Ohne Ranking, nur Synthesizer und mehr als zehn:
- "Gimme! Gimme! Gimme!" – Nicht nur berühmt für sein Instrumentalriff, sondern gerade hier schmeißt Benny mit Gear um sich, daß es die reinste Freude ist. Das Intro klingt zunächst harmlos mit Björns Gitarre, bis die Yamaha GX-1 die Streicher aus ihren mächtigen (jeweils knapp drei Zentner) Röhrenkabinetten schießt und es dabei sogar schafft, den armen Minimoog mit seinem anschwellenden Filter im Baß zu ersäufen. Gleich darauf dann das legendäre Instrumentalriff. Die Strings kommen auf einmal von Yamahas einziger Stringmachine, dem SS-30 (möglicherweise geschichtet mit akustischen Streichern, obwohl ich diese Passage als für echte Streichinstrumente ausnehmend schwierig zu spielen erachte), über die zusätzlich das Filter in Bennys ARP Odyssey Mk I (Mod. 2800) Blackface selbstoszilliert und auf die ihm eigene Weise zwitschert. Meinen vollen Respekt an Benny, der es schafft, so schnelle, perlende Figuren auf dem aufgrund von Duophonie und High Note Priority zickigen Odyssey zu spielen. Ich hab's selbst auf einem Korg-Nachbau-Odyssey versucht, und es ist gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig. Im Instrumentalintermezzo schmatzt eine rudimentäre Minimoog-Bassline.
- "Arrival" – Polymoog-Dressur vom Feinsten. Benny und Michael kippten ihre Trickkiste im Studio aus. Der Moog Polymoog Mod. 203a Synthesizer wurde von einem Dolby 361 Type A erst brutal entrauscht, dann wurde sein Klang wieder aufpoliert, dann ging's in einen Gitarrenamp, der wiederum von zwei im Raum aufgestellten Mikros abgenommen wurde. Mikros umgestellt, die nächsten zwei Spuren darübergelegt. Das Ganze achtmal, also 16 Spuren altogether, und schon meint man, ein keltisches Streichorchester zu hören – statt dessen hört man einen horrende unzuverlässigen und verrauschten Polymoog, Moogs ersten Versuch eines polyphonen Synthesizers, der von allen Moogs am wenigsten nach Moog klingt und schon von vielen Musikern verflucht wurde.
- "Eagle" – Und wieder der Polymoog. Auf unnachahmliche Weise perlt er ad-lib über den ganzen Song, von sich selbst unterlegt.
- "S.O.S." – Eine der frühesten Regungen eines Synthesizers bei ABBA ist das Arpeggio vorm Refrain, gespielt als Overdub auf dem nur monophonen Minimoog. Denselben Trick wendete im selben Jahr Rick Wright in "Wish You Were Here" an.
- "The Day Before You Came" – Synthpop mit sündhaft teurem Material. Nachdem ABBA schon Orchester abgeschafft hatten, sollte auf Opus 10 auch das echte Schlagzeug dran glauben müssen. An seine Stelle trat eine von nur 525 gebauten Linn LM-1, Stückpreis $5.750 – sonst diente diese Maschine Kalibern wie Jean Michel Jarre (der nacheinander alle drei Linns und dann auch das Akai MPC60 hatte) und Prince ("1999" wurde quasi zum LM-1-Demosong, und den runtergepitchten Rimshot haben u. a. Flash & The Pan abgekupfert). Schön zeitgeistig liegt auf der Snare schon ein leichter Hall. Begleitet von den zugegebenermaßen Miniatursamples der LM-1 legt Benny hier Schicht um Schicht von der nochmals exklusiveren Yamaha GX-1 (wahrscheinlich weniger als 50 gebaut, kaum mehr als ein Dutzend exportiert, Einstiegspreis $70.000) übereinander. Der "Gentle Giant" zeigt hier viele Facetten von raumfüllenden Flächen, in denen Björns akustische Gitarre versinkt, über die vom Led-Zeppelin-Bassisten John Paul Jones entworfenen flirrenden Streicher bis zu jenem Perkussivsound im Dur-Teil, der keinen Zweifel daran läßt, daß die GX-1 bis in den Ultraschallbereich klingt.
- "The Visitors" – Noch so ein GX-1-Fest, wie sie eigentlich das ganze Album dominiert. Und wieder zeigt sie einen neuen Trick: Anschlagdynamik regelt Filter-Cutoff.
- "Like An Angel Passing Through My Room" – Das Uhrticken. Das ist Bennys Minimoog. Das glaubt einem kaum jemand, daß so ein Klang von einem Minimoog kommen kann, hat doch alle Welt als Minimoog-Sounds nur massive Bässe und Progrock-Brass-Leads im Hinterkopf. Zugegeben, die wimpernschlagschnelle Verstärkerhüllkurve und die Unregelmäßigkeiten verraten sofort, daß da ein klassischer spannungsgesteuerter Analogsynth am Werk sein muß. Die GX-1 hält sich im Mix vornehm zurück; man stelle sich an dieser Stelle den Versuch vor, einen übermotivierten Border Collie zurückzuhalten.
- "I Have A Dream" – Und wieder eine GX-1-Spezialität. Hier zeigt sie eine ihrer "Schwächen", nämlich, daß auch im polyphonen Einsatz pro Tone für alle acht Stimmen und 16 Filter nur eine Filterhüllkurve zur Verfügung steht, die natürlich beim Legatospiel nicht neu gestartet wird. Benny macht daraus ein Feature und erschafft den fast wie ein asiatisches Saiteninstrument wirkenden Leadsound.
- "Does Your Mother Know" – Der bekennende GX-1-Junkie Benny Andersson hat diesen Song um einen Werkssound dieses Ungetüms herum geschrieben. Ja, genau, dieser eigentümliche Klang im Intro, mit dem er ein bißchen herumgejammt hatte und daraus einen ganzen Song baute. Zwischenzeitlich frohlockt ein kleiner brassiger Leadsound (Minimoog?) als Kontrast zum Bombast der GX-1.
- "The Piper" – Die schon fast obskure B-Seite von "Super Trouper" bringt als Rattenfänger den Odyssey zurück.
- "Happy Hawaii" – Um bei den B-Seiten zu bleiben: Was uns da entgegenschreit, kann 1977 eigentlich auch nur der duophone Odyssey gewesen sein. Sollte das stimmen, ist es ein Beweis dafür, daß Benny seinen Mk I mit der damals noch aufpreispflichtigen PPC hat ausstatten lassen, denn ohne wäre dieser Part noch haariger zu spielen gewesen, als er es ohnehin schon war. Damals verlangte die PPC im Gegensatz zu heute noch keinen Körpereinsatz...
- "One Night In Bangkok" – Hätten ABBA weitergemacht, wären sie hier gelandet. Die GX-1 ist immer noch unverkennbar da und trifft auf rolandeske Bläser (Jupiter-8?). Die Drums klingen verdächtig nach einer eigens für Chess an Land gezogenen, damals brandneuen Linn 9000, gefüttert mit Samples eines Simmons SDS V.