klingen wird wie die alten Alben bis einschließlich Voulez-vous oder maximal Super Trouper – geschweige denn, daß ABBA wieder anfangen, bis in alle Ewigkeit jedes Jahr ein neues Album zu produzieren, das wieder so klingt wie in den 70ern? Wer glaubt, daß, wenn ABBA 2015 Live-Konzerte spielen würden, diese wieder so sein würden wie Australien oder Wembley, gleichzeitig aber viel zahlreicher?


    Selbst wenn ABBA zurückkehren würden, wären sie anders als damals. Heutzutage ist es unmöglich, wieder denselben Sound und damit dasselbe Feeling wie bei den Studioaufnahmen in den noch jungen Polar Studios zu rekreieren, oder zumindest wäre der Aufwand so gewaltig, daß es unwirtschaftlich wäre. Ein neues ABBA-Album würde noch mehr anders klingen im Vergleich zu den 70er-Jahre-Alben als The Visitors und Opus 10.


    Die vielen ABBA-Fans, die auf ein zweites ABBA oder Arrival gehofft haben, würden vom neuen Sound ziemlich enttäuscht sein. Das sollen ABBA sein? Das sind wirklich dieselben ABBA, die damals so Perlen wie "Dancing Queen" oder "Mamma Mia" gemacht haben?


    Mit einem neuen Album würden ABBA nach allen Regeln der Kunst den Shark jumpen. Und das wissen die vier selber.


    Live sähe es auch nicht besser aus. Für ABBA war es früher schon ein gigantischer Aufwand, eine Tour durchzuziehen und ihre Songs live so darzubieten, daß diese einerseits überhaupt spielbar wurden (angesichts des Produktions-Overkills bei den Studioversionen, der unmöglich auf die Bühne zu bringen geht), andererseits aber auch nicht zu sehr ausgedünnt wurden. Schon deshalb sind sie in den 70ern nicht wie verrückt getourt und in den 80ern offiziell überhaupt nur einmal live aufgetreten, und letzteres war im Fernsehen.


    Und heute? Heute wäre der Aufwand einer ABBA-Tour mit absoluter 70er-Jahre-Authentizität bis in die Haarspitzen noch größer als früher. ABBA müßten mit so ziemlich dem gleichen Equipment touren, das sie in den 70ern hatten, sonst klingt alles zu sehr anders. So einige Instrumente, die ABBA damals dabei hatten, sind heute gebraucht fast (teilweise tatsächlich) teurer als damals neu und außerdem durch ihr mittlerweile hohes Alter schadanfällig und wartungsintensiv. Wenn ABBA dagegen mit aktuellem Equipment touren würden, würden sie klingen wie eine ihrer eigenen Tributebands, und das wollen wir doch auch nicht. Die von den Fans ersehnte 70er-Jahre-Authentizität würde zu einem logistischen Alptraum, immensen Kosten und somit horrenden Ticketpreisen führen, wenn man als Management oder Veranstalter nicht bereit ist, für jede zukünftige ABBA-Tour einige Millionen draufzuzahlen.


    Selbst wenn ABBA diesen Aufwand bewältigen könnten, wäre er immer noch zu groß, um wirklich intensiv touren zu können, also monatelang so ziemlich jeden Tag eine anderer Stadt. Jedes Jahr eine Tour mit 20–30 Gigs in allen möglichen und unmöglichen Ecken Deutschlands ("sie müssen aber unbedingt auch nach Lübeck/Trier/Halle/Ludwigshafen/Aurich/in mindestens 5 Städte im Ruhrgebiet kommen") wäre überhaupt nicht machbar. Und, wie gesagt, die Tickets wären trotzdem fürchterlich teuer. Selbst bei einem großen Ticketangebot aufgrund von 30 Konzerten in Deutschland würde jedes Konzert für sich irrwitzige laufende Kosten verursachen. 60 € für erste Reihe Parkett kann man vergessen.


    Ich wage zu behaupten, daß einer der Hauptgründe, warum ABBA sich nicht wiedervereinigen, ist, weil sie ihre Fans nicht enttäuschen wollen. Denn das würden sie, und das wissen sie. Sie erhalten lieber das alte, nostalgische Idealbild aufrecht.

    Zu guter Letzt noch ein Blick in die Setlist. Das ist ja nicht immer ganz unproblematisch, eine brauchbare und auch umsetzbare Setlist für eine ABBA-Tributeshow zusammenzustellen. Die wirklichen Hits kommen insgesamt auf vielleicht zwei Stunden. Dann muß man davon auch noch einiges streichen. Das Post-The Visitors-Material, insbesondere "The Day Before You Came", ist für eine Tributeband nicht umsetzbar, erst recht in dieser Besetzung; noch dazu setzen "TDBYC" und "Under Attack" die etwas drückende Stimmung der Visitors fort, aus der gestern abend verständlicherweise gar nichts dabei war. Partystimmung und The Visitors vertragen sich nicht; einzig "Head Over Heels" wäre noch denkbar gewesen, aber das wäre ein Synthesizerfest gewesen, in dem das Klavier ein Fremdkörper gewesen wäre. Will sagen: Nicht nur aus Gründen des Schwierigkeitsgrades, sondern auch wegen der "ABBA gehen kaputt"-Ausstrahlung der Songs macht so manche Tributeband nachvollziehbarerweise einen Bogen um "One Of Us" und "When All Is Said And Done".


    Oder die frühen Sachen. "Ring, Ring" war noch gar nicht von ABBA und ist ein bißchen zu albern, außerdem sind sie damit damals beim Grand Prix ("Eurovision Song Contest" für die Spätgeborenen) schon durch die Vorausscheidung gerasselt – fliegt meistens also auch raus. Über "People Need Love" reden wir mal nicht. Beide Titel wären höchstens etwas für eine dreistündige Show in der Art einer "Anthology", aber nichts für eine ABBA-Party mit Band.


    Dann hat man nicht mehr wirklich genug Material für eine zweistündige Show mit Pause, aber selbst dann gibt's noch Titel, wo man sich überlegen muß, ob man sich die wirklich antut, weil die Umsetzung je nach eigenem Anspruch der Horror sein kann. Das Polymoog-Fest "Eagle". Das so wunderbar überproduzierte "Lay All Your Love On Me". "I Have A Dream", von dem nach Streichen des Kinderchores und der charakteristischen GX-1-Sounds nichts mehr übrig bleibt. Nach wie vor alles ab The Visitors, wenn man das immer noch in Erwägung zieht. Wenn man die auch noch rauswirft, wird es wirklich eng, und man muß überlegen, was man statt dessen in die Setlist aufnimmt. Bis auf die Visitors-Sachen wurde das Genannte gestern abend tatsächlich gespielt. "Eagle" und "Lay All Your Love On Me" in backingmäßig stark reduzierten Fassungen ohne Authentizitätsanspruch (letzteres sogar mit einem Gitarrensolo am Ende), und "I Have A Dream" hat man vom Publikum singen lassen und nur mit einer akustischen Gitarre begleitet – also die totale Resignation.


    Interessanterweise war auch "The Name Of The Game" dabei, das natürlich von Instrumentenseite auch herzlich wenig nach ABBA klang. Den Song sollte man nun wirklich nicht erwarten, weil er wenig abgeht, dabei aber auch nicht balladesk ist. Im ersten Set gab's auch "Hole In Your Soul", den einzigen Song des Abends, der nie auf einer Single war. Da merkte man, daß das Publikum praktisch komplett aus Gelegenheitshörern bestand und keine Hardcore-Fans da waren, denn als Marcus das Publikum hinterher fragte, ob es die Nummer kennt, gab's keine bestätigende Antwort – die Leute kannten ABBA ganz klar nur aus dem Radio, und anscheinend hatte niemand The Album, geschweige denn einen wie auch immer gearteten Wembley-Mitschnitt.


    Aber: Wo war "I Do, I Do, I Do, I Do, I Do"? Das ist nicht nur pflegeleicht, sondern es hätte eigentlich Pflichtprogramm sein müssen, wo man schon mal Janne Kling mit seinem Saxophon auf der Bühne hatte. Dann hätte man das so minimalisierte "Eagle" streichen können. Und mit dem klanglichen Selbstanspruch der Band wäre auch "Knowing Me, Knowing You" drin gewesen, das wieder etwas anderes hätte ersetzen können, was nur mit peinlichen Kompromissen machbar war.


    Für Tributebands gut geeignet, um mal eben die Sängerinnen zwecks Kostümwechsel von der Bühne zu schicken, erscheinen natürlich die Instrumentals. Aber: In der gestrigen Besetzung hätte sich die Band schon mit "Intermezzo No. 1" lächerlich gemacht, weil dominante Parts des Stückes von niemandem auf der Bühne gespielt worden, aber trotzdem zu hören gewesen wären. Und "Arrival" ist so uncoverbar wie "The Day Before You Came". Konsequenterweise gab es also gestern abend keine Instrumentals.


    Zur allgemeinen Stimmung: Die war gut, aber das Publikum war anspruchslos, denn es bestand, wie ich schon schrieb, meines Erachtens so ziemlich ausschließlich aus Gelegenheitshörern, die nur die großen Hits aus dem Radio kannten und nie auch nur ein einziges Album gehört haben. Gesungen hat das Publikum auch nur ein einziges Mal, und das war "I Have A Dream" auf Aufforderung hin mit fast schon karaokemäßiger Textprojektion. Wenn die ersten zehn Reihen mit echten, harten Fans voll gewesen wären, hätte das sicherlich anders ausgesehen.


    Fazit: Insgesamt ließ die Veranstaltung aus meiner Sicht einiges zu wünschen übrig, leider sogar einiges, was vermeidbar gewesen wäre.


    Ich werde mich wieder melden mit einer Rezension von ABBA – The Show im März. Zu große Hoffnungen mache ich mir da allerdings auch nicht, auch weil ABBA – The Show sich mit Authentizitäts-Superlativen schmückt, die sie unmöglich einhalten kann.

    Weil man sowieso schon vor dem Versuch kapituliert hat, ABBAs Originalsound zu replizieren (O-Ton Keyboarder und Musical Director Marcus Gorstein im Programmheft: "Es wäre natürlich vermessen zu behaupten, daß wir genauso klingen wie Original ABBA."), hat man sich auch gleich ein paar Umarrangements erlaubt. Einige davon waren interessant, etwa Janne Klings improvisiertes verlängertes Intro zu "Fernando" auf der Hirtenflöte (demselben Exemplar, auf dem er das Original einspielte), bevor der eigentliche Song einsetzte mit der zweiten Stimme als Zuspielung, die Janne wohl auch eingespielt hat. Andere waren unnötig, wie das Glattziehen der Synkopen auf der jeweils letzten Note in den Strophen von "Waterloo". Und klar, niemand wird "The Winner Takes It All" je so singen wie Agnetha.


    Womit wir zu den Playbacks kommen. Okay, die Musik war also nicht 100% live. Geschenkt. War eben so, und das will ich im nachhinein auch gar nicht kritisieren, zumal eh wie gesagt nicht mit einem 100%igen Live-Konzert geworben wurde. Wenn's live und authentisch sein muß, bräuchte man insgesamt mindestens drei Keyboarder, besser vier (also nicht nur einen wie hier), und entweder Berge von Equipment oder einen hochleistungsfähigen Laptop pro Nase als Klangerzeuger, damit ginge dann das Bühnenbild vor die Hunde, und ohne Laptops wäre der Platzbedarf immens. Die meiste Zeit spielten die Zuspielungen dezent im Hintergrund, aber auch nicht immer. Sie waren also recht deutlich hörbar. Und zumindest für mich als Musiker mit entsprechend trainiertem Gehör war deutlich hörbar, daß da ziemliche Chancen vertan wurden. Die Backings waren sehr weit vom Original entfernt – unnötig weit.


    Audio-Zuspielungen sind nicht an dieselben Einschränkungen gebunden, die fürs Live-Spiel auf der Bühne gelten. Bei Audio-Zuspielungen ist alles möglich, was in einem Studio möglich ist. Oder in beliebig vielen Studios. Gerade bei solchen Zuspielungen kann man regelrechte Authentizitäts-Exzesse abhalten. Man könnte als Ersatz für Bennys Synthesizer Wunder wie aufwendige Software verwenden, und es würde sich niemand daran stören, weil der Musikrechner im Studio bleibt und nicht in Form eines MacBook mit auf die Bühne muß. Oder man nimmt einfach die gleichen Instrumente, die auch Benny verwendet hat. Fast alles läßt sich irgendwo auftun, und dann fragt man nach, ob man z. B. vorbeikommen und was einspielen kann, oder ob der Eigentümer einem was einspielen und aufnehmen könnte, wenn z. B. der Polymoog in den USA steht oder die Yamaha GX-1 in Schweden. Man muß die Sachen ja nicht kaufen und erst recht nicht damit touren.


    Aber um ehrlich zu sein: Selbst mit handelsüblichem Material (ich sage nicht "mit den Keyboards, die man bei jedem x-beliebigen Livekeyboarder im Bühnensetup vorfindet", da gibt's spezielleres, aber durchaus handelsübliches Gerät) hätte man erheblich näher an ABBA herankommen können als das, was ich gehört habe. Zugegeben, daß das markante Polymoog-Geklimper in "Eagle" komplett gefehlt hat, kann man abhaken als Kapitulation vor dem Versuch, den ungewöhnlichen Sound eines Polymoog mit etwas anderem als einem Polymoog nebst Rauschunterdrückung und Wiederaufbereitung des von der Rauschunterdrückung vermulmten Sounds nachzuahmen. Außerdem wäre das schon sehr offensichtliches Playback gewesen im Gegensatz zu dezenten Hintergrundflächen, weil der Sound doch sehr durch den Mix schneidet (wobei das bei den Kesselpauken von "Chiquitita" wohl auch nicht weniger störend war). Zur Not hätte man "Eagle" durch "Angeleyes" oder "Knowing Me, Knowing You" ersetzt oder durch die Studioversion von "Summer Night City". Aber daß beispielsweise im Hintergrund von "Take A Chance On Me" alles mit demselben Synthsound abgefrühstückt wurde, das war unnötig und und wäre mit Leichtigkeit vermeidbar gewesen; im Refrain hätte es einen völlig anderen Sound gebraucht, und beide wären mit handelsüblichen Mitteln zumindest annäherbar gewesen. Auch das Intro von "Does Your Mother Know" wäre authentischer machbar gewesen, und sei es durch Absamplen des Albums (wobei das dann auch nicht zu einem 100%igen Ergebnis führt).


    Auch beim Gesang wäre mit Backings viel mehr möglich gewesen. Zusätzliche Stimmen etwa, wie sie die originalen Studiofassungen hatten. Die Zuspielungen hätten bei "Lay All Your Love On Me" wie in der Studiofassung 20–30 zusätzliche Gesangsstimmen (Wall of Sound à la Phil Spector) plus Vocoder und vorm Refrain jeweils den Effekt mit der Pitchshifter-Delay-Schleife ermöglicht oder die zusätzlichen Gesangslinien in Songs wie "Chiquitita", "Eagle" oder "The Name Of The Game". Denn daß das Halbplayback war, dürfte irgendwann auch dem Letzten klar gewesen sein, jegliches Versteckspiel mit den Backings war also irgendwann unnütz.


    Wo ich schon mal beim Kritisieren bin: der Mix. Touren die nicht mit eigenem Tonmenschen? Jedenfalls war die elektrische Gitarre teilweise sehr leise, und Jannes Saxophon war auch annähernd unhörbar. Gerade bei akustischen Instrumenten sollte mal nachgeregelt werden. Beim Saxophon kann das natürlich auch daran liegen, daß es angepaßt wurde an weitere Saxophonstimmen im Backing, die auch eher leise im Hintergrund spielten.

    (Muß aufgeteilt werden – 10.000-Zeichen-Limit)


    Warum fährt jemand am 17. Januar von Hamburg nach Lübeck, um A Tribute To ABBA – The Music Show zu sehen, wenn am 3. März ABBA – The Show nach Hamburg kommt? Entweder ist er ein derartiger Die-Hard-Fan, daß er jedes Tributekonzert mitnimmt, das er kriegen kann. Trifft auf mich nicht zu. Oder er will sich einen Eindruck von einer Tributeband machen und eventuell eine Rezension schreiben.


    Genau das traf auf mich zu.


    Verschärfend kam hinzu, daß ich die Show nicht aus der Nostalgie-Sicht eines ABBA-Fan sehen würde, sondern aus der eines Musikers. Will sagen, aus der Sicht von Musikerpolizei, wie sie normalerweise irgendwo am Rande steht mit verschränkten Armen, nur daß ich nicht am Rande stand, sondern einen Platz in der 7. Reihe des Parketts ziemlich in der Mitte hatte. Ich bin immer irgendwie Musikerpolizei, aber gestern bin ich ausdrücklich in dieser Funktion nach Lübeck gefahren.


    Erleichternd kam auf eine Art hinzu, daß ich im ABBA-Fandom keinen wirklichen Namen habe. Zumindest kann niemand mein Gesicht mit meiner Online-Identität assoziieren. Ich konnte mich vor Ort also unerkannt, anonym bewegen. Das hatte durchaus seinen Vorteil, wenn man bedenkt, weshalb ich da war. Gut, letztlich spielte das eine untergeordnete Rolle, weil so ziemlich das ganze Publikum aus Lübeck und Umgebung zu kommen schien – zumindest war ich der einzige, der den Weg zwischen Bahnhof und MuK und den zurück auf sich nahm.


    Obwohl ich keinerlei Bilder dieser Veranstaltung gesehen hatte, auf der ein für eine würdige Live-Nachbildung von ABBA notwendige Musikerstab nebst Instrumenten zu sehen gewesen wäre, ging ich zu A Tribute to ABBA in der Erwartung, ein Konzert zu sehen. Weil hier in Vorankündigungen nicht überschwenglich mit Realismus- und Authentizitäts-Superlativen geworben wurde, wäre anzunehmen gewesen, daß es sich um eine der Bands handelt, die statt dessen damit werben, daß alles 100% handgemachte Livemusik ist.


    Der Bühnenaufbau sollte mich schon vorab eines Besseren belehren. Mittig fand sich ein Riser mit Stufen, zur Linken desselben stand ein Schlagzeug, voll abgenommen inklusive zweier Overheads, plus zweier Racks stage left vom Schlagzeuger. Schräg vor den Drums war der Gitarristenplatz: ein doppelter Gitarrenständer mit einer Akustikgitarre und vorne ein Effektboard. Zur Rechten Janne Klings Platz: Saxophon mit Clipmikro und ein Gesangsmikro am Galgen für Querflöte und Hirtenflöte.


    Rechts neben Jannes Platz wiederum stand das leere Gehäuse eines mit Wandfarbe weiß gerollten Flügels, natürlich mit geschlossenem Deckel. Statt der flügeleigenen Klaviatur war etwas Digitales eingeschoben, das ich nicht identifizieren konnte – eine ausgewachsene Workstation war es definitiv nicht –, das aber die ganze Show über denselben gesampleten akustischen Pianosound geliefert hat – egal, was bei der jeweiligen Originalfassung von ABBA zu hören ist. Andererseits hätte es seltsam gewirkt, wenn es ausgesehen hätte, als spiele Marcus "Benny" Gorstein einen akustischen Flügel, aber der drahtige Klang eines Yamaha CP-70B zu hören gewesen wäre oder gar etwas gänzlich Synthetisches. Auf der dem Publikum abgewandten linken Seite des Gehäuses führte eine Handvoll Kabel nach draußen, die nicht darauf schließen ließen, daß in dem Flügelgehäuse ein Masterkeyboard für eine leistungsfähigere externe Klangerzeugung saß.


    Die Instrumentierung machte von vornherein klar: Das wird Halbplayback. Mit dem, was da auf der Bühne stand, war selbst annähernder ABBA-Sound nicht möglich. Entweder Halbplayback oder ein stark kastrierter Sound, und das macht keine Band auf einem Niveau, das sie statt auf Stadtfestbühnen in Mehrzweckhallen bringt. Also Halbplayback mit Audiozuspielungen.


    Ganz zur Linken, also stage right, befand sich ein Digitalmischer mit unklaren Aufgaben. FoH war, wie es sich gehört, hinten auf dem Parkett (wobei es bei Großveranstaltungen mit entsprechendem Platzbedarf für die Technik auch mal mittig auf dem Parkett angeordnet weden kann, aber die Bestuhlung der MuK ist fest verschraubt und läßt diese Anordnung nicht zu); allenfalls als Monitormischer – die Zahl der Monitore auf der Bühne war überschaubar, der einzige ohne In-Ear war Janne Kling – hätte dieses Pult Verwendung finden können. Außerdem wurde von da die Pausenmusik abgefeuert, zumeist Discoklassiker (mit einigen Ausrutschern in Form modernerer Remixes), aber aus irgendeinem Grunde in der Setpause auch "Lay All Your Love On Me" von Erasure.


    Den Bühnenhintergrund bildete eine Projektionsleinwand, die auch schon bessere Tage gesehen hatte. Bei anderen Konzerten mit Projektion, die ich schon besucht hatte, wäre der nicht mehr zum Einsatz gekommen. Wenn gerade nichts gespielt wurde, wurde die "Wortmarke" der Band im Mamma-Mia-Stil auf die Leinwand geworfen. Je nach Song sollten die Projektionen allerdings wechseln. (A propos Wortmarke: Die illuminierten ABBA-Schriftzüge, die über der Bühne hingen, entsprachen nicht dem Trademark – das erste B war nicht gespiegelt, dafür waren die As abgeschrägt. Sicher ist sicher.)


    Dazu kam dann auch noch eine sechsköpfige Tanzgruppe, die wie die Sängerinnen die Kostüme wechselte. Der Fokus lag also definitiv nicht auf Live-Musik, sondern auf einer Art Nostalgie-Party als Ganzem.


    Nun gut, was an Musikern auf der Bühne war, das sang und spielte auch live. Niemand tat so, als ob. Und an sich war das schon eine hochkarätige Band; gerade im ABBA-Tribute-Bereich gibt es Schlimmeres. Ich meine, eine Stümperband hätte es nie geschafft, in eine von Schleswig-Holsteins größten und modernsten Mehrzweck-Veranstaltungshallen zu landen. Der heimliche Held war wohl der Drummer, der etwa im Gegensatz zu Kollegen seiner Zunft nicht ständig wie ein Irrer lostrümmert, sondern einen konstanten Groove auch dezent spielen kann, und dem außerdem die Aufgabe zukam, die Playbacks abzufahren.


    Musikalisch kann man das Dargebotene zusammenfassen mit: "Eine Band, die nicht ABBA ist, aber versucht, so auszusehen, spielt 2014 ABBAs Songs." Hier wurde etwas leicht umarrangiert, da wurde etwas ein bißchen anders phrasiert, und dort – sogar bei den Zuspielungen – wurde gar reduziert. Wie bei einem tatsächlichen ABBA-Konzert gab es erheblich mehr Piano als in den originalen Studiofassungen; "Benny" sollte ja auch ohne zusätzliche Synths etwas zu tun haben. Die Drums waren hier und da auch etwas abweichend, wo es eigentlich nicht mal notwendig gewesen wäre, bei "Fernando" und "Super Trouper" etwa fehlten mir ein bißchen die Hi-Hat-Sechzehntel im Refrain. Es wich aber nicht so stark ab wie beispielsweise, als Gary Wallis 1999/2000 in Gizeh für Jarre trommelte, wie wenn er mit The Police auf Tour wäre.

    Ich denke aber nicht an 1 Keyboarder mit 2 bis 4 Keyboards. Was ich gesehen habe, waren 4 Keyboarder mit dutzendweise Synthesizern, die sich über mindestens 7 Meter Bühnenbreite verteilten. Wesentlich kleiner wäre ein realistisch klingendes Keyboard-Setup in einer ABBA-Tributeband nicht.


    Für eine einzelne schwenkbare Kamera bräuchte man einen Dolly-Kran, der weit über die Bühne reicht.

    So oder so gibt es annähernd nichts an diesem Song, was live on stage befriedigend nachahmbar wäre. Der Gesang nicht, der einzige verwendete Synth nebst folgendem Signalweg nicht, und die Drums scheitern schon daran, daß sie im Original von einer Maschine kommen.

    Ist zwar relativ irrelevant, aber interessant.


    Lieber Doctor, die Spiegel halte ich für überflüssig. Wer würde vermuten, dass eine Band Tasteninstrumente für eine Viertelmillion Euro auf die Bühne sttellt, dann aber nur so tut, als würden sie gespielt werden?


    Ein ABBA-Tribute-Publikum ist, was das Musizieren angeht, überwiegend relativ "ungeleckt". Zunächst mal können die nicht einschätzen, was das ganze Tastenequipment gekostet hat – das können nur Leute, die sich wirklich mit klassischen Synthesizern befassen, und selbst unter Tastenspielern tut das einer von mehreren tausend.


    Das "Die tun nur so als ob" kommt aus derselben Richtung: Was ein Keyboarder macht – ganz besondere, was ein Synthesizerspieler macht –, ist äußerst abstrakt, auch deshalb, weil es nicht immer eine deutliche Korrelation gibt zwischen dem, was der Musiker tut, und dem, was man da hört, jedenfalls weniger als bei akustischen Instrumenten. Folglich steht der Keyboarder unter Playback-Generalverdacht, weil für den Laien nicht immer erkenntlich ist, in welchem Zusammenhang das Gehörte und die Bewegungen des Musikers stehen, und weil viele vom Hörensagen "wissen", daß das geht und einige Keyboarder das tatsächlich machen. (Letzteres stimmt ja auch.) Dann müssen die ganzen alten Gerätschaften auf der Bühne auch nicht unbedingt Synthesizerklassiker sein, die ein Heidengeld gekostet haben, sondern dann hat der Zuschauer eher eine aus rein optischen Showgründen angehäufte Ansammlung von Dachbodenfunden und Attrappen vor seinem geistigen Auge. Mit größter Wahrscheinlichkeit sehen sie die Synths ja auch nur von hinten oder von der Seite, Klaviaturen und andere Bedienelemente sind also unsichtbar.


    Der Spiegel, den ich in der Form tatsächlich schon bei Konzerten über Synthesizerburgen gesehen habe, soll zunächst mal zeigen, was in der Burg tatsächlich passiert. Wenn das Publikum von oben sieht, wie die Keyboarder herumhuschen und die Synths bedienen, will sagen, auch tatsächlich auf den Klaviaturen spielen, die man dann ja auch von oben sieht, dann sollte da schon etwas eher eine Korrelation erkennbar sein, zumindest aber, daß die Musiker in der Burg nicht grundlos herumwirbeln. Für diejenigen mit Ahnung von der Materie ist ein Bonus, daß sie das ganze Ausmaß des verwendeten Equipments erkennen, und auch, daß das wirklich alles zum Einsatz kommt.


    Gut, daß das nicht einfach nur Showdeko ist, sollte eigentlich halbwegs klar sein, wenn man bedenkt, wie so eine Burg das Bühnenbild verschandelt. Sogar Anders Eljas hatte nie auch nur annähernd soviel Equipment um sich herum. Daß das da alles steht und die Band tatsächlich den Aufwand auf sich nimmt, das alles zu transportieren und stundenlang auf- und abzubauen, muß also einen anderen Grund haben als das optische Ausstaffieren der Bühne, weil es wie gesagt eher eine optische Abwertung ist. Das muß also alles funktionsfähig sein und auch genutzt werden.

    Einzig "The day before you came" hat gefehlt.


    Klar. Der Song ist ja auch uncoverbar. Jedenfalls ist er mit einer Liveband nicht coverbar, weil er bis auf den Gesang 100% elektronisch ist.


    Entweder du spielst ihn mit einer Band. Dann klingt er nach allem möglichem, aber nicht nach ABBA.


    Oder du versuchst, ihn nach ABBA klingen zu lassen. Dann hätten die Sängerinnen zu tun ("Frida" davon dann auch noch ohne Text, dafür durch einen nett ausgestatteten Effektweg), der/die Keyboarder hätte/n alle Hände voll zu tun, bräuchten für einigermaßen authentische Sounds on stage leistungsfähige Computer auf Studio-Niveau (Preisklasse jeweils jenseits der 3000 €; mit Hardwaresynths dürfte der Sound so nicht hinzubekommen sein, mit dem Besteck, mit dem ABBA-Tributeband-Keyboarder tatsächlich losziehen, ist er so nicht hinzubekommen) und müßten dann auch noch auf Sequencer-Zuspielungen zurückgreifen, weil das nicht alles gleichzeitig händisch spielbar ist (allein schon für die Drums, die im Original von einer Drummachine kommen), und der ganze Rest der Band würde untätig rumstehen, weil's kein echtes Schlagzeug gibt und keine Baßgitarre und keine Gitarren und keine Hörner und keine Streicher...


    Im Extremfall kämen 20% des Songs von "Agnetha", 5% von "Frida" und die restlichen 75% vom einzigen Keyboarder, der einige tausend Euro und mehrere Wochen oder Monate Arbeit in den Nachbau des Songs investieren mußte und auf der Bühne alle Instrumentensounds liefern muß.


    Ende des Monats kommt ABBA - The Show wieder nach Hamburg, und ich bin zwiegespalten, ob ich hingehen soll als der musikalisch vorbelastete Authentizitätsfundamentalist, der ich bin.


    Tja, das wird wieder aktuell.


    In den nächsten drei Monaten hätte ich die Chance, zwei ABBA-Tributekonzerte mitzunehmen, ABBA – The Show (Hamburg im März) und außerdem A Tribute to ABBA (Lübeck im Januar).


    Aber ich kenne mich. Ich würde da nur hingehen, um hinterher aus eigener Erfahrung sagen zu können, daß und warum solche Bands nicht ansatzweise so authentisch sind, wie sie sich selbst immer wieder bewerben. Will sagen, ich würde mir Konzerttickets kaufen, nur um die Konzerte verreißen zu können.


    Andererseits könnte ich sagen, wenn mich einer dahingehend fragt: "Ja, ich habe die selbst live gesehen, ich spreche also aus Erfahrung."

    Mag sein. Aber nach dem, was ich über den Auftritt gelesen habe, hält sich die Begeisterung der Fans über die Dick-Cavett-Versionen teilweise arg in Grenzen. Eine Tributeband sollte sich also stark überlegen, ob sie es sich antut, diese Versionen live zu replizieren. (Das heißt, diese Versionen wirklich 1:1 bis ins Detail zu replizieren, wird auch schon schwierig genug, ist aber kein Vergleich zu den Studioversionen.)


    Außerdem: Wenn eine gewisse Bootleg-CD mit 13 Tracks den kompletten Auftritt abbildet (bin mir nicht sicher, ob ich einen Link darauf setzen sollte), dann haben ABBA gewisse wichtige Songs auch bei Dick Cavett nicht live aufgeführt. LAYLOM etwa oder WAISAD. Die sind also bis heute nie von ABBA selbst live gespielt worden, von denen gibt es also bis heute keine offizielle ABBA-Live-Version, ebensowenig wie von den Songs, die mal Opus 10 werden sollten. Oder sind ABBA auch irgendwo mit TDBYC und/oder UA live ohne Zuspieler aufgetreten?