ABBA – THE SHOW am 15. Jan 09 in der SAP-Arena Mannheim
Die Karten kosteten zwischen 44 und 62 Euro, die Halle war gut besetzt, wenn auch nicht ausverkauft.
Auf der Bühne standen 24 Musiker und 1 Dirigent namens Matthew Freeman, der gelegentlich zum Mikrofon schritt und ein paar Kapitel aus der Geschichte von ABBA in Kurzfassung schilderte. Zur Musik schwang er die meiste Zeit seinen Taktstock, allerdings dem Publikum zugewandt, d.h. mit dem Rücken zu den 14 Mitgliedern seines "National Symphony Orchestra", was zumindest ungewöhnlich war. Ich glaube nicht, dass seine Dirigierkünste unbedingt gebraucht worden wären, denn es gab ja eine sehr gute Rhythm Section (Schlagzeug und Bass), die die Tempi bestimmte. Die großen Momente des Dirigenten kamen immer dann, wenn ein Song mit einem Ritardando endete und er die letzten paar Töne mit seinem Stock zu koordinieren versuchte. Er hat lt. Programmheft auch sämtliche Arrangements für das Orchester geschrieben.
Von diesem Orchester war im ersten Teil des Programms (es gab eine Pause, die mit 40 Minuten viel zu lang ausfiel) wenig zu hören. Sowohl die 10 Streicher (8 Geigen/Bratschen, 2 Celli) als auch die 4 Bläser hatten wenig zu tun, bei vielen Songs hatten sie lange Pausen und füllten diese mit einstudierten Armbewegungen und anderen Hampeleien, die lustig anzuschauen waren, aber manchmal vom Hauptgeschehen auf dem vorderen Teil der Bühne ablenkten. Aber auch wenn die Streicher ihre Bögen ansetzten und etwas spielten, war es so gut wie nie zu hören, da die Gitarren und Keyboards wesentlich lauter waren und das Orchester die meiste Zeit akustisch zudeckten. Erst im zweiten Teil kamen ein paar Songs, bei denen das Orchester wirklich zu vernehmen war, aber eigentlich nur ein einziger Song, bei dem es wirklich eine tragende Rolle spielte: "Voulez-Vous". Da konnten die vier Bläser mal zeigen, was sie drauf hatten, und das klang dann auch richtig zackig und satt. Die Streicher hatten ihren hörbarsten Einsatz bei "The Winner Takes it All", aber es blieb immer bei etwas seifig klingenden Tutti, und ich persönlich hätte die Streicher nicht vermisst, wenn sie gefehlt hätten. Ich machte nebenbei eine kleine Rechnung auf: Wenn man das Orchester einsparen würde, das mehr als die Hälfte des Bühnenpersonals ausmacht, wären die Kosten der Produktion sicher um mindestens 25 Prozent geringer, und die Karten könnten um den selben Prozentsatz billiger sein. Vielleicht wäre die SAP-Arena dann ausverkauft gewesen.
In der Werbung für diese Show wird herausgestellt, dass mindestens zwei Leute dabei sind, die an der Produktion der den meisten ABBA-Alben mitgewirkt haben. In Mannheim waren das der Saxofonist Ulf Andersson und der Gitarrist Janne Schaffer. (Das waren jedenfalls die beiden, die ich mitgekriegt habe; nicht immer waren die Ansagen gut zu verstehen.) Ulf Andersson führte sich bei "I Do I Do I Do", das ziemlich am Anfang kam, gleich gut ein und kam mit seinem Saxofon noch etliche Male korrekt zum Einsatz, d.h. er fügte sich in die Rhythm Section ein und setzte Akzente mit Fills und kurzen Soli. Janne Schaffer war nicht ganz so bescheiden, sondern glaubte offenbar, seine Mitwirkung durch etliche überlange Gitarrensoli rechtfertigen zu müssen. So wurde ein Song auf gefühlte 10 Minuten Spieldauer verlängert, was nicht unbedingt hätte sein müssen, vor allem wenn man bedenkt, wie viele gute ABBA-Songs an diesem Abend nicht gespielt wurden (mehr dazu später).
Die beiden Leadsängerinnen Katja Nord und Camilla Hedrén wurden von drei Background-Vokalistinnen verstärkt. Immer wenn alle fünf zusammen sangen, was oft der Fall war, entstand ein satter Vokalsound, der unverwechselbar nach ABBA klang. Alle Sängerinnen wirkten stimmsicher und kraftvoll. Bei solistischen Partien hörte man hingegen, dass keine der beiden Frontfrauen ihren Vorbildern das Wasser reichen kann, weder was das stimmliche Timbre noch was die emotionale Intensität betrifft. Manche Titel wirkten etwas lieblos heruntergesungen und -gespielt, z.B. "Chiquitita", wo mitten im Vers, wo eigentlich nur Gesang und Klavier zu hören sein sollten, der Drummer mit der Bass Drum den Takt zu schlagen begann und der Gitarrist das Publikum zum Mitklatschen animierte.
Katja Nord sang wesentlich mehr solistische Partien als Camilla Hedrén. Die beiden Frontfrauen zogen sich mindestens fünf Mal im Verlauf des Abends um. Das ging so, dass sie jeweils nach 5 oder 6 Songs von der Bühne verschwanden und nach 5 oder 10 Minuten wiederkamen. In der Zwischenzeit spielte die Band ohne sie, einmal ein mir nicht bekanntes, recht langes Instrumentalstück, dessen Herkunft nicht erklärt wurde, einmal "Suzy-Hang-Around" vom Album "Waterloo" (mit männlichem Sologesang), zwei andere Male Medleys aus Abba-Songs, teilweise instrumental arrangiert, teilweise mit Gesang der drei Background-Sängerinnen. So war z.B. "Lay All Your Love on Me" nur als Teil eines Medleys zu hören und überwiegend als Instrumental gespielt, nur im Refrain griffen die Background-Sängerinnen ein.
Das Publikum war im ersten Set anfangs eher reserviert, aber bei "Fernando" und bei "Chiquitita" (beide kamen direkt hintereinander) kam Bewegung in die Reihen, etliche Leute standen auf und tanzten und sangen mit. Richtige Begeisterung machte sich im zweiten Set beim Intro zu "Dancing Queen" breit, da war im Nu der ganze Saal auf den Beinen und wippte und klatschte und grölte mit. Gegen Ende der Show spielte die Band dann nur noch schnelle, rockige Nummern wie "Gimme Gimme Gimme (A Man After Midnight)" und wurde auch ein Stückchen lauter, entsprechend ausgelassen war die Stimmung im Saal.
Zur Songauswahl: Die meisten großen ABBA-Hits waren dabei, aber einige Juwelen aus dem ABBA-Repertoire fehlten leider. Zum Beispiel vermisste ich "Happy New Year", "Thank You For the Music", "Angeleyes", "One of Us", "When I Kissed the Teacher" und "Take a Chance on Me".