Was würde euch bei einer ABBA-Tributeband am wenigsten stören? 8
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Bühne sieht wie ein Studio aus (1) 13%
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Musiker spielen backstage (0) 0%
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Live-Versionen; aus den letzten Alben wird nichts gespielt (0) 0%
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Sequenzen und Zuspielungen (nicht alles ist per Hand gespielt) (4) 50%
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Klingt nicht 100% wie ABBA, aber das würde mich am wenigsten stören (2) 25%
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Klingt nicht 100% wie ABBA, aber das fällt mir sowieso nicht auf (1) 13%
Meine erste Frage bezüglich der Authentizität von Tributebands schien wohl thematisch ein bißchen sehr unpassend gewesen zu sein. Es ist ja auch nicht einfach zu beantworten, wie authentisch man es gern hätte, sogar für viele, die selbst Musiker sind. Daher möchte ich das Thema ein bißchen abwandeln.
Auch hier gilt wieder: Grundsätzliche Haßpostings gegen Tributebands (z. B. weil es ABBA nur einmal gibt und alle Tributebands schändliche Usurpatoren sind) haben mit dem Thema dieses Threads nichts zu tun und somit in diesem Thread nichts verloren! Hartnäckige Zuwiderhandlungen kann und werde ich der Forumsleitung melden. Danke.
Bei einer Tributeband kann man nicht alles – absolut authentischen Klang, 100%-Livespiel ohne Zuspielungen und Besetzung und Aufwand, die sich in Grenzen halten – auf einmal haben. Zwei davon gehen gleichzeitig, alle drei nicht, das heißt, ein Opfer wird man bringen müssen.
Womit könnt ihr am ehesten leben?
Zur Erklärung:
Authentischer Studioklang wie vom Album, alles sichtbar live gespielt, aber Bühne vollgestellt und sieht wie ein Studio aus: Dieses Niveau fährt die Genesis-Tributeband The Musical Box in Verbindung mit einem originalgetreuen Bühnenbild.
Der Sound ist absolut authentisch. Alles von "Ring Ring" bis "The Day Before You Came" klingt bis zum letzten kleinen Pieps, bis zu kaum merklichen Bewegungen im Klang einzelner Noten exakt wie vom Album. Und jede einzelne Note ist per Hand gespielt – mit Ausnahme des Schlagzeugs bei den Post-The Visitors-Songs, bei denen der Schlagzeuger selbst erklärt, daß diese Songs schon in ABBAs Originalfassung eine Drummachine haben, selbst dann per Hand die neben ihm stehende Linn LM-1 startet und bedient und sein eigentliches Schlagzeug gänzlich in Ruhe läßt. Es könnte so schön sein...
...wenn nicht die ohnehin schon große Bühne so voll mit Musikern und Instrumenten und Zeugs wäre, daß die eigentlichen "ABBA" davor fast schon verschwinden. Irgendwo ist ein kleines Orchester, das nicht mal für die Hälfte der Songs gebraucht wird. Nur für ein einziges Lied ("I Have A Dream") kommt ein Kinderchor auf die Bühne. 20 Backing-Sänger und -Sängerinnen ahmen den Phil-Spector-mäßigen Overdub-Wahn von Benny und Michael nach ("Lay All Your Love On Me", "Move On", "Happy New Year" etc.), aber auch die sind in vielen Songs nicht vertreten. Und ein gutes Drittel der Bühne nimmt eine gigantische Synthesizerburg ein, die alleine schon insgesamt mehrere Tonnen wiegt, mehr als eine Viertelmillion Euro gekostet hat und mehrere Stunden für den Aufbau gebraucht hat, und hinter der drei oder vier Keyboarder (von denen höchstens noch die Köpfe zu sehen sind, so hoch stapeln sich die Synths) herumwirbeln, als wären sie nicht auf einer Bühne, sondern auf der Kommandobrücke eines Flugzeugträgers. Damit das Publikum sieht, daß die vier auch wirklich spielen und nicht nur so tun, weil man ihre Hände kaum sieht, hängen über der Synthesizerburg mehrere riesige Spiegel, die einen Blick von oben erlauben. Bei den ganz frühen Sachen haben die wiederum nichts zu tun. In keinem einzigen Song ist die ganze Kapelle aktiv, irgendjemand steht immer tatenlos herum oder könnte von der Bühne gehen.
So wirklich tragen diese Mehr-Techniker-als-Musiker zur guten Laune, die eine ABBA-Tributeband ja erzeugen soll, auch nicht bei. Sie stehen unter ungeheurem Streß, weil sie das, wofür Benny mehrere Tage oder Wochen Zeit hatte, in einem Durchgang schaffen müssen. Die elektronischen Instrumente, die sie spielen, sind außerdem schon uralt, gerade nach heutigen Maßstäben nicht (mehr) sehr zuverlässig und könnten jederzeit zicken oder ganz ausfallen, teilweise sind Ersatzteile und Ersatzgeräte annähernd unmöglich oder nur gegen horrende Summen zu bekommen, und Rückfallebenen gibt es nicht immer, wenn überhaupt. Nebenher sind es wahrscheinlich auch sie, die z. B. Gesangseffektketten bedienen. Entspannen können sie sich höchstens bei den Songs aus ABBA, Waterloo und früher, die überhaupt keine Elektronik enthalten; da stehen sie dann dumm herum und haben gar nichts zu tun.
Dieser Wahnsinn ist notwendig, um gerade die ABBA-Songs von 1976 bis 1982 so originalgetreu wie irgend möglich in ihren Studioversionen auf die Bühne zu bringen ohne irgendwelche Zuspieler mit Halbplayback, also komplett live und handgemacht. Zur Erinnerung: The Musical Box spielen auch Studioversionen. Aber die frühen Genesis sind auch einfacher auf dem Niveau nachzuahmen als die bis zum Gehtnichtmehr überproduzierten späten ABBA. Und die frühen Genesis hatten auf der Bühne exakt dieselben Instrumente wie im Studio und haben auf Overdubs im Studio weitgehend verzichtet, was beides auf die späten ABBA nicht mal annähernd zutrifft.
Authentischer Studioklang, alles live gespielt, annehmbares Bühnenbild, aber einiges an Musikern unsichtbar backstage untergebracht: Im Prinzip wie oben, nur daß das, was das Bühnenbild stört, nicht auf, sondern hinter der Bühne steht. Es ist klanglich superauthentisch, es sieht nicht aus, als hätten Benny Andersson, Stevie Wonder und Jean Michel Jarre ihre kompletten Studios auf die Bühne gestellt, es gibt auch keine Riesenspiegel, die Musiker von oben zeigen, die das Publikum eigentlich gar nicht interessieren, und es ist immer noch komplett live gespielt – nur sieht das Publikum nichts davon und kann es auch nicht beurteilen. Man hätte auch zuspielen können.
Alles live gespielt, annehmbares oder gar originalgetreues Bühnenbild mit immer noch ziemlich vielen Musikern und Instrumenten, aber Live- statt Studioversionen, und die letzten drei Alben werden gar nicht gespielt: Im Prinzip ein Kompromiß, eine Abmilderung der ersten Variante. Statt der live eigentlich überhaupt nicht spielbaren, überproduzierten Studioversionen, die jeder aus dem Radio kennt, spielt die Band Livefassungen. Das reduziert den Arrangement-Aufwand, das reduziert den Bedarf an Musikern und Equipment, aber gerade unter nicht so "eingeweihten" Fans sind die Live-Versionen möglicherweise nicht so sehr bekannt und populär.
Und: ABBA sind nicht bis zum Schluß live aufgetreten. Damit gibt es von den Songs aus den 80ern, also aus Super Trouper, The Visitors und Opus 10, keine Live-Versionen. Das heißt wiederum, daß die Tributeband aus diesen Alben keine Songs spielen kann. Würde die Band nun versuchen, Songs aus diesen letzten Alben zu spielen mit der reduzierten Live-Besetzung und -Ausstattung, würden sie Versionen spielen müssen, die ABBA selbst nie gespielt haben, die also nicht "original ABBA" und damit nicht authentisch sind.
An dieser Stelle sollte den Nichtmusikern gesagt werden, daß der 1:1-Nachbau des Bühnenbildes sowohl von 1977 als auch von 1979, also bis hin zu allen Musikinstrumenten, immer noch ein so gigantischer Aufwand ist, daß das zu Recht noch keine Band gemacht hat.
Authentischer Klang, annehmbares Bühnenbild, aber Sequenzen und Zuspielungen: Das Bühnenbild ist übersichtlich, übliche Besetzung mit neben "Benny" höchstens einem weiteren Keyboarder mit maximal zwei Keyboards. Der Sound ist verdammt nah an ABBAs Albumversionen. Um das aber in dieser Besetzung zu erreichen, kommen die 20 oder mehr zusätzlichen Gesangsspuren (eingesungen von den vier Sängern der Band) und die diversen zusätzlichen Synthesizerspuren als Zuspielungen (eingespielt, wenn es ging, von den Keyboardern der Band, aber auf Equipment, das ihnen gar nicht gehört, und das sie erst recht nicht auf der Bühne dabei haben; teilweise auch von anderen Leuten, etwa wenn ein bestimmter benötigter Synthesizer nur in Übersee aufzutreiben war und der Besitzer die benötigten Parts einspielen mußte). Wie gesagt, es gibt Grenzen für das, was mit einer solchen Besetzung möglich ist, und alles, was diese Besetzung nicht live spielen kann, wird eben zugespielt. Das heißt nicht, daß die tatsächlich anwesenden Musiker nicht live singen und spielen.
Es gibt heute schon ABBA-Tributebands, die so ein Teilplayback verwenden, auch wenn die immer noch authentischer sein könnten.
Alles live gespielt, annehmbares Bühnenbild, aber es klingt nicht 100% wie ABBA: Das trifft aktuell so auf die meisten ABBA-Tributebands zu. Wieder eher normale Besetzung mit maximal einem Keyboarder, der nicht Benny ist. Jede einzelne Note wird von den Musikern auf der Bühne live gespielt. Aber so wirklich wie von Platte/CD klingt das nicht, das merkt sogar ein Laie.
Den Laien wird es eventuell sogar kaum stören, weil er eh nicht darauf achtet, ob jetzt auch die Instrumente genau wie damals klingen, solange die Songs "die richtigen" sind, eventuell die Stimmen der Sängerinnen genehm sind und die Band allgemein für gute Laune sorgt.
Kann aber auch sein, daß er es sehr wohl bemerkt, sich aber vielleicht im klaren darüber ist, daß ein penibel genauer Nachbau von ABBAs Studioversionen bis ins kleinste Detail, noch dazu ohne Halbplayback, ein unmenschlicher Aufwand ist, auf jeden Fall aber diese Lösung sowohl einer Armee von Soundtüftlern auf der Bühne als auch Zuspielern und Teilplayback vorzieht, wenn die Band trotzdem Spaß macht.